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Adele Neuhauser über Trauer, Sterne und das Älterwerden


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"Tränen freien Lauf lassen"
Adele Neuhauser über Trauer, Sterne und das Älterwerden

Ein Interview von Maria Holzhauer

16.03.2018Lesedauer: 6 Min.
Adele Neuhauser: Sie spielt in "Venus im vierten Haus" die Lektorin Gitti Kronlechner.Vergrößern des Bildes
Adele Neuhauser: Sie spielt in "Venus im vierten Haus" die Lektorin Gitti Kronlechner. (Quelle: ZDF/MARCO NAGEL)
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Raus aus der Stadt, weg von all den zwischenmenschlichen Problemen und auf zu neuem Terrain. Im TV-Film "Venus im vierten Haus" spielt Adele Neuhauser eine Großstädterin, die mit Natur nichts am Hut hat – doch die Sterne leiten sie in die Wildnis.

Adele Neuhauser hat sich Zeit genommen für ein ausführliches Telefoninterview mit t-online.de. Darin erklärt sie, was sie mit ihrer Rolle Gitti verbindet und was nicht. Wir sprechen über den Einfluss von Horoskopen und dem Sternzeichen, den nahenden 60. Geburtstag und das schreckliche Schicksal, das die Schauspielerin durchleben musste – in jungen Jahren versuchte sie, sich das Leben zu nehmen; 2015 und 2016 verlor sie innerhalb kürzester Zeit Vater, Mutter und Bruder.

t-online.de: Frau Neuhauser, wie waren die Dreharbeiten in der freien Natur für Sie?

Adele Neuhauser: Das ist ein bisschen wie Räuber und Gendarm spielen, das mag ich total gerne. Aber normalerweise hat man beim Drehen ein bisschen den Engel an der Seite. Dieses Mal war es sehr schwierig, wir hatten sehr mit dem Wetter zu kämpfen. Das war hart, wir hatten starke Regenfälle und mussten immer wieder unterbrechen. Am letzten Drehtag gab es einen richtigen Sturm. Das war fast infernalisch, aber wir haben es hinbekommen.

Sie wandern gerne alleine. Könnten Sie sich auch vorstellen bei einem Survival Camp mit zu machen?

Ganz ehrlich, ich bleibe lieber alleine. Da habe ich für mich einen größeren Benefit, mit mir ins Reine zu kommen, unnütze Gedanken los zu werden. Wenn man in einer Gruppe ist, nimmt man viel Rücksicht, was ja auch wichtig ist, aber ich bin lieber alleine. Ein Survival Camp wäre auch ehrlich gesagt nichts für mich. Ich muss keine Schnecken oder irgendwelche komischen Gräser essen. Das ist nicht so meins.

Im Film sieht man, dass Sie ganz schön durchtrainiert sind. Wie halten Sie sich fit?

Man sieht sich selbst immer anders. Ich betreibe keinen Sport, ich gehe sehr viel. Ich habe auch viel zu tun, das zehrt ein bisschen an mir.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Ihrer Rolle Gitti?

Wenn es Gemeinsamkeiten gibt, dann ist das die kämpferische Natur. Da würde ich mich mit ihr auf einer Ebene sehen. Aber Gitti ist anfänglich ein bisschen verbohrt, was man im Laufe des Films auch gut verstehen kann. Sie ist verletzt durch ihren Mann und ihren Sohn, die eine Doppelhochzeit planen, und auch von ihren Freundinnen, die den gemeinsamen Plan über den Haufen werfen und sie ein bisschen alleine lassen. Aber sie lernt sehr schnell. Das gefällt mir an ihr und sie gibt nicht auf.

Gitti will nicht Oma genannt werden, wie sähe das bei Ihnen aus?

Ich würde auch nicht gerne Oma genannt werden. Das ist natürlich für ein ganz kleines Kind schwierig, Großmama zu sagen. Aber mein Vater war Halbgrieche und mein Sohn und die Kinder meiner Freunde haben ihn Papous genannt, das ist die griechische Kurzform von Großvater. Und ich würde mich gerne Giagiá nennen, das ist die griechische Kurzform von Großmutter. Das ist doch ganz einfach und so positiv.

Ihre Rolle Gitti sagt, dass Beziehungen zwischen Mann und Frau überschätzt werden – was sagen Sie als Adele Neuhauser dazu?

Ich hätte das nicht so ausgedrückt, aber ich kann Gitti verstehen. Ich würde auch nicht sagen, dass man auf Biegen und Brechen mit einem Partner leben muss, sonst ist das Leben sinnlos. Aber ich hätte das jetzt nicht so gesagt. Das ist eine rührende Taktlosigkeit von ihr aus ihrer Verletztheit heraus. Das ist schön geschrieben von Dominique Lorenz, ich mag das Buch sehr gerne.

Sie haben in ihrem Leben viele Schattenseiten gehabt bisher. Aber inwiefern haben Sie sich mal "verraten, verlassen, vergessen" gefühlt, so wie es bei Gitti der Fall war?

Jeder Mensch fühlt sich mal von der Welt verlassen. So ging es mir auch eine Zeit lang, aber wenn man ganz genau hinschaut, ist es eher so, dass man sich selbst verlassen hat. Ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt, um zu spüren, was kann ich von anderen verlangen, was ich nicht selbst leben kann. Das ist sehr schwierig.

