Ist Leitmayr etwa Vater? Münchner "Tatort" konfrontiert Ermittler mit Vergangenheit
Nazaré, Portugal 1984. Drei junge, attraktive Menschen wälzen sich nackt und lachend am Strand, umspült von der Meeresbrandung. Was diese Bilder mit dem neuen "Tatort" zu tun haben, verrät zunächst nur die markante Nase des einen.
Denn es handelt sich um Franz Leitmayrs 35 Jahre jüngeres Alter Ego. Schon die ersten paar Minuten der neuen Episode des ARD-Krimiklassikers mit dem Titel "Die ewige Welle" zeigen also: Diesmal wirds persönlich in München.
Mikesch ist Opfer eines Verbrechens geworden
Denn die Geschichte geht Jahrzehnte später weiter, allerdings in weniger einladender Atmosphäre als damals unter portugiesischer Sonne. In einem grauen Münchner Krankenhauszimmer sehen Leitmayr und Mikesch, der Kumpel von einst, sich wieder. Denn Mikesch ist Opfer eines Verbrechens geworden. In einem düsteren Tunnel des Isar-Radwegs wurde er von einem Junkie niedergestochen.
Er war auf dem Heimweg vom Surfen auf der Eisbachwelle. Mikesch ist im Gegensatz zum spießig und Polizist gewordenen Leitmayr seinem freigeistigen Ich von damals selbstverständlich treu geblieben. "Bin ich schon tot?" sind seine ersten Worte, als Leitmayr und sein Kollege Ivo Batic sich als Ermittler der Mordkommission vorstellen. Lustiger wird es leider nicht in dieser Folge.
Angreifer nach einer Überdosis tot gefunden
Vor allem Batic ist von Mikesch irritiert. Es wundert ihn nicht nur, dass Leitmayr einmal so eng mit so einem Vogel befreundet war – er fragt sich auch, warum dieser Vogel nach der fast tödlichen Attacke auf ihn nicht mit der Polizei kooperieren will. Er haut sogar schwer verletzt aus dem Krankenhaus ab. Die Antwort: Mikesch kannte den Junkie, ist in Drogengeschäfte verwickelt und wittert bei einem neuen Deal das große Geld. Da kann er die Polizei nicht gebrauchen.
Als Mikeschs Angreifer nach einer Überdosis tot gefunden wird, hätte der Fall für die Mordkommission eigentlich abgeschlossen sein müssen. Doch weil neben dem Junkie ein Mittel gefunden wird, das Mikesch auch in seiner Wohnung hatte, bleiben sie dran. Warum sie das tun und nicht die Drogenfahnder, ist eins der kleinen Geheimnisse dieses kruden Films.
Ist Leitmayr etwa Vater?
Zwischendurch trifft Leitmayr natürlich auch die schöne Frau von damals, Frida, wieder. Die hat einen Sohn, der ziemlich genau neun Monate nach dem Portugal-Intermezzo auf die Welt kam. Ist Leitmayr etwa Vater? Diese Frage und die Erinnerung an Leitmayrs freigeistiges, künstlerisch-fragwürdige Gedichte schreibendes Ich überlagert dann die eigentliche Geschichte, in der Mikesch sich als der manipulative Versagertyp entpuppt.
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"Als Kriminalgeschichte hat mich der Tatort nicht gerade umgehauen. Die Geschichte wird aber ganz atmosphärisch erzählt", sagt der Betreiber der Expertenseite "Tatort-Fundus", François Werner. "Trotzdem stört es mich zunehmend, dass die persönliche Vergangenheit einer Ermittlerfigur so oft und so breit in den Vordergrund gerückt wird. Das ist schon sehr weit von der Realität entfernt, wenn ein Ermittler persönlich so verstrickt und damit befangen ist."
Titel "Die ewige Welle" ist eher irreführend
Warum diese beiden Geschichten überhaupt so beliebig miteinander verknüpft werden, ist ein weiteres Geheimnis der Drehbuchschreiber Alex Buresch und Matthias Pacht, die auch schon für den an die Geschichte des Gaddafi-Sohnes angelehnten, guten Münchner "Tatort: Der Wüstensohn" verantwortlich waren – es also eigentlich besser wissen müssten.
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Ärgerlich sind auch Szenen, die sich womöglich am Münster-"Tatort" orientieren und witzig sein sollen. Wenn Batic sich auf dem Seziertisch massieren lässt und der Handlanger des Drogenbosses dem alten Mann erst die Finger bricht und dann pustet, weil es wehtut, ist das nur unfreiwillig komisch. Auch der Titel "Die ewige Welle" ist eher irreführend. Die Eisbachsurfer, inzwischen eine Münchner Touristenattraktion wie Marienplatz und Frauenkirche, bilden in diesem Film leider nicht mehr als die Kulisse für einen unausgegorenen "Tatort". Den "Tatort" aus München zeigt die ARD heute um 20.25 Uhr.
- Nachrichtenagentur dpa