Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.RTLs neues Dschungelcamp Ein Vulkan explodiert in der südafrikanischen Pampa
RTL schickt zwölf Dschungelstars in ein Jubiläumscamp – und sofort ziehen unheilvolle Gewitterwolken am TV-Horizont auf. Ein Drama apokalyptischen Ausmaßes.
Anmerkung der Redaktion: Der Inhalt dieses Artikels stammt aus der Dschungelcamp-Folge, die erst am 16. August im linearen TV zu sehen sein wird, aber schon jetzt bei RTL+ verfügbar ist.
Zwei Stunden erwischt man sich immer wieder bei dem Gedanken, diese Show brauche kein Mensch. Ein Dschungelcamp im Sommer? Warum nicht gleich Skispringen oder Viererbob bei tropischer Hitze? Und dann wird der ganze Rummel auch noch in Südafrika statt in Australien veranstaltet. Da können wir zukünftig auch die Fußball-EM auf der Eisbahn austragen. RTL will doch nur Kohle scheffeln und die teuersten Werbeblöcke seines Portfolios mit dem Etikettenschwindel "Jubiläumsstaffel" verkaufen. Da flüchtet man sich schnell in zwei Stunden Anti-Haltung.
Wenn Kader Loth mit ihrem Spruch in Richtung Winfried Glatzeder, "Ich dachte, Sie seien schon tot!", den Höhepunkt der Unterhaltung liefert, fühlt man sich bestätigt in seiner trotzigen Laune, den verschränkten Armen und dem skeptischen Blick. Zwei Stunden lang.
Doch dann explodiert ein Vulkan in der südafrikanischen Pampa. Das Gelaber von David Ortega ergießt sich über die staunende Masse, Funken sprühen durch die hitzige Atmosphäre, felsenfeste Überzeugungen bröckeln. Ein Wunder geschieht. Denn was die Zuschauer dort zu sehen bekommen, ist ein Wutausbruch in formvollendeter Fernsehhaftigkeit. Eine Show, die uns vor Augen führt, warum es solche Shows gibt – und wieso Unterhaltungswert oft ein Wert ist, der unterhalb des Niveaus gemessen wird.
- "Ihr seid so eine Schande": Dschungelshow eskaliert an Tag eins
Was genau David Ortega zu seinem Jesus-Haar-bedeckten Kopf gestiegen ist, weiß er wohl selbst nicht so richtig. Der ehemalige "Köln 50667"-Darsteller echauffierte sich über die Ekelprüfung, wollte zuvor die ihm kredenzten Lammhirne nicht essen und prangerte an, dass diese eher begraben und nicht vor Millionenpublikum vertilgt werden sollten. Die Reaktion seiner Mitstreiter lehnte er ab. Diese hatten ihn zu motivieren versucht, über seinen Schatten zu springen, die Prüfung trotz seiner Aversionen zu absolvieren. Doch in Ortega brodelte es.
"Ihr seid so eine Schande"
Und als dann die Prüfung vorbei war, all das Ekelerregende und Unansehnliche verschmäht, ausgekotzt oder verschluckt war, platzte es aus dem 38-Jährigen heraus. Der Wahnsinn brach sich Bahn. Der Mann, der zuvor noch mit Kopftuch im Camp Gebete geflüstert hatte, wurde zum Fanatiker, zu einem Wutcamper, zu einem Henry Altmann in Ekstase. Doch was Robin Williams einst in "The Angriest Man in Brooklyn" war, lieferte David Ortega in Reinkultur – ganz ohne Skript und Regisseur.
Ein Auszug: "Ich habe mit den Baby-Hirnen echt ein Problem gehabt. Ihr seid so eine Schande. Sprecht mich einfach nicht mehr an. Es geht um Frieden, und ihr mobbt mich die ganze Zeit." Oder: "Ich bin zurechnungsfähig. Ich schreibe Rechnungen!"
Es schien sich viel angestaut zu haben bei David Ortega. Doch wir erinnern uns: zwei Stunden. Das Camp war noch keinen Tag alt, da entglitt dem Herrn mit dem Rauschebart und der "Cast Away"-Frisur bereits komplett die Impulskontrolle. Er geriet dabei so sehr in Rage, dass die anderen elf Dschungelstars nur fassungslos zusehen konnten. Manche lachten verschämt, andere wie Giulia Siegel weinten, wieder andere waren zutiefst entsetzt und versagten Ortega jegliche Kommunikation, so wie Thorsten Legat.
Droht bald der große Ortekan?
Wie falsch hatte Gigi Birofio nur gelegen, als er bei Ortegas ersten, seltsamen Verhaltensweisen orakelte, das sei nun der "Sturm vor der Ruhe". Oder ist David Ortega ein rasender Orkan, der immer wieder stürmisch daherredet, austickt, wirbelt und es krachen lässt, bis dann eines Tages die große Katastrophe, ja Apokalypse droht? Winfried Glatzeder jedenfalls war sich von Anfang an sicher, dass in Ortega der Teufel schlummert. Aber hatte Glatzeder nicht auch gesagt, "Wenn man bösartig ist, hat man Spaß"?
RTL und das Publikum werden das wohl blind unterschreiben. Eine "tickende Zeitbombe", wie Kader Loth den schreienden Ortega betitelte, garantiert Einschaltquoten. Bösartigkeit und Spaß, das könnte in diesem Jahr, bei dieser Konstellation an Charakteren im Camp, zu einer berauschenden Mischung werden. Drama für die Sommerloch-darbenden Massen in der Heimat, ein Mephisto für die nach Feindbildern lechzenden Gemüter, Krawall und Remmidemmi, scharf inszeniert von der Zoff-Fabrik RTL in Köln.
Und weil das teuflische Schauspiel längst aufgezeichnet ist, der Dschungel dieses Mal aus der Konserve kommt wie die Kokosmilch in der heimischen Küche, ja deshalb können wir uns alle entspannt zurücklehnen. Mord und Totschlag, aber dafür mit Happy End? Gekauft. Vielleicht kommt nach Ekel, Eklat und Ekstase ja Emotion, Euphorie und Einklang? Wird Hanka Rackwitz zur Heldin? Dann sitzt sie mit David Ortega betend am Bach, eingehüllt in eine spirituelle Welt: "Wenn mich eins rettet, dann ist es die Natur", flüstert sie und der wandelnde Vulkan findet friedlich in den Schlaf, schlummernd auf ihrem Schoß …
... oder auch nicht. Schließlich ist es RTL und keine Seifenoper im ARD-Vorabendprogramm. Bleibt nur zu hoffen, dass nach dem Vulkanausbruch keine Dürre droht. Denn manchmal ist so ein früher Höhepunkt nicht unbedingt das Beste für einen unterhaltsamen Abend.
- RTL+: "Ich bin ein Star – Der Showdown der Dschungel-Legenden" vom 15. August 2024