"Beckmanns Sportschule" Das Spukschloss von Malente
Ist die ARD von allen guten Geistern verlassen? Oder hat sie einen genialen Coup gelandet, den nur keiner versteht? Die Fußball-Talkshow "Beckmanns Sportschule" wird gerade als Deutschlands schlechteste Fernsehsendung gehandelt. Dabei wollte Moderator und Herbergsvater Reinhold Beckmann doch nur den Geist von Malente* neu beleben.
Doch was da an den späten Abenden, wenn die ARD die Spiele der EM 2016 überträgt, als eine Art "Spukschloss von Malente" über die Bildschirme flimmert, geht vielen eher auf den Geist, als das es selbigen belebt. In den sozialen Netzwerken wird gelästert. In den Medien hagelt es vernichtende Kritiken.
Fußball und Feuilleton
"Grusel-Talk zur Geisterstunde" titelt "Der Westen". Die "Süddeutsche" nennt die Sendung einen "Fiebertraum". Und "Spiegel Online" fragt: "Wie viele Idiotien soll diese Welt noch aushalten?"
Schaut man sich "Beckmanns Sportschule" an, wird schnell klar, woran das Projekt krankt. Die ARD versucht Fußball und Feuilleton zu verbinden. Gepaart mit abgestandenem Altherrenwitz und bizarren Sketchen, die gerne die anarchische Surrealität Monty Pythons hätten, aber an Peinlichkeit nicht zu unterbieten sind.
Wiese beerdigt Wiese
In denen spielt Ex-Werder-Bremen-Torwart Tim Wiese, längst eine Karikatur seiner selbst, einen - ja, Sie lesen richtig - Torsteher. Der ehemalige Profi-Kicker Nico "Patsche" Patschinski (spielte unter anderem bei Union Berlin und St. Pauli) ist wie im wahren Leben ein Bestatter.
In ihren Filmchen begeben sich die beiden Laiendarsteller beispielsweise mit Sarg, Heringsfilet und altem Wiese-Werder-Trikot in den Wald, um den alten, dünnen Wiese zu beerdigen. Hering wegen dünn - also dünner Hering - sie verstehen den Witz doch. Oder?
ARD reagiert auf hämische Kommentare
Dann darf Wiese in seinem "Lambo" zum Malenter Metzger fahren und Schinken kaufen, um das Thema Ernährung bei Fußballern einzuleiten. Doch die Beckmannschen Talkrunden kommen genauso wenig in Fahrt wie Wieses Lamborghini in der 30er Zone von Malente. Oberflächlich plaudert der Gastgeber über jedes banale Thema hinweg. Dass seine Gäste, ehemalige Fußballer und Trainer, für gewöhnlich nicht die größten Redner sind, macht das Geschwafel über Falsche Neuner, die Farbe von Fußballschuhen oder die Essensfrage "Nudeln oder Pasta - was ist besser" auch nicht geschmeidiger.
Die Kritik und Häme, die "Beckmanns Sportschule" dafür einstecken muss, ist natürlich auch den Machern der Show nicht entgangen. "Shitstorm ab für die Sendung, die einfach ein Desaster bleibt", heißt es zu Beginn der Talkshow vom 20. Juni. Wiese und Patsche unterbrechen ihren Sketch immer wieder um den Satz "Unsere Dialoge sind zu hölzern" in die Kamera zu sprechen. Am Ende trägt eine Schauspielerin die hämischsten Tweets zu Klaviermusik vor: "Vor 'Beckmanns Sportschule' habe ich ein bisschen Angst."
Miese Kritik, starke Quoten
An eine Absetzung der Show ist nicht zu denken. Dafür sind bei aller Meckerei die Einschaltquoten zu gut. Um die zwei Millionen Zuschauer (knapp 20 Prozent Marktanteil) hat das krude Format am späten Abend. Das ist ein super Wert.
Und so wird der Spuk vom Malente noch ein paar Mal über die Mattscheiben flimmern. Wann genau, ist noch nicht klar, weil noch nicht feststeht, welche Achtel-, Viertel- und Halbfinalspiele die ARD überträgt. Vielleicht schafft Reinhold Beckmann es ja noch, das Profil der Sendung etwas genauer auszuarbeiten - damit der bislang ratlose Zuschauer endlich einordnen kann, ob er nun Zeuge der schlechtesten Show des deutschen Fernsehens wurde; oder Zeuge einer wegweisenden Avantgarde.
Bis dahin gilt: Sich entweder wacker 45 Minuten Abseitiges anzuschauen. Oder aber abzuschalten und es wie Uwe Seeler machen, den Beckmann als Hausmeister für seine "Sportschule" verpflichtete und der zum Abschied leise "Reinhold, gute Nacht" sagt.
* Die Sportschule Malente in Schleswig-Holstein war vor den Fußballweltmeisterschaften 1970, 1974, 1978, 1986, 1990 und 1994 das Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft. Zweimal gewann Deutschland in diesen Jahren die WM (1974 und 1990). Zweimal wurde man Vizeweltmeister (1982 und 1986). Der Begriff "Geist von Malente" soll den damaligen Spielern zufolge in der Nacht nach der Niederlage gegen die DDR bei der WM'74 entstanden sein, als sich die Mannschaft unter der Führung von Franz Beckenbauer zusammenraufte. Andere Quellen behaupten, der Begriff entstand erst während der Vorbereitungen zu den Turnieren 1986 und 1990. Nach einer Sanierung wurde die Sportschule Malente 2013 als "Uwe Seeler Fußball Park" wiedereröffnet.