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"Tatort" im Faktencheck: Wie brutal dürfen Martial-Arts-Kämpfe sein?


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"Tatort"-Faktencheck
Wie brutal dürfen Martial-Arts-Kämpfe sein?

Von Barbara Schaefer

Aktualisiert am 08.10.2018Lesedauer: 5 Min.
Undercover: Kommissar Jan Pawlak (Rick Okon, l) mit seinem Kampfsport-Trainer Abuzar Zaurayev-Schmidt (Surho Sugaipov) im Boxring.Vergrößern des Bildes
Undercover: Kommissar Jan Pawlak (Rick Okon, l) mit seinem Kampfsport-Trainer Abuzar Zaurayev-Schmidt (Surho Sugaipov) im Boxring. (Quelle: WDR/Thomas Kost)

BVB-Fans müssen jetzt ganz stark sein: Im Dortmund-"

Wurde hier eine Leiche oder ein Mensch verbrannt? Mit dieser Frage fängt der Dortmund-"Tatort" an. In der Asche liegt auch noch ein Hotelzimmerschlüssel. Man muss schon ein ausgekochter "Tatort"-Fan sein, um die Anspielungen zu verstehen, die Kommissar Faber daraufhin über seine Kollegin Bönisch ausschüttet. Ja, sie kennt das Hotel. Ja, sie war da schon Gast, und nicht alleine.

Im Hotelzimmer zum Schlüssel versteckt sich ein Junge, er scheint keine bekannte Sprache zu sprechen. Ist er der Schlüssel zu allem? Geht es um "Drogengeld, Waffengeld, Nuttengeld"? Es geht um Wetten, um Glücksspiel, aber um eine perfide Variante: Männer hauen so lange aufeinander ein, bis einer tot ist. Nicht bei Straßenkämpfen, nicht weil sie einander hassen, sondern weil auf sie gewettet wird. Mixed-Martial-Arts-Kämpfe, Käfigkämpfe, ob so etwas überhaupt Sport ist, sei dahingestellt. Doch hier wird der Tod nicht nur geduldet, sondern als Teil des Kampfes gefördert.

Das eingespielte Team Faber (nicht mehr durchgängig verkniffen: Jörg Hartmann) und Bönisch (Anna Schudt) ermittelt am Rande der Illegalität. Faber druckt heimlich Dokumente am Hotelrechner aus und zündelt herum, Bönisch checkt unter fremdem Namen im Hotel ein, und der neue Kollege Jan Pawlak (Rick Okon) boxt undercover in einem Fightclub. Aber was ist bloß mit Faber los? Er kann richtig lustig sein, und sei es aus Eifersucht. Am Ende muss er sich von seiner Kollegin vorwerfen lassen, er habe gelächelt! Faber kontert, das könne nicht sein, das gäben seine Gesichtsmuskeln gar nicht her. Aber dann macht er ihr auch noch die Autotüre auf. Faber, Faber.

Wirr wird es nur, weil Bönisch im Hotel einen Mann an Land zieht, einen dubiosen, schwerreichen Russen: "Wenn man genug Geld hat, kann man alles kaufen." Ist er zufällig in der Stadt, will er wirklich nur den BVB kaufen, oder hat er seine Finger bei den tödlichen Wetten mit im Spiel? Diese Überlegungen sind allerdings nicht relevant, sondern die moralische und strafrechtliche Frage: Darf auf den Tod gewettet werden?

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Der Faktencheck

Fragen an Dr. Jörg Hofmann, Rechtsanwalt in Heidelberg, Glücksspielrechtsexeperte (www.melchers-law.com)

t-online.de: Jörg Hofmann, worin unterscheiden sich legales und illegales Glücksspiel?

Jörg Hofmann: Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Grundsätzlich gilt für Deutschland, dass öffentlich angebotene Glücksspiele rechtmäßig sind, wenn sie von einer deutschen Glücksspielaufsichtsbehörde genehmigt wurden. Ohne Genehmigung gelten solche Angebote als illegal.

Das klingt ja ziemlich eindeutig.

Aber es gibt Grauzonen. In verschiedenen Bereichen steht die deutsche Glücksspielregulierung in Konflikt mit höherrangigem Europarecht. Das erschwert die Beurteilung der Rechtslage. Wir sehen das zum Beispiel bei Online-Glücksspielangeboten, die über keine deutsche Lizenz verfügen. Nach geschriebenem Recht sind sie nicht erlaubt, aber sie existieren in großer Zahl und berufen sich, soweit die Anbieter in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ansässig sind, auf die europäische Dienstleistungsfreiheit. Übrigens sind auch die nicht genehmigten Glücksspielangebote in Deutschland steuerpflichtig. Daraus fließen erhebliche Steuerzahlungen an den deutschen Fiskus.

Und warum sind die verboten?

Das Hauptargument einer Glücksspielregulierung ist in der Regel der Spielerschutz, vor allem zur Bekämpfung möglicher Spielsuchtgefahren. Lizenzsysteme dienen der Anwendung von Standards und Regeln sowie deren behördlicher Überwachung. Deutschland ist bei Glücksspielangeboten im Internet im Ansatz den Weg des Totalverbotes gegangen. Somit gibt es hier keine bundesweite Lizenz. Die meisten europäischen Länder sind da schon weiter. Sie haben erkannt, dass Verbote hier nicht wirklich durchsetzbar sind und haben sich für eine Regulierung dieses Marktes entschieden. Das ist der einzig sinnvolle Weg. Millionen deutscher Spieler würden davon profitieren. Die Anbieter hätten ihre begehrte Rechtssicherheit.

