In "Es lebe der Tod" findet der Kommissar seinen Meister Felix Murot am Ende? Hessen-"Tatort" fesselt mit unheilvollem Schluss
Vermeintlich sanfte Todesfälle, ein wahnsinniger Mörder und ein depressiver Kommissar, der kurz davor ist, die Kontrolle zu verlieren. "Es lebe der Tod" - der sechste "Tatort" mit dem hessischen Kriminalhauptkommissar Felix Murot (Ulrich Tukur) hebelte erneut die üblichen "Tatort"-Gesetze aus und verhalf der ARD zu einem denkwürdigen Krimiabend.
In dieser Episode kam der Zuschauer dem Menschen Felix Murot erstmals sehr nahe. Man erfuhr, dass Murots Vater sich am 12. Geburtstag seines Sohnes erhängt hat. Grund dafür: Depressionen. Das hat schon der kleine Felix gewusst, es jedoch verdrängt. Als Erwachsener erkennt Murot jedoch, dass er den Hang zur großen Traurigkeit von seinem Vater geerbt hat. Nur ein kniffeliger Kriminalfall vermag ihn so abzulenken, dass ihm sein Leben nicht egal ist. Aber jedes Mal danach: der tiefe Absturz in das dunkle Loch der Melancholie. Einsamkeit. Trauer. Selbstmordgedanken.
Der allwissende Mörder
Es gibt einen Menschen, der das alles weiß. Er will Murot helfen, zu sterben. Arthur Steinmetz (Jens Harzer) geht zwar einen Umweg über sechs andere Tote, die er, nach eigener Aussage "würdevoll und sanft" hinübergleiten ließ – sein eigentliches Ziel ist jedoch sein Idol Murot. Das stetige Buhlen des schwer kranken Mörders um das Einverständnis Murots, ihn friedlich in den Tod schicken zu dürfen, ist der Kern des Krimis. Steinmetz umschmeichelt Murot, er bezirzt ihn, er ist unnachgiebig, sanft, gnadenlos wahrhaftig, und gleichzeitig ein kaltblütiger Erpresser.
Dialoge als Kammerspiel
Regisseur Sebastian Marka und Drehbuchautor Erol Yesilkaya reduzierten die Handlung dieser Episode nahezu auf die Gespräche zwischen Kommissar und Täter. Sie fanden als eine Art Kammerspiel in aller Stille statt, ausgerechnet in der Kapelle eines Gefängnisses, später in einem Krankenzimmer. Gedimmtes Licht, flackernde Kerzen und ein über alles strahlendes Kreuz. Hat Murot seinen Erlöser gefunden?
Starke Performance: Tukurs Co-Partner Jens Harzer
Grandioser Auftritt von Jens Harzer: Der Schauspieler ("Same Same But Different, "Requiem") sprach seine Sätze nicht kompliziert, sondern einfach und klar. Fordernd. Aber wie er sie sagte, mit dieser ganz eigenen Modulation und Stimmfarbe, einlullend und voller Überzeugung, war von ungeheurer Wucht und Spannung. Man wollte hinter das Rätsel kommen, das diesen Mann umtrieb. Weder der Kommissar, noch der Zuschauer konnte sich diesem Geschmeichel entziehen.
Mithilfe einiger Zeitsprünge wurden die Umstände erklärt, warum Murot und Steinmetz sich schon lange kennen. Dann kehrte man wieder zur aktuellen Dialogsituationen zurück. Es gab weder laute Schießereien, noch wilde Verfolgungsjagden oder harte Actionsszenen. Ein beinahe konstant gespielter Soundtrack verhalf zu Struktur. Auch die Filmmontage und der Schnitt passten sich an.
Unheilvoller Schluss
Die ruhige Inszenierung kulminierte in einem ruhigen Schluss. Und der wirkte hochgradig verstörend. Murot willigte schließlich ein, durch Begleitung von Steinmetz in den Tod zu gehen. Er wollte so ein anderes Mädchen - die Tochter seiner Assistentin Wächter - aus den Händen des Gangsters befreien. Am Ende lag er in einer mit seinem eigenen Blut gefüllten Badewanne und verlor das Bewusstsein.
In seinen Träumen sah er zunächst die sonnenüberflutete Wiese seiner Kindertage, auf der sein verstorbenen Vater lachend davonging. Ist er in seinem Paradies angekommen? Und sein anschließender Besuch in einem Kaffee, in dem Magda Wächter angeregt mit ihrer geretteten Tochter plauderte - war das Traum oder Wirklichkeit? Während der Zuschauer noch mit klopfendem Herzen darüber nachdachte, ob dieses vielleicht Murots letzter "Tatort" war, erschien das bekannte, weiße Fadenkreuz auf blauem Grund. Abspann. Großes Kino.