"Die Discounter"-Macher "Das fühlt sich heute noch falsch an“
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kleine Brüder mit großen Ambitionen: Die fünf Überflieger von "Die Discounter" legen eine neue Serie vor. t-online hat vorab mit ihnen gesprochen.
Sie sind fünf Freunde aus Hamburg-Eimsbüttel. Auf dem Schulhof lernten sie sich kennen, damals waren sie Fünftklässler. Heute sind Bruno Alexander, die Zwillinge Emil und Oskar Belton sowie Max Mattis und Leo Fischer Anfang 20 und besitzen eine eigene Produktionsfirma. Mit "Die Discounter" haben sie die deutsche Comedyszene aufgemischt.
Die Improvisationsserie läuft bei Amazon Prime Video, eine dritte Staffel ist in Arbeit. Stilistisch erinnert sie an Produktionen wie "jerks." oder "Stromberg", das Fremdschämlevel ist hoch, der Humor schwarz. Doch trifft man die fünf Macher persönlich ist davon wenig zu spüren.
"Hätten wir uns 2017 so nicht vorstellen können"
Am Rande der Premiere von "Intimate", ihrer neuen Serie, spricht t-online die jungen Männer im Berliner Zoopalast. Alle wirken aufgeregt, reden wild durcheinander. So ein großes Brimborium für eine Produktion, die sie zu verantworten haben, das ist immer noch neu für sie. Roter Teppich, Kamerateams, eines der größten Kinos der Hauptstadt für sie reserviert: Das fühle sich "surreal" an.
"Diesen Erfolg hätten wir uns 2017 so nicht vorstellen können", sagt Max Mattis über die ungewöhnliche Situation. Damals stellten sie ihre ersten Geschichten auf YouTube online. Schon damals nannten sie die daraus entstandene Webserie "Intimate" – jetzt ist die im Grunde gleiche Erzählung beim ProSieben-Streamingdienst Joyn zu sehen.
Es ist ihre eigene Geschichte: Fünf Freunde Anfang 20, die sich durchs Leben manövrieren, mal mehr, mal weniger erfolgreich. Das Fünferpack spielt sich selbst, auch in der Serie tragen sie die gleichen Namen: Emil und Oskar Belton, Bruno Alexander, Leo Fischer und Max Mattis. Alles stammt aus ihren Händen: Vom Drehbuch über Regie, Produktion und Schnitt verantwortet das junge Team alles komplett selbst.
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Eine entscheidende Rolle spielte bei dem Erfolg der Newcomer ein alter Hase des deutschen Schamgrenzen-Auslotens: Christian Ulmen. Der Erfinder und Macher von "jerks." hat die Jungs gefördert und wurde zu einer Art beruflichem Ziehvater. Oder ist das zu viel des Guten? "Nein, das stimmt schon. Ohne Christian Ulmen wäre 'Die Discounter' nicht möglich gewesen", gibt Bruno Alexander auf Rückfrage zu. Ulmen produzierte die Serie gemeinsam mit seinem Partner Carsten Kelber und der gemeinsamen Serienschmiede Pyjama Pictures.
"Da können wir uns selbst auf die Schulter klopfen"
"Vieles, was sich Christian Ulmen mit 'jerks.' erkämpft hat, ebnete uns den Weg. Er hat den Rasen ausgelegt, auf dem wir nun weiterlaufen konnten", beschreibt Max Mattis den Prozess, der auch für "Intimate" von Bedeutung war. Schließlich läuft die Serie nun auf dem gleichen Portal, auf dem "jerks." seit nunmehr sechs Jahren für Furore sorgt. Doch Ulmen hat einen Schlussstrich gezogen, will mit seinem seriellen Fremdschäm-Marathon nicht mehr weiter machen.
Ob wir diese Lücke füllen können, wird sich zeigen.
Bruno Alexander
Genau diese Lücke könnte "Intimate" nun füllen. Bruno Alexander sieht das als Chance: "Mit der letzten Staffel 'jerks.' geht eine Ära zu Ende – auch für uns. Wir finden das sehr schade. Aber vielleicht ist das eine Chance, schließlich liefern auch wir mit unseren Impro-Serien diese Form des Realismus, hart an der Schamgrenze. Ob wir diese Lücke füllen können, wird sich zeigen."