Was genau ist ein Glücksspiel?

Vereinfacht gesagt müssen folgende drei Kriterien erfüllt sein: 1. Es gibt einen Geldeinsatz. 2. Dieser nimmt an einer Chance auf Gewinn oder Verlust teil. 3. Die Entscheidung über Gewinn und Verlust hängt überwiegend von einem zufälligen Ereignis ab. Beim Roulette zum Beispiel entscheidet die Zahl des Kessels, auf welche die Kugel trifft. Ein Fußballspiel selbst ist kein Glücksspiel, weil es um Können und Geschicklichkeit geht, aber die Wette auf den Ausgang gilt als Glücksspiel.

Im "Tatort" geht es um Martial-Arts-Kämpfe, sogenannte Käfigkämpfe, in denen Zuschauer auf den Ausgang wetten. Gibt es so etwas in Deutschland?

Grundsätzlich erlaubt sind in Deutschland Sportwetten, also Wetten auf den Ausgang von Tennisspielen, Pferderennen, Fußballspielen. Kampfsportwettkämpfe lassen sich im Prinzip als Sportwette qualifizieren. In der brutalen Ausgestaltung durch das "Tatort"-Drehbuch wären sie in Deutschland nicht erlaubnisfähig. Vorstellen kann man sich das wohl wie Hahnenkämpfe, nur eben mit Menschen. Hahnenkämpfe sind bereits aus Gründen des Tierschutzes verboten. Vorsätzliche Körperverletzungen oder Tötungsdelikte als Wettgegenstand sind rechtlich unvorstellbar. Was hinter verschlossenen Türen geschieht, mag mitunter die Grenzen der Vorstellungskraft sprengen.

Im "Tatort" gehen die Wetten auf den Tod eines der Kämpfer. Wenn keiner der Kämpfer stirbt, bekommt auch der Sieger nichts. Ist bekannt, ob es solche Veranstaltungen je gab?

Nach meinem Wissenstand ist so etwas bislang nicht bekannt geworden, aber ausschließen kann man kann es nicht. Wenn Sie vor ein paar Jahren einen "Tatort" gedreht hätten, in dem Eltern ihr zweijähriges Kind an Pädophile verkaufen, wäre das als ungeheuerlich und unvorstellbar kritisiert worden. Aber offenbar geschieht so etwas eben doch. In Zeiten des Darknet haben sich viele Dinge geändert. Also: Ich halte es nicht für sehr realistisch, dass in Deutschland solche Kämpfe wie in diesem "Tatort" ausgetragen werden. Aber theoretisch kann ich das nicht völlig ausschließen.

Wie würde man das strafrechtlich fassen können?

Wenn der Tod eines Kämpfers die beabsichtigte Folge des Kampfes ist, reden wir über ein Tötungsdelikt. Die glücksspielrechtliche Betrachtung spielt dem gegenüber nur eine sehr untergeordnete Rolle. Vielmehr geht es um Totschlag, gegebenenfalls sogar Mord auf Ebene der Kämpfer. Die Veranstalter dürften als Mittäter schuldig sein. Hier würde man sicher nicht primär wegen illegaler Wetten ermitteln, sondern wegen der Tötung. Daher liegt der Fall auch korrekt bei der Mordkommission. Es geht durchaus auch um illegales Glücksspiel, weil – natürlich – keine Genehmigung vorgelegen hat. Dieses Wettangebot ist so hochgradig sittenwidrig, dass es keine Legalisierung geben kann.

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Und wie sieht die Rechtslage von Zuschauern so einer Veranstaltung aus? Laut Drehbuch handelt es sich bloß um "illegales Glücksspiel. Man zahlt 50.000 Strafe an die Staatskasse, und der Fall ist erledigt". Stimmt das?

So würde das sicherlich nicht ablaufen. Die Zuschauer nehmen ja nicht nur an einem illegalen Glücksspiel teil, sondern befördern mit ihrem Wetteinsatz das Tötungsdelikt. Kämpfer und Veranstalter würde sicher ein stärkeres Strafmaß erwarten. Von mehrjähriger Haftstrafe ist auszugehen. Aber auch die Zuschauer machen sich schuldig. Ihr Wetteinsatz unterstützt den auf Totschlag, wenn nicht sogar Mord gerichteten Wettkampf. Man kann sich nicht freikaufen.

Was heißt das genau?

Sollte ein Strafverfahren mit der Verhängung einer Geldstrafe enden, so würde diese bei allen Beteiligten jeweils individuell nach der Schwere des eigenen Tatbeitrages und den persönlichen Einkommensverhältnissen festgesetzt. Ein gleich hoher pauschaler Betrag für alle kommt da nicht in Betracht. Vor dem Hintergrund des Tötungsdeliktes würde das mit der Tat verbundene illegale Glücksspiel bei der Strafverfolgung selbst kaum noch Raum einnehmen.

Verwendete Quellen
  • "Tatort"-Folge vom 7. Oktober
  • eigene Recherche
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