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ARD und ZDF in Gefahr: Schaffen sich die Öffentlich Rechtlichen selbst ab?


Meinung
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ARD und ZDF in der Dauerkrise
Ein Totalausfall

  • Steven Sowa
MeinungVon Steven Sowa

Aktualisiert am 01.07.2023Lesedauer: 5 Min.
ARD und ZDF: Die Fernsehsender müssen sich neu erfinden.Vergrößern des Bildes
ARD und ZDF: Die Fernsehsender müssen sich neu erfinden. (Quelle: imago/Hermann J. Knippertz/Montage: U. Frey/t-online)
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Die Kritik an ARD und ZDF reißt nicht ab. Zu Recht. Wenn sich nicht endlich grundlegend etwas ändert, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Gefahr.

Erinnern Sie sich noch an Patricia Schlesinger? An Schlagwörter wie "Gebührenverschwendung"? Daran, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Krise steckte, um seine Glaubwürdigkeit bangen musste und ein massives Imageproblem hatte? Vermutlich schon, denn die Medien waren vor genau einem Jahr voll damit.

Vergangenes Jahr, fragen Sie sich jetzt? Das ist schon so lange her? Fühlt sich an, als sei es gestern gewesen.

Ein bisschen stimmt dieses Gefühl. Denn so richtig heraus aus der Krise sind ARD und ZDF nicht. Immer und immer wieder kommen Vorwürfe auf. Mittlerweile wirkt es wie ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dem beitragsfinanzierten Fernsehen in Deutschland zu unterstellen, dass da etwas gehörig falsch läuft. Ein diffuses, ein gefährliches Gefühl. Es zeigt, wie sehr die Sender um ihre Legitimität kämpfen müssen. Die Gründe sind vielfältig – und der Gesamteindruck ist vor allem eines: alarmierend.

Die Probleme sind hausgemacht

Selbst vehemente Verteidiger des deutschen Rundfunksystems sind in den vergangenen Jahren mehr und mehr ins Grübeln geraten. Viele vermeintlich kleine Dinge summieren sich zu einem großen Ganzen, das seinem Anspruch nicht mehr gerecht wird, nicht mehr adäquat wirkt. ARD, ZDF und alle TV-Sender, die dazugehören, haben sich das selbst zuzuschreiben. Die Probleme sind hausgemacht. Es ist ein Trauerspiel.

Mal müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen für ihr Personal entschuldigen, für Verstöße gegen die Compliance-Regeln, so wie bei dem Medienskandal des RBB, der bis heute andauert – selbst die Nachfolgeregelung für Schlesinger endete jüngst unrühmlich. Hinzu kommen die alljährlichen Klassiker der Kritik. In steter Regelmäßigkeit, immer pünktlich zur nächsten Beitragsperiode, wird der ÖRR mit Finanzierungsfragen konfrontiert. Sind 18,36 Euro monatlich berechtigt? Brauchen die Sender wirklich 8,4 Milliarden Euro jährlich, um diese Art von Programm zu machen?

Es sind lästige Fragen aus Sicht der Verantwortlichen. Aber selbst Ex-Intendant Tom Buhrow, damals noch ARD-Chef, sagte Ende 2022: "Mein fester Eindruck ist: Deutschland scheint uns in zehn Jahren nicht mehr in dem Umfang zu wollen – und auch finanzieren zu wollen wie heute." Selbstverständlich sind Rufe nach Sparmaßnahmen bei den Öffentlich-Rechtlichen so alt wie die Mehrheit der Zuschauer, die ARD und ZDF tagtäglich einschaltet. Doch trügt der Eindruck oder finden Forderungen, der ÖRR müsse mit weniger Geld auskommen, immer mehr Anklang in der Breite der Bevölkerung?

t-online-Chefredakteur Florian Harms verfasste am 2. Juni einen Text über die Krimi-Schwemme bei den Öffentlich-Rechtlichen, erwähnte "finanzielle Spielräume", die durch weniger Unterhaltung und mehr Information frei würden. Als er urteilte, die Sender müssten ihre "Programmgestaltung grundlegend überdenken" – ja, da lief unser E-Mail-Postfach voll. Selten zuvor hat es so viele Zuschriften gegeben. Der Tenor war durchweg positiv – für die kritische Haltung gegenüber ARD und ZDF. Die verbindende Botschaft: Endlich sagt es mal einer! Dieses Programm sei sein Geld nicht wert. Alles nicht mehr zeitgemäß. Und so weiter.

Auch der Union ist diese gesellschaftliche Stimmung aufgefallen, und sie versucht sie zu nutzen. So haben CDU und CSU in dieser Woche einen gemeinsamen Reformplan für ARD und ZDF vorgestellt. Das Ziel müsse ein stabiler Rundfunkbeitrag über die aktuelle Beitragsperiode hinaus sein, so der Beschluss vom Dienstag. Der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der Grundversorgung mit Information, Bildung, Beratung und Kultur könne auch mit "weniger linearen Fernseh-Programmen (...) gewährleistet werden".