Beide Serien lassen sich nicht voneinander trennen. Über Ulmen und seine Produktionen sprechen die Fünf fast ehrfürchtig. "Natürlich haben uns Carsten Kelber und Christian Ulmen in manchen Punkten den Weg freigeboxt. Aber den Ball haben wir mit 'Discounter' selbst ins Rollen gebracht, da können wir uns selbst auf die Schulter klopfen", erklärt Max Mattis. Sie alle seien kleine Geschwister, mussten sich immer durchsetzen. Deshalb der Name der Produktionsfirma: "Kleine Brüder".
Womit eine der Auffälligkeiten ins Auge sticht: Wo sind eigentlich die Frauen bei den fünf Freunden? Emil Belton versucht es so zu erklären: "Wir waren einfach eine Jungsgruppe, haben uns auf dem Schulhof kennengelernt, wurden beste Freunde. Zwar hatten wir auch weibliche Freunde, aber keine, die auch unsere Leidenschaft geteilt haben." Dem Problem sei man sich bewusst, beteuern alle einhellig. "Bei Geschichten über Frauen oder Minderheiten holen wir uns Hilfe. Wir sind nun mal fünf privilegierte, weiße Männer", führt Emil weiter aus.
PR und Management übernimmt für die Serienmacher eine Frau, auch im Büro der Firma seien zwei weibliche Angestellte tätig. "Wir haben jetzt drei Frauen in unserem Team. Aber dabei soll es nicht bleiben: Wir wollen auch anderen Kreativen die Möglichkeit geben, sich bei uns zu verwirklichen", versichert Oskar Belton.
Das Frauenproblem und was "Kleine Brüder" noch gelernt hat
Doch auch unabhängig von größerem Fraueneinfluss in der Firma sei man über die Jahre deutlich professioneller geworden. "Früher hatten wir diese Sensibilität noch nicht. Die erste Version von 'Intimate' ist noch ganz anders. Wir haben alles davon auf YouTube gelöscht und aus unseren Fehlern gelernt", berichtet Bruno Alexander über die Anfänge. Der Kern der Erzählung sei gleich geblieben, nur die Art der Herangehensweise habe sich verändert: "Wir hatten jetzt auch eine Folge, in der geht es um nonbinäre Personen. Dafür hatten wir Coaches am Set und haben uns extern beraten lassen."
Wir platzieren ständig Bomben, vielleicht bei 'Intimate' so viele wie nie zuvor.
Oskar Belton
Dass sich manche Szenen dennoch unangenehm anfühlen und teilweise wie bewusst gesetzte Grenzüberschreitungen wirken, ist Teil des Konzepts. Dabei koste vor allem die Improvisation Nerven, so Bruno Alexander: "Auch wenn der 20. Drehtag ansteht, gilt immer noch die Devise, etwas Witziges erschaffen zu müssen. Das kann sehr kräftezehrend sein.“ Es gibt Momente, in denen sich die Macher bewusst gegenseitig überfordern, Dinge zur Aufführung bringen, die nicht im Drehbuch stehen, die einfach spontan aus der Laune heraus umgesetzt werden. Solche Aktionen nennen sie "Bomben".
"Wir platzieren ständig Bomben, vielleicht bei 'Intimate' so viele wie nie zuvor, weil wir hier alles selbst machen. Ständig kommt jemand in eine Szene und macht etwas Unvorhergesehenes – und überfordert damit vor allem seine Spielpartner extrem. Aber das macht den Reiz von Improvisation aus. Das ist einfach das Beste", so Oskar Belton mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es ist zu spüren, dass die Fünf sich mit der Arbeit an diesen Produktionen einen Lebenstraum erfüllt haben: Blödsinn machen, Streiche spielen – und damit auch noch Geld verdienen.
Ein Traum, der Wirklichkeit wurde, sich aber immer noch unwirklich anfühlt, in vielerlei Hinsicht. "Es ist immer noch komisch, die kreative Leitung zu haben und einem Mitarbeiter mit 30 Jahren mehr Berufserfahrung sagen zu müssen, was er jetzt zu tun hat", gewährt Emil Belton einen Blick hinter die Kulissen, um dann zuzugeben: "Das fühlt sich heute noch falsch an.“
Die neue Serie "Intimate" ist ab dem 24. März bei Joyn verfügbar.
- Interview mit den Machern