"Was verdienst du?" RTL-Doku-Reihe sorgt für Streit ums Gehalt
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Die Idee hinter dem Format soll laut RTL sein, durch die offene Gehaltsdebatte und Transparenz mehr Fairness für die Mitarbeiter zu erreichen. "Denn nur wer fair bezahlt wird, kann auch motiviert arbeiten und gute Ergebnisse erzielen" heißt es dazu bei dem Sender. "Mitarbeiter und Chefs teilen sich öffentlich die Höhe ihrer Gehälter mit. Für manche ist das Ergebnis ein Schock, bei manchen siegt die Verwunderung, und manche stellen fest, dass sie im Vergleich zu ihren Kollegen ziemlich gut entlohnt werden. Mit diesem Wissen sind die Mitarbeiter nun im Stande, objektiv bestehende oder subjektiv empfundene Missstände abzuschaffen."
Gehaltsvergleich sorgt für Diskussionen
Mit der Motivation ist es allerdings schnell vorbei, als die beiden Kundendienstler feststellen, dass die Finanzbuchhalterin mehr verdient als sie. Oder als die Verkäuferin merkt, dass ein männlicher Kollege im Monat rund 1.000 Euro brutto mehr in der Tasche hat als sie, obwohl er denselben Job macht. Ganz übel erwischt es zudem einen Filialleiter, der erkennen muss, dass seine Kollegen im Jahr rund 15.000 Euro mehr verdienen als er.
Geschäftsführer Bönnen - Monatsgehalt: 10.000 Euro brutto - wollte mit dem RTL-Experiment "schlechte Gedanken aus den Köpfen unserer Mitarbeiter rausbekommen" - das Gegenteil hat er mit der Offenlegung der Gehälter zunächst erreicht. Beschwerden über Ungleichbehandlung, Ungerechtigkeit, nicht anerkannte Leistungen und ähnliches werden von der RTL-Kamera dankbar eingefangen.
Herzschmerz statt echte Debatte
Eine echte Debatte und Auseinandersetzung mit den offen zutage tretenden Problemen wie der Ungleichbezahlung von Männern und Frauen oder die Beantwortung der Fragen, was eigentlich ein fairer und gerechter Lohn ist, was Arbeit wert ist oder wie und nach welchen Kriterien sich "Verdienst" definiert, kommt dagegen nicht auf. "Letztlich verdient in Deutschland jeder so viel, wie der Chef es zulässt und jeder sich verkauft", sagt der Chef. Punkt.
Beiläufig angerissen wird, dass die Verkäuferin weniger verdient, weil sie im Gegensatz zu ihrem Kollegen, der Verkäufer gelernt hat, eine Quereinsteigerin ist, oder dass der Filialleiter sich einfach "schlecht verkauft" habe. Selber schuld also? Fragen wirft "Was verdienst du?" genug auf - beantwortet werden sie von RTL aber nicht.
Stattdessen wirft der Sender lieber seine üblichen Nebelkerzen in Form von Herzschmerz-Stories. In diesem Fall steht der schlecht bezahlte Filialleiter im Mittelpunkt, der seine Schicksalsgeschichte erzählen darf. Die Kurzfassung: Krebstod der Frau, eigene Krebserkrankung, Genesung und Freude, überhaupt wieder einen Job zu haben.
Der Geschäftsführer sammelt derweil lieber Zettel mit den Gehaltswünschen seiner Mitarbeiter ein und wundert sich dann über deren Forderungen, die er natürlich erfüllen könnte - "aber dann können wir uns alle in einem Jahr einen neuen Job suchen." Seine Mitarbeiter sollten lieber auf die Suche nach Einsparpotenzial gehen - außer einer kleinen Idee zum Stromsparen kommt aber nicht viel dabei heraus.
Häppchen vom Chef
Auch am Ende bleibt RTL seinem Doku-Drehbuch treu: Der Geschäftsführer versammelt die Mitarbeiter, verteilt Blumensträuße und - im doppelten Sinn - Häppchen: Ein fester Vertrag für den Lagerleiter, eine Gehaltserhöhung und ein Wochenende auf Firmenkosten für den Filialleiter, eine Weiterbildung für die quereingestiegene Verkäuferin, sowie eine einmalige Prämie und eine entlastende Teilzeitkraft für die Kundendienstler. Zumindest letzteren war anzusehen, dass sie sich offensichtlich mehr erhofft hatten. Wie die Mitarbeiter mit ihrem neu erworbenen Wissen um das Gehalt der anderen langfristig umgehen, bleibt unklar.
Drei weitere Folgen von "Was verdienst du?" - montags, 21.15 Uhr, RTL.