Der Aufstand der Wagner-Söldner hat den ÖRR entlarvt

Der Zeitpunkt für Friedrich Merz und die Oppositionsparteien hätte nicht besser kommen können. Es ist zwar noch kein Wahlkampf, aber mit Parolen gegen den beitragsfinanzierten Rundfunk macht man sich immer beliebt – und das hat die Union angesichts steigender Umfragewerte für die AfD bitter nötig. Doch aus einem anderen Grund ist das Timing wirklich perfekt. Denn die Christdemokraten treffen einen Nerv – und zwar einen, den die Sender selbst offengelegt haben.

Seit der Schlesinger-Affäre standen ARD und ZDF nicht mehr derart unter Beschuss wie jetzt. Am vergangenen Wochenende hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen selbst ein Armutszeugnis in Sachen Grundversorgung ausgestellt: Als es in Russland zur Meuterei kam, Putins Macht zu erodieren drohte, da liefen Dinos durchs Programm der Sender, da durften Zuschauer "Giraffe, Tiger und Co." bestaunen oder "Bibi Blocksberg" und die "Pfefferkörner". Der Aufstand der Wagner-Söldner entlarvte ARD, ZDF und seine Nachrichtenprogramme Phoenix und Tagesschau24 als behäbige Beamtenapparate.

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Auf Nachfrage bekamen Medien wie t-online von den Senderverantwortlichen allerdings zu hören, dass dort alles glattgelaufen sei. Von Selbstkritik keine Spur. ARD und ZDF betonten die "undurchsichtige Nachrichtenlage" und merkten dabei offenbar selbst nicht, dass der Widerspruch aus einer schwierigen Nachrichtenlage und einem nicht vorhandenen Nachrichtenangebot sie wie eine bräsige, aus der Zeit gefallene Institution wirken ließ.

Die Sender tun so, als würden die anderen Mist bauen

Wenn die Welt kompliziert wird, Entwicklungen schnell voranschreiten, flüchten sich ARD und ZDF in Ausreden und betonen Binsenweisheiten des Journalismus. Dann heißt es, dass es "gesicherte und bestätigte Informationen" brauche, um zu berichten. So als habe das die BBC, das britische Pendant zu ARD und ZDF, nicht getan, als sie am Samstag kurzerhand ihr Programm umstellte und live Prigoschins Feldzug mit Hintergründen einordnete – oder die unzähligen anderen Digitalmedien und Privatsender, die Notfallpläne aktivierten und ihr Publikum angemessen auf dem Laufenden hielten.

In diesem Moment wirkten ARD und ZDF wie Großvater und Großmutter, ein altes Ehepaar, vertrauenswürdig, nett, vertraut, aber zum Entsetzen aller am Esstisch mit Einstellungen hausierend, die alle nur noch fassungslos den Kopf schütteln lassen. "Ja, ist okay, lass uns das Thema wechseln", murmelt man ihnen entgegen, lenkt ab, wendet sich anderem zu. Resignation tritt ein.

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Zapp: Plötzlich hat man den Fernsehsender gewechselt. Denn das Angebot ist anderswo besser. Diese nervigen Werbeunterbrechungen: geschenkt. Warum sollte jemand bei der nächsten Breaking-News-Situation auf ARD oder ZDF schalten? Aus masochistischen Gründen? Es ist ja längst nicht das erste Mal, dass die Sender in solchen Lagen versagen. Inzwischen ist es ein Ritual. Sei es der Brand von Notre-Dame, der Sturm auf das Kapitol in den USA oder jetzt der Wagner-Aufstand: Wenn es brenzlig wird, sind ARD und ZDF ein Totalausfall.

Für ARD und ZDF geht es um mehr als Geld

Es ist an der Zeit, dass sich das ändert. Es braucht einen unabhängigen, kritischen und starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dafür soll er auch ausreichend Geld bekommen. Aber wenn er selbst seinen Kernauftrag nicht erfüllt, braucht sich niemand zu wundern, dass das ganze System infrage gestellt wird – und dass seit der Krise beim RBB die Rufe lauter und lauter werden, es möge bei den Sendern endlich hart eingeschnitten werden.

Die millionenschweren Krimis in Dauerschleife stünden zur Disposition, und das wäre bei allem, was wir aktuell zu sehen bekommen, noch das geringste Problem. Denn für eine hintergründige, eine verständliche und vielfältige Berichterstattung braucht es die Öffentlich-Rechtlichen wirklich. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, kurz KEF, wird den Bundesländern Anfang 2024 einen Vorschlag vorlegen, wie hoch der Rundfunkbeitrag künftig ausfallen sollte – und dabei auch einen Bericht veröffentlichen, der in den vergangenen Jahren nie ohne Kritik an bestehenden Mustern daherkam.

Die Aufmerksamkeit für die Vorschläge und Anmerkungen wird diesmal besonders groß sein. Für ARD und ZDF geht es dann um mehr als nur Geld: Es geht um ihre Existenz und um die Frage, wer sie sein wollen und wie sie ihrem Anspruch in Zukunft gerecht werden können. Kurz: Es geht um alles.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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