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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Margarita Broich "Ich habe gedacht, die beim 'Tatort' sind alle betrunken"
Mit "Wer zögert, ist tot" eröffneten die Frankfurter Kommissare Janneke und Brix am Sonntag die neue “Tatort”-Saison. t-online hat darüber mit Hauptdarstellerin Margarita Broich gesprochen.
Im Telefongespräch wirkt Margarita Broich gut gelaunt und zufrieden. Zufrieden mit sich selbst und ihrer Arbeit. Die Schauspielerin kommt vom Theater, ist die harte Schule der schonungslosen Bühne gewohnt. Seit 2015 ermittelt sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Wolfram Koch im Frankfurter "Tatort". Neben ihrer Rolle als Mutter in der ARD-Reihe "Meine Mutter..." ist die der Kommissarin ihr zweites festes Standbein im Fernsehen.
Ihre Kollegin ChrisTine Urspruch, Kultfigur im Münster-"Tatort", löste vor einiger Zeit eine wichtige Debatte aus, weil sie deutlich weniger verdient als Jan Josef Liefers alias Prof. Dr. Dr. Boerne.
t-online: Frau Broich, sind Sie eigentlich mit ihrem "Tatort"-Gehalt zufrieden?
Margarita Broich: Ja, ich bin mit meinem "Tatort"-Gehalt zufrieden. Ich glaube, dass ich da nicht betrogen werde. Man verdient beim Drehen unverhältnismäßig viel mehr als beim Theater. Man dreht aber nicht so oft, deswegen muss man das Geld eben besser einteilen. Ich will mich aber überhaupt nicht beschweren, weil ich zwei gute Sachen habe, bei denen ich ein Jahr im Voraus weiß, ob ich darauf zählen kann oder nicht. Zu Theaterzeiten habe ich so gelebt, dass ich mein Gehalt eins zu eins dem Babysitter geben konnte. Am Theater verdient man nicht viel. Beim Fernsehen verdient man viel mehr, arbeitet aber auch nicht kontinuierlich. Wenn ich Martin (Anmerkung der Redaktion: ehemaliger Lebenspartner) nicht gehabt hätte damals, hätte ich mit zwei, drei Kindern, wohl nicht die Nerven gehabt, das allein zu stemmen. So konnten wir uns abwechseln.
ChrisTine Urspruch erklärte kürzlich, sie würde weniger verdienen mit einem "Tatort" als Jan Josef Liefers. Ist das bei Ihnen auch so oder wissen Sie überhaupt, was Ihr Kollege verdient?
Mein Kollege und ich verdienen gleich viel. Die Gagen wurden von Anfang an auf den Tisch gelegt. Ich denke mal, wir liegen da auch weit unter Jan Josef Liefers (lacht). Ich habe aber auch keine Ahnung, ich kenne mich da nicht wirklich aus.
Was halten Sie von der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen?
Ich habe lange genug mit Martin Wuttke zusammengelebt, der ja auch Schauspieler ist. Dadurch weiß ich, dass Männer natürlich viel besser bezahlt worden sind als Frauen. Das ist einfach nicht richtig. Wie das jetzt in Münster ist, weiß ich nicht, ob es auch darauf ankommt, wer was spielt. Aber tendenziell war die ungleiche Bezahlung tatsächlich an der Tagesordnung und sie wurde auch nicht diskutiert. Auch am Theater war das so. Da gibt es viel zu tun. Ich glaube aber, das ist schon auf dem Weg der Besserung.
Wie haben Sie es geschafft, dass Wolfram Koch und Sie dasselbe verdienen?
Das hat die damalige Fernsehspielchefin des Hessischen Rundfunks, Liane Jessen, zu verantworten. Die war von vornherein sehr ehrlich und hat gesagt: Beide verdienen gleich und zwar so und so viel. Dieser Ton wurde direkt von ihr so angegeben und das war natürlich toll. Wir mussten nicht darum kämpfen oder so blöd nachfragen, was der andere verdient. Das blieb uns erspart und war direkt zu Beginn geregelt.
Glauben Sie, es war ein Zufall, dass eine Frau dafür verantwortlich war?
Ich glaube, die meisten Karrieresprünge habe ich gemacht, weil Frauen mir die Türen geöffnet haben. Hermine Huntgeburth hatte mich für den ARD-Film "Teufelsbraten" engagiert, ohne Casting und obwohl ich vorher noch gar kein Fernsehen gemacht hatte.
Die Fernsehfilm-Reihe von 2007?
