"Fernsehen, das niemanden interessiert" Regisseure und Autoren attackieren ARD und ZDF
Autoren und Regisseure gehen mit ARD und ZDF hart ins Gericht. "Ambitionslos" zu sein, werfen sie den Programmmachern vor – und machen einen ungewöhnlichen Vorschlag.
An Skandalen fehlt es dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht. Die Debatten um die Gehälter der Spitze beim RBB und die immer wieder aufkommende Kritik an den Gebühren für die Sender sind nur ein Teil der Diskussionen. Jetzt hagelt es auch Vorwürfe, was die Inhalte angeht. In einem Manifest haben der Bundesverband Regie und der Deutsche Drehbuchverband kein gutes Haar an der Arbeit von ARD und ZDF gelassen. Es soll an diesem Freitag öffentlich vorgestellt werden.
"Das Durchschnittsalter (der Zuschauer, d. Red.) liegt bei 62 Jahren, die Konkurrenz der Streamer ist erdrückend", schreiben die beiden Verbände in einem gemeinsamen Manifest mit dem Titel "Die Zukunft des fiktionalen Fernsehens". Was die Sender dem Publikum präsentierten, wirke "uniform und ambitionslos", heißt es in dem Dokument, das t-online vorliegt.
- Kommentar zu ARD und ZDF: Ein Dauerausfall
"Wagenburg-Verhalten" der Sender
Die Bedürfnisse und Reformansätze der Kreativen würden kategorisch ausgeschlossen, die Programme reduziert, eine finanzielle Teilhabe an Online-Distributionswegen finde nicht statt. Mittlerweile sei die Institution des ÖRR "wichtiger und sakrosankter" als ihr eigentlicher Daseinszweck – das Produzieren und Veröffentlichen von Programm. Die Autoren sprechen von einem "Wagenburg-Verhalten", das den undemokratischen politischen Kräften in die Hände spiele.
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Die Regisseure und Autoren fordern ein Umdenken. "Wir brauchen mehr Genrevielfalt, mehr markante, gut finanzierte Serien und Filme. Auch und gerade bei einer Umstrukturierung Richtung Mediatheken" schreiben sie. Das Mediathekenprogramm solle sichtbarer werden. Das deutsche Fernsehen sei stromlinienförmig, die Pluralität werde dem planbaren Erfolg geopfert. Das gebe aber den Gegnern des Systems Argumente in die Hand.
Eine Lösung schlagen die Künstler ebenfalls vor: "Statt 100 Filme pro Jahr von einer einzigen ausgelagerten Redaktion verantworten zu lassen, fordern wir, die Programmplätze und Budgets zurück in die Landesrundfunkanstalten zu geben". Besonders kritisiert wird damit die Degeto – eine privatwirtschaftliche Tochterfirma der ARD, die für die Sender Produktionen durchführt.
Und auch die Redaktionen bekommen ihr Fett weg. Sie wollten Ärger mehr als schlechte Quoten vermeiden, Entscheidungen dauerten zu lange und es fehle an Mut. "Das Ergebnis ist Fernsehen, das den kleinsten gemeinsamen Nenner bedient und darum auch niemanden interessiert". Man solle sich stattdessen an der Filmförderung orientieren, die klare Vorgaben mache, welche Papiere benötigt werden und wie die Prozesse ablaufen.
Und: Die Kreativen fordern einen quotenfreien Abend. Es soll ein Tag sein, der den Kreativen, der dem anspruchsvollen Fernsehen gehört und vor allem keinerlei Quotendruck unterliegt. Er ist im Stoff und in der Gestaltung frei in bester öffentlich-rechtlicher Tradition. Sie würden mit dem Manifest einen Anstoß geben wollen und seien bereit für einen intensiven Dialog mit Sendern und Produktionsfirmen, heißt es in dem Manifest.
CDU fordert schon länger Reformen
Kritik an der Arbeitsweise der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommt auch aus der Politik. Nach dem Gehälter-Skandal beim RBB forderte CDU-Chef Friedrich Merz: "Der ÖRR soll informieren. Auf diesen Auftrag müssen sich die Anstalten wieder konzentrieren. Es gibt Sendungen, für die allein sich der monatliche Pflichtbeitrag gelohnt hat, Dokumentationen und auch Serien, die man im privaten Rundfunk und Fernsehen nicht findet. Gerade das ist die Stärke des ÖRR in Deutschland".
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte im August ebenfalls Reformen bei ARD und ZDF gefordert. Seine Forderung: Erst müssen die Öffentlich-Rechtlichen Reformpläne auf den Tisch legen, sonst wolle er einer Gebührenerhöhung nicht zustimmen.
Intendanten wollen "Ressourcen freimachen"
Der ehemalige ARD-Chef Tom Buhrow hatte bei seinem Ausscheiden Ende 2022 das "Jahr der Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" ausgerufen. Nach einer Intendantenkonferenz im Juni schickte Buhrows Nachfolger Kai Gniffke eine Mitteilung an die Presse und verkündete einen "Paradigmenwechsel". Man wolle ein "Kompetenzcenter" schaffen, um bei verschiedenen Themenfeldern "die Ressourcen zu fokussieren", hieß es. Zu diesen gehörten Klima, Verbraucher, Gesundheit und Hörspiel. Außerdem wolle man eine "digitale Erneuerung". Ziel hier sei es, "im Sinne der Generationengerechtigkeit vor allem jüngere Menschen, die lineare Verbreitungswege wenig oder gar nicht nutzen, mit den vielfältigen Inhalten der ARD zu erreichen".
Am Donnerstag gaben die Intendanten nach einem Treffen dann neue Absichtserklärungen ab. Im Hörfunk der ARD und in den Dritten Programmen sollen "durch gemeinsame Programmstrecken und Formate ab 2024 Ressourcen freigemacht werden", hieß in einer Pressemitteilung. Diese Mittel werden für die Entwicklung und den Ausbau von digital nutzbaren Angeboten für vor allem jüngere Zielgruppen und zur Stärkung des regionalen Profils von ARD Mediathek und ARD Audiothek benötigt. In den Dritten sollen gemeinsame Reise- und Kulinarikformate entwickelt und die schon bestehenden Kooperationen bei Verbraucher- und Gesundheitssendungen sowie bei Dokumentationen intensiviert werden.
- regieverband.de: "MANIFEST VON DREHBUCH UND REGIE"
- cdu.de: "Forderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk"
- dwdl.de: "Buhrow ruft Jahr der Reform bei Öffentlich-Rechtlichen aus"
- bild.de: "Keinen weiteren Cent mehr für ARD und ZDF!"
- ard.de: "ARD-Reform auf Kurs: Digital, regional und mehr gemeinsam"