"Inventing Anna" Um diese deutsche Hochstaplerin dreht sich der neueste Netflix-Hit
"Das Damengambit", "Squid Game" und jetzt "Inventing Anna": Regelmäßig liefert Netflix Streaminghits. Die neueste Serie dürfte vor allem für deutsche True-Crime-Fans spannend sein.
Luxusurlaub in Marokko, Flug im Privatjet, Essen in schicken Restaurants: Leistungen im Wert von rund 200.000 Dollar erschlich sich Anna Sorokin. Die Geschichte selbst schien schon zu verrückt, um echt zu sein – und schnell wird deutlich, dass das in der Verfilmung nicht anders ist. "Die ganze Geschichte ist komplett wahr", heißt es im Vorspann zur Netflix-Serie "Inventing Anna", "abgesehen von all den Teilen, die total erfunden sind".
Es geht um Anna Sorokin, geboren 1991 in der Nähe von Moskau. Als Teenager zog sie mit ihren Eltern nach Deutschland und machte in Eschweiler bei Aachen Abitur. Soweit, so unspektakulär – doch dann zog Sorokin über London und Paris nach New York, wo sie sich schließlich in der High Society Manhattans unter dem Pseudonym Anna Delvey als Millionenerbin ausgab und – so urteilte ein Gericht 2019 – Leistungen im Wert von mehr als 200.000 Dollar (etwa 175.000 Euro) erschlich.
Sorokin: "Die Sache ist, es tut mir nicht leid"
Bekannte, Hotels, Restaurants und Banken führte sie reihenweise hinters Licht – mal gab sie an, ihre Kreditkarte vergessen zu haben, mal machte sie deutsche Feiertage oder die Zeitverschiebung für eine ausbleibende Überweisung verantwortlich und erschlich sich so sogar einen Flug mit einem Privatjet und einen Luxusurlaub in Marokko.
"Die Sache ist, es tut mir nicht leid", sagte Sorokin nach dem Prozess, bei dem sie auch mit extravaganter Kleiderwahl eine Selbstvermarktungsshow ablieferte, in einem Interview. "Ich würde Sie und alle anderen anlügen, wenn ich sagen würde, dass mir irgendetwas leidtun würde. Ich bedaure nur, wie ich bestimmte Sachen angegangen bin."
Platz 1 bei Netflix in Deutschland
Der Prozess sorgte für viele Schlagzeilen. Jetzt sorgt die neunteilige Serie bei Netflix für Furore. Kaum erschienen, belegt "Inventing Anna" bereits Platz eins der deutschen Netflix Top 10. Wie viele Millionen Menschen die Serie seit 11. Februar 2022 insgesamt gesehen haben, hat der Anbieter allerdings nicht verraten.
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Produziert wurde "Inventing Anna" von Shonda Rhimes, die auch schon für Erfolgsserien wie "Grey's Anatomy" und "Bridgerton" verantwortlich war. Als Hauptdarstellerin hatte sich Sorokin selbst zwar schon während des Prozesses öffentlich Hollywoodstar Jennifer Lawrence gewünscht, es wurde aber schließlich die zumindest bislang deutlich weniger berühmte Julia Garner.
Wie Anna Sorokin im "Spiegel" kürzlich selbst bestätigte, zahlte ihr Netflix 320.000 Dollar, um die Geschichte verfilmen zu dürfen. Das Geld sei allerdings schon lange wieder weg, so Sorokin.
Anna Chlumsky spielt ihren Gegenpart. Ihre Figur der Vivian Kent ist an die Journalistin Jessica Pressler angelehnt, die sich auf die Spur von Sorokins Geschichte macht.
Heroisierung einer verurteilten Betrügerin?
"Inventing Anna" wurde in den USA mit großer Werbetrommel ausgerollt, die Serie besticht durch Hochglanzbilder, rasante Dialoge und kreative Schnitte. Aber die ersten Kritiken waren gemischt. Während beispielsweise der Radiosender NPR die Show als "kreativen Triumph" feierte, kritisierten zahlreiche andere Medien, dass Sorokin in der Serie zu sehr gefeiert würde und nicht genügend deutlich gemacht werde, dass sie eine verurteilte Betrügerin sei.
Rachel Williams, die bei der Zeitschrift "Vanity Fair" arbeitete und zu denjenigen gehört, von denen Sorokin Geld erschwindelte, bezeichnete die Darstellung gar als "gefährliche Verzerrung". Auch bei der Film- und Serienplattform IMDb ist das Urteil gemischt: 6,9 von zehn möglichen Punkten hat "Inventing Anna" dort eingeheimst.
Die Netflix-Beraterin, die den eigenen Hype verpasst?
Anna Sorokin selbst, die eigentlich zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, aber Anfang 2021 wegen guter Führung bereits nach rund anderthalb Jahren wieder entlassen wurde, dürfte sich über den Hype freuen. Denn auch als Beraterin wurde sie bezahlt und konnte so ihre Schulden und Gerichtskosten begleichen. Doch nicht alles verlief rosig bei der 31-Jährigen.
Wenige Monate nach ihrer Entlassung 2021 wurde sie wieder festgenommen, weil ihr Visum ausgelaufen war. Seitdem sitzt sie in einer Einrichtung der US-Einwanderungsbehörde ICE im Bundesstaat New York. Gegen eine Abschiebung nach Deutschland hat sie Einspruch eingelegt. Sie habe sich verändert und ihre Entscheidungen täten ihr inzwischen doch leid, sagte sie kürzlich in einem Interview. Ihre Zelle sei sehr "deprimierend", sie verbringe ihre Zeit vor allem mit Lesen – und sie wolle noch mehr von ihrer Geschichte erzählen.
Eine weitere Dokuserie ist bereits angekündigt und sie arbeite auch an einem Buch und einem Podcast, sagte Sorokin. "Ich will die Menschen nicht dazu auffordern, Verbrechen zu begehen. Ich versuche nur zu zeigen, wie ich das Beste aus meiner Situation gemacht habe, ohne es zu glorifizieren."
- Nachrichtenagentur dpa