Genau! Ich habe oft erlebt, dass Frauen mir mehr zugetraut haben, als ich mir selbst. Ich glaube, wenn Frauen etwas suchen und finden, dann nehmen sie das auch. Männer suchen und suchen und denken, vielleicht finde ich noch etwas Besseres. Ich bin eher der Frauentyp.
Wie lange wollen Sie noch "Tatort"-Kommissarin sein?
Keine Ahnung. Das wird die Zeit schon zeigen. Mit Wolfram Koch mache ich das so wahnsinnig gerne. Ich kenne ihn seit 30 Jahren, dafür bin ich sehr dankbar. Je älter man wird, desto weniger hat man Lust sich zu ärgern oder sich zu langweilen. Deswegen bin ich froh über solche Arbeitszusammenhänge, die ich genießen kann und bei denen ich mich nicht künstlich anstrengen muss. Insofern finde ich es immer noch spannend und toll, wenn ich in Frankfurt einen "Tatort" drehen darf. Ich habe mich noch nie wirklich ärgern müssen über diese Arbeit. Deswegen kann ich das ruhig noch eine Zeit lang machen. Aber ich weiß nicht, wie die Sterne da stehen.
Sich nicht ärgern zu müssen ist viel wert.
Ja, das ist der größte Unterschied zu meinen langen Theaterjahren. Da habe ich wirklich geschuftet.
Was hat die Arbeit am Theater so anstrengend gemacht?
Ich habe erst mit Mitte 40 angefangen, Fernsehen zu machen. Das war für mich vorher gar nicht sichtbar als Berufsfeld. Davor habe ich Theater gespielt, hatte manchmal 25 Vorstellungen im Monat. Ich habe Ostern, Weihnachten und Neujahr gespielt. Man ist voller Selbstzweifel und man ist ausgeliefert. Ich hatte manchmal den Eindruck, ich stehe nackt an der Wand und bin nicht fertig und Tausend Leute gucken zu. Jedes Mal hat es sich so angefühlt, als ginge es um mein Leben.
Beim Fernsehen ist das anders?
Ja. Ich genieße den geschützten Raum beim Fernsehen und das Gefühl, dass ich nicht jeden Tag kämpfen muss. Theater ist brachial, martialisch und sehr körperlich. Es ist wahnsinnig toll und anstrengend zugleich. Das Drehen beim Fernsehen ist schon angenehmer. Ich werde morgens gefragt, ob ich einen Kaffee möchte, ob mir kalt ist. Im Theater kriegt man die Tür vor den Kopf geknallt und das wars. Da herrscht ein ganz anderer Ton. Im Theater geht es zu wie auf dem Bau. Ich habe mich dort gefühlt wie eine Schwerstarbeiterin. Ich bin allerdings auch durch viele "tolle" Hände gegangen. Mannomann. Ich habe für Regisseure gearbeitet, da hätte ich auch von der Krankenkasse bezahlt werden können. Die hätten alle auf die Couch gehört. Theater ist das Tollste, ich geh auch gern ins Theater. Aber es ist eben sehr martialisch.
Wie würden Sie die Arbeit für den "Tatort" mit Ihren anderen Rollen vergleichen?
Im "Tatort" habe ich oft das Gefühl, dass ich der Geschichte diene. Es geht um die Fälle. Aus schauspielerischer Sicht ist jeder Mörder besser zu spielen als die Kommissarin. Oft ist es so, dass das Spektakuläre und die größere Spielaufgabe bei den anderen Rollen liegen. Im Kommissariat wiederholen sich sehr viele Situationen, die Verhöre, die Recherchearbeit. In der Redaktion vom Hessischen Rundfunk sind glücklicherweise viele experimentierfreudige Menschen, sodass das auch oft aufgebrochen und anders erzählt wird. Dennoch muss es sich zwangsläufig wiederholen. Als Kommissarin ist man doch sehr konzentriert. Ich merke, dass ich unglaublich oft im Drehbuch blättern muss, es ist alles ein wenig komplizierter, weil wir nicht alles nacheinander drehen. Ich muss dann oft nachschauen, weiß ich nun schon dies oder das, sind die Laborwerte schon da, ist dieses oder jenes schon passiert.
Wie sind Sie damals zum "Tatort" gekommen?
Liane Jessen hatte damals mich und Wolfram ausgesucht für die Rolle. Ich habe gedacht, die sind alle betrunken, weil sie mich wollten. Aber die waren nicht betrunken, die waren einfach schräg drauf.
Anmerkung der Redaktion: Das Gespräch mit Frau Broich wurde bereits im Februar 2021 geführt.
- Interview mit Margarita Broich