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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vom Talkmaster zur Schattengestalt 30 Jahre später: So sieht Hans Meiser heute aus
Vor drei Jahrzehnten fungierte Hans Meiser als angesehener Talkshow-Geburtshelfer. Im Hier und Jetzt glänzen nur noch die Erinnerungen.
Ziemlich genau vor 30 Jahren, als all die später folgenden Talkshowikonen wie Arabella Kiesbauer, Andreas Türck, Sonja Zietlow, Ricky und Co. noch keiner so richtig auf dem Schirm hatte, ging Hans Meiser mit Krawatte, schniekem Anzug und großen Schritten voran. Acht Jahre lang mimte der gelernte Journalist mit dem seriösen Anstrich den Anchorman der Nachrichtensendungen "7 vor 7" – später dann "RTL aktuell", ehe er am 14. September des Jahres 1992 den Grundstein für ein TV-Format legte, das alsbald schon in aller Munde sein sollte.
Mit seiner eigenen Talkshow lockte Hans Meiser in den Glanzzeiten Millionen Deutsche schon zu früher Nachmittagsstunde vor die Fernseher. Bis zu den großen Millennium-Feierlichkeiten versorgte Hans Meiser die Massen zwischen Kiel und München mit simpler Volksunterhaltung. Bei ihm hatte jeder ein Recht auf Sendezeit: die besorgte Oma aus dem 300-Seelendorf genauso wie der erfolgreiche Banker aus der Hauptstadt. Thematisch stets der Masse folgend baute sich Hans Meiser ein omnipräsentes Selbstbild-Denkmal, an dem Mitte der Neunziger niemand vorbeikam.
"Wir hatten keine Ahnung, wie man Fernsehen macht"
Der gebürtige Niedersachse mit den markanten Silberlocken hatte sie zu Hochzeiten alle vor dem Mikro. Die komplette Weltprominenz stand Schlange, wenn der grau melierte Medienstar aus Deutschland zum Gespräch bat. Mutig nach vorne zu preschen, Neuland zu betreten und Dinge einfach anzupacken, ohne vorher groß darüber nachzudenken: Die große Stärke von Hans Meiser katapultierte den Bambi-Preisträger von 1993 schon in frühen Berufsjahren nach ganz oben: "Wir hatten keine Ahnung, wie man Fernsehen macht. Doch man kann ja auch mit Lebensmitteln, die schon 14 Tage abgelaufen sind, noch was Leckeres kochen", erinnerte sich Meiser vor sechs Jahren in einem "Spiegel"-Interview an seine Fernsehanfänge.
Mit seiner offenen und unbekümmerten Art fuhr Hans Meiser lange Zeit sehr gut. Irgendwann aber wendete sich das Blatt. Jahre nach seinem unrühmliche RTL-Ende (der Sender verlängerte die Verträge des Moderators nicht mehr – ohne Begründung) machte Hans Meiser plötzlich mit dubiosen Werbekampagnen für Finanzprodukte und veröffentlichtem Material auf einem umstrittenen Onlineportal, das mit Verschwörungstheorien und rechtspopulistischem Gedankengut in Verbindung gebracht wurde, Schlagzeilen: "Bevor ich Verschwörungstheoretiker bin, ist der Papst Mohammed persönlich", polterte der einst gefeierte Talkmaster vor drei Jahren während eines Interviews mit dem Nachrichtenmagazin "Focus".
Gesinnungsbeweise konnten nie präsentiert werden, und dennoch blieb der vor 30 Jahren auf Händen durchs TV-Land getragene Talkmaster-Held an einen Prangerpfahl unter einem Banner mit der Aufschrift "Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulist" gekettet. Als fleißiger Arbeiter, der sein eigenes Schaffenspensum stets mehr im Blick hatte als die Informationsarchive seiner Geschäftspartner hat sich der mittlerweile 76-Jährige im Herbst seiner medialen Karriere des Öfteren selbst ein Bein gestellt. Heute vor dreißig Jahren hätte man an so eine Entwicklung sicher nicht gedacht. Damals lag die TV-Welt einem Hans Meiser noch zu Füßen. Klassischer Fall von: Früher war alles besser.
- focus.de: "Ein Tag mit Hans Meiser"
- spiegel.de: "Wir hatten keine Ahnung, wie man Fernsehen macht"