Gitti ging aufgrund einer Aussage einer Astrologin ins Survival Camp – eine wichtige Entscheidung, immerhin hat sich dadurch einiges in ihrem Leben geändert. Wie treffen Sie wichtige Entscheidungen?

Wenn sie ganz elementar wichtig sind, wie zum Beispiel die Entscheidung, soll ich mich von meinem Mann trennen. Da habe ich mich hingesetzt und habe eine Pro-und-Contra-Liste gemacht, um mich nicht in Nebensächlichkeiten zu verirren, sondern um wirklich ganz genau abzuklopfen wo ich stehe. Das hat mir sehr geholfen.

Was halten Sie persönlich von Horoskopen?

Das ist so der Klassiker. Man nimmt immer das, was man nehmen möchte und sieht nur da Parallelen, wo sie einem genehm sind. Ich bin keine entschiedene Astrologieverfechterin. Wobei ich eine Freundin habe, die das studiert hat, das ist dann schon ein bisschen seriöser. Ich würde diese ganzen Tageshoroskope nicht so ernst nehmen. Aber ich denke, dass das Sternzeichen schon einen Sinn macht. Die Jahreszeiten, die Mondphasen, das hat schon Einfluss auf unser Leben. Ich bin Steinbock, Skorpion Aszendent. Und wenn man sich ein bisschen auskennt, dann weiß man, dass ich sehr mit mir selber zu kämpfen habe, nicht mehr so wie früher, aber das sind heftige Sternzeichen.

Wie wichtig ist ihnen die Abwechslung zwischen ernsten Filmen und Komödien?

Das ist mir total wichtig, weil ich finde, durch Komödien erfahren wir sehr viel von uns selbst und lernen viel über uns. Die Komödie ist eine wunderschöne Form, um sich näher zu kommen.

Sie haben ihre Eltern und ihren Bruder fast gleichzeitig verloren. Wie geht es Ihnen heute? Was hat Ihnen geholfen, diese Zeit durchzustehen?

Mir geht es heute besser als in der Phase, in der das alles auf mich einprasselte. Mir hat das Schreiben meiner Autobiografie "Ich war mein größter Feind" sehr geholfen, die im September erschienen ist. Und natürlich die Arbeit mit den Kollegen: Mit Harry Krassnitzer bei den Dreharbeiten für den "Tatort", der stand mir sehr bei als ich die Stammzellenspende für meinen Bruder gemacht habe. Er hat mich sehr gestützt und ist ein wirklicher Freund. Natürlich auch die Aufgehobenheit in der Arbeit und mit den Kollegen generell, die um meine Situation wussten. Ende 2016 nachdem alle drei gestorben waren, habe ich die österreichische Serie "Vier Frauen und ein Todesfall" gedreht. Da hat mir diese Figur der Julie Zirbner, die ich da gespielt habe, eine kompromisslose verwitwete Großbäuerin, die dilettantisch ermittelt, hat meiner Seele sehr gut getan.

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Aber man muss auch die stillen Momente nehmen. Arbeit ist auch Ablenkung. Man muss die Trauer auch aushalten und den Tränen freien Lauf lassen und sich Zeit nehmen, über die Menschen, die gegangen sind, nachzudenken und noch mal zu reflektieren, was sie für dich in deinem Leben waren, was der Verlust ist und wie man diese Lücke für sich wieder füllen kann. Das ist ein stiller Prozess, den sollte man auch leben.

Haben Sie erst danach mit dem Buch begonnen?

Das war ein bisschen tragisch: Ich habe 2015 die Zusage für das Buch gegeben, kurz danach ist mein Vater gestorben. Ich war im Prozess des Schreibens mit all diesen Schicksalsschlägen konfrontiert. Das war eine sehr heilsame, wunderbare, aber auch sehr schmerzliche Arbeit. Vor allem ist es dann wirklich weg, es liegt da. Viele Schmerzen sind dann auch in gewisser Weise erledigt. Aber die Trauer bleibt.

Haben Sie es mal bereut, dass sie offen über ihre Suizidversuche sprechen?

Ich habe nie bereut, darüber zu sprechen. Das hat mir für mich selbst leidgetan, dass ich so lange damit zu kämpfen hatte. Deshalb mache ich das öffentlich, weil ich Menschen in so einer Situation sagen möchte, dass es mehr Mut erfordert, andere zu bitten und Hilfe zu fordern, als Hand an sich zu legen. Hätte ich es damals viel deutlicher gesagt, dass ich Hilfe brauche, dass ich in einer ausweglosen Situation bin, wäre ich wahrscheinlich wesentlich schneller aus der Depression gekommen.

Ich denke wir sind sichtbar. Da kann man diese Sichtbarkeit auch für solche Dinge nutzen.

Sie werden nächstes Jahr 60. Was bedeutet Ihnen das Alter oder ist es für Sie nur eine Zahl?

Eine Sechs davor zu bekommen, das ist jetzt schon was besonderes. Aber ich bewege mich immer positiver auf diesen Sechziger zu. Ich freue mich langsam darauf, kann es ja auch nicht aufhalten. Ich habe das Älterwerden eigentlich als eine positive Phase empfunden, warum sollte der Sechziger jetzt anders sein. Aber die Endlichkeit wird nun halt sichtbarer.

Vielen Dank für das nette Gespräch Frau Neuhauser.

Die Liebeskomödie "Venus im vierten Haus" sehen Sie am Sonntag, 25. März 2018, um 20.15 Uhr im ZDF.

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