"Missbrauchte Kinder für die Quote" Jetzt geht Ikke Hüftgold juristisch gegen Sat.1 vor
Nach Dreharbeiten warf der Sänger Sat.1 vor, schwere Traumata minderjähriger Protagonisten wissentlich ignoriert zu haben, um die TV-Produktion nicht abbrechen zu müssen. Nun lässt er seinen Worten Taten folgen.
Nach seiner Teilnahme bei "Promi Big Brother" im vergangenen Jahr wollte sich Matthias Distel alias Ikke Hüftgold einem weiteren TV-Experiment stellen: "Plötzlich arm, plötzlich reich". In der Sendung tauscht eine wohlhabende Familie eine Woche lang mit einer sozial schwächeren Familie. Doch die Dreharbeiten wurden für den Sänger und TV-Star schnell zum Albtraum, wie er am Montag auf Instagram berichtete.
Jetzt hat Distel juristische Schritte gegen den Sender Sat.1 und die zuständige Produktionsfirma "Imago TV " eingeleitet. Wie die Polizei Limburg auf Anfrage von t-online bestätigte, stellte der 44-Jährige Strafanzeige. Zuerst hatte der "Spiegel" davon berichtet. Demnach habe Distel eine Aussage bei der Polizei gemacht und Konsequenzen für den Sender und die Produktionsfirma eingefordert, weil das Kindeswohl von zwei traumatisierten Kindern "von den verantwortlichen Medienanstalten mit Füßen getreten" worden sei.
Der Grund: "Menschenunwürdige Geschehnisse", vor allem im Umgang mit den Kindern der Tauschfamilie, bei denen schwere Traumata wissentlich ignoriert worden sein sollen. In einem rund 18-minütigen Video erhob Distel schwere Vorwürfe gegen den Sender Sat.1 und die ausführende Produktionsfirma "Imago TV", denen er eine "gewissenlose Quotenjagd auf dem Rücken missbrauchter Kinder" vorwirft. Auszüge aus dem Video können Sie oben sehen.
"Stand weinend vor der laufenden Kamera"
Distel berichtete von dem Moment, als er am ersten Drehtag in der vergangenen Woche die Wohnung der ihm bis dahin unbekannten Tauschfamilie betrat. "Die Tatsache, dass wir nach zehn Minuten Aufenthalt weinend vor der laufenden Kamera standen, soll lediglich deutlich machen, welche Emotionen beim Anblick dieser Zustände aus uns herausbrachen."
Dass unter diesen Verhältnissen vier Kinder leben sollten, habe ihn sprachlos gemacht. Doch eine Entdeckung schockierte ihn besonders: "In der Wohnung hing ein Kalender, der die letzten sechs Monate der Familie dokumentierte. Jedes Familienmitglied hatte seine eigene tägliche Spalte. Die zwei jüngsten Kinder sowie die Mutter befinden sich laut Eintragungen auf diesem Kalender in psychologischer Behandlung. Ich greife jetzt schon vorweg, dass später herauskam, dass die Produktion über die Behandlung der Kinder Bescheid wusste", so Distel.
Trotz Castings und langer Vorgespräche habe sich jedoch niemand im Vorfeld bei einem Psychologen rückversichert, ob man die acht und zehn Jahre alten Kinder "rechtlich und moralisch gesehen in ein Fernsehformat ziehen kann". Man habe sich lediglich auf die Aussagen der selbst in psychologischer Behandlung befindlichen Mutter verlassen. Auch der Sänger habe sich zunächst mit der Einschätzung der Redaktion abgefunden.
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"Hätte zum sofortigen Abbruch führen müssen"
Doch "dass ich dann vor laufender Kamera erfuhr, dass die Kinder in der Vergangenheit durch ihren eigentlichen Vater schwerste Kindesmisshandlungen erlitten haben sollen, führte von meiner Seite zum sofortigen Abbruch der Dreharbeiten". Auch dass ihm durchgehend vom Team suggeriert worden war, dass die Kinder sich in seinem Umfeld in Limburg sehr wohlfühlen würden und eine tolle Zeit hätten, stellte sich im Nachhinein als Lüge heraus.
Erst später erfuhr Distel: "Einer der Jungen schlug sich laut Aufnahmeleitung mehrfach den Kopf an meine Zimmerwand, um sich selbst zu verletzen. Auf dem Weg zu einem Außendreh kotete dieser Junge sich ein. Der Andere der jüngsten Geschwister stand auf meinem Balkon im vierten Stock und schrie, dass er sich jetzt umbringen würde. Zudem schlugen sich die jüngsten Geschwister mehrfach."
All diese Vorfälle seien direkt der Chefetage übermittelt worden. "Jeder einzelne dieser Vorfälle hätte mit dem Hintergrundwissen des Senders und der Produktion zum sofortigen Abbruch des Formates führen müssen. Stattdessen wurde appelliert, die laufende Produktion nicht zu gefährden und den Dreh fortzuführen", berichtete der TV-Star und klagte an: "Ethik, Moral, Anstand und das Kindeswohl wurden dabei vollkommen und in meinen Augen vorsätzlich ignoriert!"
Ikke Hüftgold will rechtliche Schritte einleiten
Er habe zwar mehrfach mit Sender und Produktionsfirma gesprochen und zunächst mit sich gerungen, an die Öffentlichkeit zu gehen, doch "es geht hier um Kinder! Schwer traumatisierte Kinder, die in meinen Augen aufgrund von möglichst hohen Quoten und einer menschenverachtenden Herangehensweise die Sensationsgier der breiten Masse befriedigen sollten", so Distel.
An die Verantwortlichen gewandt erklärte er abschließend: "Ich fordere hiermit Sat.1 und 'Imago TV' zur lückenlosen Aufklärung der Geschehnisse auf und appelliere gleichzeitig an alle, ob im beruflichen oder im privaten Umfeld, im Sinne unserer Schwächsten, unserer Kinder, in Zukunft wachsamer zu sein!"
Alle von ihm erhobenen Vorwürfe seien durch Zeugen und Dokumente belegbar, betonte der Sänger. Aktuell prüfe er, zusätzlich rechtliche Schritte einzuleiten.
Sat.1 reagiert auf die Vorwürfe
Sat.1 hat sich inzwischen zu den Vorwürfen geäußert. Der Sender bedankt sich bei dem Ballermannstar, dass er sie "über die Umstände beim Dreh zu 'Plötzlich arm, plötzlich reich' informiert" habe. "Unmittelbar nachdem wir seine Mail erhalten haben, haben wir begonnen, mit der Produktionsfirma und der Familienhilfe zu reden, um der Familie zu helfen und um die Zusammenhänge aufzuarbeiten."
Diese Arbeit sei noch nicht abgeschlossen, heißt es auf Instagram weiter. "Aber es steht fest, dass Sat.1 keine Sekunde dieser Folge zeigt." Das habe Sat.1 dem Sänger bereits vergangene Woche mitgeteilt.
- Spiegel: "Ikke Hüftgold erstattet Anzeige gegen Imago TV und Sat.1"
- Instagram: Profil von Sat.1
- Instagram: Profil von Ikke Hüftgold