Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Demagoge im Dschungel Darauf eine Kotzfrucht
Der Populismus frisst seine Kinder nicht – er endverwertet sie im Trash-TV. Jüngstes Beispiel: Brexit-Hardliner Nigel Farage. Seine Entzauberung hat etwas ungemein Tröstliches. Eine Polemik.
Es wird episch – so viel steht fest. Nigel Farage – Oberkante Unterlippe umspült von brackigem Wasser. Aale umschlängeln neugierig seine Knie. Eine Spinne krabbelt vorwitzig über seine Fontanelle in Richtung Augenbrauen, während er das Einzige tut, was er jemals hinbekommen hat: gelbe Sterne abmontieren, die eigentlich recht fest saßen, bevor er seine Finger nach ihnen ausstreckte.
Gönnen wir uns diesen kleinen Traum. Vertrauen wir auf den inneren Kompass der britischen Fernsehzuschauer. Hoffen wir, dass sie den Maulhelden möglichst oft dahin schicken, wohin Populisten wie er gehören: In ein trashmediales Fegefeuer, in dem ihre Spinnereien samt ihrer Chuzpe verglühen. Sich in das auflösen, was sie ohnehin immer waren: Rauchwolken. Dschungelprüfung als Katharsis. Darauf eine Kotzfrucht!
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Denn die gute Nachricht des Tages ist: Das Leben ist manchmal fair. Nigel Farage ist der diesjährige "Star" der britischen Ausgabe der Prominenten-Resterampe "I am a Celebrity – Get me out of here!" – bei uns als "Dschungelcamp" berühmt-berüchtigt. Der Mann, der seine politische Karriere darauf aufgebaut hat, das Vereinigte Königreich mit flotten Sprüchen, argumentativen Vereinfachungen und glatten Lügen aus der Europäischen Union zu schwafeln, ist ganz unten angekommen.
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Der Brexit – Farages einziger politischer "Erfolg" (das Wort will einem im Hals stecken bleiben wie eine dicke Raupe) – hat dem Königreich schwer geschadet: eine tief gespaltene Gesellschaft, weniger Exporte in die EU, massiver Fachkräftemangel, Wohlstandsverluste. Daran werden die Briten denken, wenn sie ab Sonntag täglich aussuchen dürfen, welcher X-Promi zur Dschungelprüfung antreten muss. Payback für den ehemaligen Investmentbanker. Wer Großbritannien mit muränigem Grinsen und überdimensionierten Testikeln in den Abgrund stürzt, dem steht ein Schweinehoden in einer ehemaligen britischen Strafkolonie gut zu Gesicht.
Es ist ein gerechtes Ende für einen der windigsten Populisten Europas. Eins, das Schadenfreude rechtfertigt. Wie alle, die so sind wie er, hat Farage immer nur auf eines abgezielt: Häme, Hetze, Abscheu, Abwehr, Ekel. Am Ende landet er nun dort, wo sein Aufstieg begann: bei den niedersten Instinkten. Zu politischen Geisterfahrern passt die letzte Ausfahrt Dschungelcamp. Wer seine Wähler hinter die Fichte geführt hat, der gehört in den australischen Regenwald. Die letzte Ecke der Prominenz. Wo die enden, deren Ruhm am Ende auf nichts beruht als auf heißer Luft.
Wie viele Spinner fielen einem noch ein, die sich ein Tête-à-Tête mit anderen Spinnen mehr als verdient hätten: Farages Landsmann, der Pinocchio-Premier Boris Johnson. Der sagenhaft unkomische italienische Politclown Beppe Grillo. Der niederländische Ausgrenzer Geert Wilders. Marine Le Pen aus Frankreich, natürlich. Oder der einem Aal aus Down Under nicht unähnliche frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis.
Andere haben ihren tiefen Fall in den Abgrund schon hinter sich. So wie Ronald Schill, der "Richter Gnadenlos" aus Hamburg, dessen politisches Kartenhaus bereits vor Jahren bis in die Tiefen des deutschen Trash-TVs zusammenplumpste und inzwischen nicht mal mehr dort von zweifelhaftem Interesse ist. Frauke Petry, Alexander Gauland, Diether Dehm – ach, wir geraten auch hierzulande ins Schwärmen, sorgen uns aber gleichzeitig um die australische Fauna. Man will ihr auch nicht alles antun. Oder doch?
Vielleicht brauchen wir bei manchen noch Geduld – so wie bei David Cameron. Der Ex-Premier hatte die Briten im Wahlkampf 2016 aus reinem Kalkül dazu eingeladen, über den Brexit abzustimmen. Dieses Vabanquespiel bereitete seinerzeit die Manege, in der Farage seine unseligen Taschenspielertricks aufführte, um mit den Bauchgefühlen der Briten zu spielen. Er ist gerade wieder ins Kabinett aufgerückt. Als Außenminister statt als Dschungelkönig – man kann es sich nicht besser ausdenken.
Am Ende liegt es nicht nur an den Fernsehzuschauern, wer in den Dschungel muss. Bevor die Anzugträger die Camouflage-Westen mit Telefonnummern überstreifen können, müssen wir kräftig an ihren Krawatten ziehen. Sie auf ihre steilen Thesen festnageln. Erklärungen fordern, wo sie sich winden (wie Aale, schon wieder). Konzepte verlangen, wo sie schnelle Lösungen anbieten und billige Bauernopfer präsentieren. Nur so entzaubern wir die kleinen Gernegroßen, die schmalen Breitsprecher, die luftleeren Windbeutel.
Erst dann können wir uns vielleicht an den Endboss wagen, den Paten des Populismus, den orangen Elefanten im Raum: Donald Trump, für den es zugegebenermaßen derzeit eher nach weiteren vier Jahren im Rosengarten des Weißen Hauses aussieht als nach einem zweiwöchigen Aufenthalt im australischen Dickicht. Er wird ein gefährlicher Gegner, nicht zuletzt deshalb, weil er bereits vor seinem Aufstieg mit allen Wassern des Trash-TV gewaschen war. Aber trotzdem: Donald im Dschungel – wie episch bitte wäre das?
- Eigene Recherchen