TV-Tipp Arte zeigt Dürer-Doku - Genie inmitten einer düsteren Zeit
Berlin (dpa) - Schon zu Lebzeiten war Albrecht Dürer (1471-1528) ein viel gelobter Star der Kunstwelt. Der Nürnberger nutzte die Möglichkeiten des Druckens und vertrieb seine Werke in großen Auflagen, seine Frau Agnes agierte sozusagen als Managerin.
Dürer schuf mit viel Aufwand eine Marke und wurde so schnell bekannt und populär. Wie er gelebt und unter welchen Umständen er in einer meist düsteren Zeit seine Kunst geschaffen hat, beleuchtet ein neues Dokudrama, das am Samstag (20.15 Uhr) bei Arte zu sehen ist. Der Schauspieler Wanja Mues präsentiert dabei einen durchaus nachdenklichen wie künstlerisch selbstbewussten Dürer.
In großen Teilen fokussiert sich der Film auf die schwierigen Umstände des Lebens im 15. und 16. Jahrhundert, die auf Dürers Werk ausstrahlten: Kindstode, die Pest, gesellschaftliche Hierarchien, im Falle Dürers und seiner Frau Agnes auch noch Kinderlosigkeit. In Dürers Werk zeigt sich das etwa in Darstellungen zur Apokalypse, auch sein "Selbstporträt als Akt" wird entsprechend interpretiert.
Gehadert und gelitten
"Man hat nicht den Eindruck von einem jungen potenten Mann, der so mitten in seinem Saft ist. Der muss diese Seiten gehabt haben, mit denen er auch gehadert hat und unter denen er auch gelitten hat", sagt da die Psychoanalytikerin Jeannette Fischer, die die Doku mit ihren Interpretationen an vielen Stellen bereichert. Außerdem kommen unter anderem der ausgewiesene Dürer-Experte Christof Metzger von der Albertina in Wien und der Kunsthistoriker Thomas Eser zu Wort. Die Albertina besitzt zahlreiche Dürer-Werke, darunter auch den weltberühmten Feldhasen von 1502.
Besonders wird der Dokumentarfilm, weil Dürer und vor allem seine Frau Agnes (Hannah Herzsprung, 40, "Weissensee") immer wieder den Zuschauer direkt ansprechen, ihm durch den Fernseher in die Augen schauen - so, wie es auch Dürer selbst im "Selbstbildnis im Pelzrock" (1500) macht.
Direkter Blick tabu
Zu seiner Zeit war das eine Grenzüberschreitung, der direkte Blick war eigentlich Heiligen, vor allem Jesus Christus vorbehalten. Dürer brach mit dieser Praxis und stilisierte sich im wohl bekanntesten seiner Selbstporträts als eben jener Jesus Christus. "Es könnte sein dass er wie eine Vision zeichnete, dass er dieser Mann sein möchte in ein paar Jahren", analysiert Psychoanalytikerin Fischer. "So schuf ich, Albrecht Dürer aus Nürnberg, mich selbst mit charakteristischen Farben im Alter von 28 Jahren", lautet die Inschrift auf dem Bild - der Unterschied zwischen schaffen und sein ist hier bedeutend.
Den Erläuterungen zu diesem bedeutenden Dürer-Werk gibt der Dokumentarfilm (Regie: Marie Noëlle, "Marie Curie") etwas mehr Raum, insgesamt reißt der Film aber sehr viele Aspekte aus Dürers Leben an - vielleicht zu viele. Ein gewisses Vorwissen zu Dürer kann jedenfalls nicht schaden.
Insgesamt wird in den 89 Minuten aber ein breites Bild davon vermittelt, wer Dürer war und was ihn und seine Kunst geprägt hat - ohne dabei permanent in Jubelstürme zu verfallen. Dafür sorgt nicht zuletzt die düstere, fast deprimierende Stimmung, die durch den Fokus auf die tragischen Seiten des Lebens zu Dürers Zeit entsteht. Erst als seine Reisen nach Italien thematisiert werden, wird der Film fröhlicher - ebenso wie Dürer, der bei diesen Reisen Briefen zufolge regelrecht aufblühte. Etwas verwirrend wirkt bloß, dass Agnes zwischendurch den Dürer-Besitz per Smartphone in Euro umrechnet und an anderer Stelle online nach Informationen sucht.