Schauspieler Ein starkes Stück: Henry Hübchen wird 75
Berlin (dpa) - Es ist wohl nicht ganz falsch anzunehmen, dass Henry Hübchen mit seinem Alter hadert. Ein Interview zum 75. Geburtstag will der Schauspieler jedenfalls nicht geben. Er wolle sich mit dem Ereignis nicht auseinandersetzen, sagt seine Agentin am Telefon.
Schon vor seinem 70. Geburtstag sei er abgehauen, sagte Hübchen vor ein paar Jahren. Und über das Altwerden: "Ich sage immer, das Glas ist halb leer." Doch macht er auch daraus große Kunst.
Gerade erst lief in der ARD das Drama "Ein Leben lang", in dem Hübchen einen demenzkranken früheren Schlagerstar darstellt. Eine schwierige Rolle für einen, der lieber Schelm und Spitzbube war und damit Filme wie "Alles auf Zucker" oder "Sonnenallee" unvergesslich machte.
Mal charmant, mal kratzbürstig, mal kauzig berlinert Hübchen seit fünf Jahrzehnten über Bühnen und Leinwände. Die ernste Rolle an der Seite von Corinna Kirchhoff spielt er knittrig und zerzaust, verwirrt und verstört, aber auch mit einem Hauch von Schalk. Ein echter Hübchen, ein starkes Stück.
"Henry Hübchen war und ist ein großer Schauspieler", sagt der Linken-Politiker Gregor Gysi - die beiden sind seit Jahrzehnten befreundet - der Deutschen Presse-Agentur. "Er war schon in der DDR ein Star und ist es auch in der Bundesrepublik Deutschland geblieben. Das haben nicht so viele geschafft."
Schauspieler wollte er nicht werden
Geboren wurde Hübchen am 20. Februar 1947 im Westberliner Stadtteil Charlottenburg, doch siedelte seine Familie 1949 in den Osten der Stadt über. Dort stand er als Schüler 1965 erstmals in dem DDR-Film "Die Söhne der großen Bärin" vor der Kamera. Er tat das Debüt später ab als bezahlten Ferienjob. So wie er auch seine Berufswahl als Schauspieler als Verlegenheitslösung darstellte: "Ich wollte überhaupt nicht Schauspieler werden, weil ich Schauspieler blöd fand", sagte Hübchen 2018 im Gespräch mit Gysi im Admiralspalast.
Aber er setzte eben nicht das begonnene Physikstudium fort, sondern bewarb sich an der Schauspielschule "Ernst Busch" in Berlin. Hübchen schloss die Ausbildung 1970 ab, erinnert sich jedoch: "Eigentlich wollte ich immer Regisseur werden."
Erst mit dem ersten Theaterengagement in Magdeburg fing er nach eigener Darstellung Feuer und überzeugte so, dass ihn 1974 die Volksbühne nach Ostberlin holte. Bis 2002 gehörte Hübchen zum Ensemble. Seine Zeit mit Regisseur Frank Castorf dort nannte er einmal "die produktivste in diesem chaotisch-anarchistischen Ost-West-Österreich-Ensemble".
Castorfs Theaterarbeit war für Hübchen "eine Erleuchtung", wie er im Gespräch mit Gysi sagte. Aber: "Das ist eben Theater, das ist eben weg, vergänglich." So macht der Schauspieler inzwischen viel Film und Fernsehen, mit grandiosem Erfolg. Schon 1974 hatte er eine Rolle in Frank Beyers "Jakob der Lügner", der als einziger DDR-Film für einen Oscar nominiert wurde.
Nach der Wende spielte Hübchen querbeet von der Karl-May-Biografie bis zur Hera-Lind-Verfilmung, vom Polizeiruf-Kommissar bis zum Anwalt von Beate Uhse, vom Commissario Laurenti bis zum Immobilienspekulanten in den "Kängaru Chroniken".
Hübchen selbst motzt auch gerne mal über die Arbeit am Filmset: "Du bist nur am Warten." Aber seine Kollegen verzückt er. "Henry Hübchen ist ein ganz großer Schauspieler und Komödiant - der Marcello Mastroianni des deutschen Films, würde ich sagen", sagt der Regisseur Andreas Dresen der dpa. "So klug, so instinktsicher!"
Leander Haußmann und Dani Levy
Paradebeispiele sind Leander Haußmanns Ost-West-Komödie "Sonnenallee" von 1999, die Hübchen gesamtdeutsch noch viel bekannter machte, und 2004 Dani Levys Farce "Alles auf Zucker", für die er als bester Hauptdarsteller den deutschen Filmpreis bekam. Darin glänzte er mit Hannelore Elsner, über die er bei ihrem Tod 2019 schrieb: "Von meinen Filmehefrauen war sie mir die liebste." Wobei da wirklich noch viele andere waren von Katharina Thalbach über Corinna Harfouch und Martina Gedeck bis Senta Berger.
Rente sei nichts für ihn, hat Hübchen immer wieder gesagt, er brauche eine Aufgabe. Sein Freund Gysi erklärte das quasi zur moralischen Pflicht. Damals im Admiralspalast entließ er Hübchen mit den Worten: "Du hast auf gar keinen Fall das Recht aufzuhören, uns mit deiner Kunst zu beglücken."