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Christian Rach über Coronavirus: "Lockdown ist keine Beschränkung der Freiheit"


Interview
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TV-Koch über Coronavirus
Christian Rach: "Der Lockdown ist keine Beschränkung der Freiheit"

InterviewVon Janna Halbroth

Aktualisiert am 04.06.2020Lesedauer: 7 Min.
Christian Rach: Die Gastronomie wird sich seiner Meinung nach durch die Coronavirus-Pandemie nachhaltig wandeln.Vergrößern des Bildes
Christian Rach: Die Gastronomie wird sich seiner Meinung nach durch die Coronavirus-Pandemie nachhaltig wandeln. (Quelle: imago images / Andreas Gora)

Die Restaurants sind wieder geöffnet. Die Gefahr ist aber noch immer da, findet Fernsehkoch Christian Rach. Was jetzt für die Betriebe extrem wichtig ist und warum wir trotz einer Bereinigung viele Arbeitsplätze verlieren werden, verrät er im t-online.de-Interview.

Ein eigenes Restaurant hat Christian Rach nicht mehr, der Fernsehkoch konzentriert sich derzeit auf die Beratung seiner Kollegen. Die Coronavirus-Pandemie sieht der Experte noch immer als eine große Gefahr an.

Warum es der 62-Jährige aber auch als sehr wichtig empfindet, jetzt einmal Danke zu sagen, anstatt für Freiheit zu demonstrieren und was er über seinen Kochkollegen Attila Hildmann denkt, erklärt er in unserem Interview.

t-online.de: Herr Rach, die Restaurants dürfen wieder öffnen. Wie setzen die Betreiber Ihrer Erfahrung nach die Auflagen um?

Christian Rach: Ich habe mit befreundeten Gastronomen gesprochen, die haben natürlich alle Vorkehrungen getroffen. Ich glaube, es hapert noch ein bisschen bei den Kontaktlisten. Die befinden sich im Eingang und man soll sich händisch eintragen. Da gibt es natürlich elegantere Lösungen, per QR-Code oder Ähnliches. Aber ich glaube, es ist absolut verständlich, dass es an der einen oder anderen Stelle noch nicht rund läuft. Allerdings gibt es auch Auswüchse, wie kürzlich in einem Hamburger Szenelokal. Es gab eine riesige Party mit über 90 Personen. Die Menschen waren alkoholisiert und ohne Schutz. Das ist natürlich ein absoluter Bärendienst für die Gastronomie. Wenn Einzelne sich nicht an diese Auflagen halten, dann leidet eigentlich die gesamte Branche brutal darunter.

Inwieweit werden die Gastronomen mit dieser neuen Verantwortung vielleicht auch ein Stück weit alleingelassen?

Gar nicht. Es gibt unglaublich viele Angebote des Staates, was die Hilfe angeht. Nun appelliert ja auch die halbe Bevölkerung an die Selbstverantwortung der Menschen und der Unternehmen. Alle sagen sie: Weg mit der staatlichen Bevormundung! Wenn der Staat das ernst nimmt, dann sollte bitte schön auch das Verhalten dementsprechend sein. Ich finde nicht, dass die Gastronomen alleingelassen werden. Es ist ein Puzzle, in dem wir uns bewegen, für das es keine Vorlage gibt. Es gibt kein Bild, bei dem wir wissen, wie wir die Puzzleteile zusammenfügen müssen. Wir müssen es einfach ausprobieren, es gibt keine Blaupause. Die Gastronomen sind natürlich genauso informiert oder uninformiert wie jeder andere Bürger auch.

Wird die Coronavirus-Pandemie die Gastronomie auch langfristig beeinflussen und verändern?

Ja, es wird eine unglaubliche Bereinigung in der Branche geben, weil nicht alles Gold war, was glänzte. Wir haben natürlich ein großes Überangebot gehabt. Aber wie in vielen Bereichen der Wirtschaft wird es eine Bereinigung geben. Das wird auch Arbeitsplätze kosten. Das ist völlig klar. Die eine oder andere Existenz wird sehr darunter leiden. Aber im Moment gibt es gar keine andere Möglichkeit, als auf Qualität zu setzen und natürlich auch ein eigenes Konzept zu überdenken.

Wie genau meinen Sie das?

Erstens geht es um das Angebot und die Qualitäten. Zweitens geht es darum, was die Mitarbeiter und der Umgang mit ihnen angeht. Wir waren etwa acht Jahre vor Corona in einer unglaublichen Personalmisere. Es ging jedes Jahr bergab. Aber nicht, weil die jungen Menschen keine Begeisterung für die Gastronomie mehr verspürt haben, sondern weil die Arbeitsbedingungen, die viele Arbeitgeber in der Gastronomie angeboten haben, einfach nicht mehr zeitgemäß waren.

Was für Bedingungen meinen Sie?

Das waren noch Bedingungen wie aus dem letzten Jahrtausend. Die Tarifverträge sind schwach ausgehandelt und die Arbeitszeiten sind übermäßig und noch vieles mehr. Man muss viele Modelle, die in der Gastronomie üblich waren, auf den Prüfstand stellen.

Was ist jetzt für Gastronomen besonders wichtig?

Alle sollten sich an die Auflagen und die Bedingungen halten, um nicht noch größeren Schaden für die gesamte Branche zu provozieren. Wir sehen, was in Leer war, und wir sehen, was in einer Kirche in Frankfurt war. Das heißt – ich sage das jetzt mal ganz klar –, mit der linken Arschbacke kann man das nicht abtun. Diese Gefahr ist noch ganz virulent, ganz eng und dicht. Und wir sollten versuchen, damit umzugehen. Das beinhaltet ebenfalls natürlich die enormen betriebswirtschaftlichen finanziellen Probleme, die jeder Betrieb, der unter dem Lockdown gelitten hat oder leidet, jetzt lösen muss. Im Zweifel heißt das, dass es vielleicht sogar in dem einen oder anderen Fall günstiger ist, zuzulassen, als unter diesen Bedingungen aufzumachen, weil sie die Kosten nicht wieder einfangen.

Wie schwierig ist es für Gastronomen, diese Regeln einzuhalten, wenn beispielsweise langjährige Stammgäste einfach nicht mitspielen. Soll der Wirt dann alle rausschmeißen?

Das sind die neuen Regeln und die Regeln gelten für alle. Ob Stammgast oder neuer Gast, ob jung oder alt, das sind die Regeln, unter denen im Moment geöffnet werden darf und geöffnet sein kann. Ich würde da immer auf die Einsicht gerade von Stammgästen setzen, damit es nicht zu diesen Konflikten kommt. Was wäre das für ein Stammgast, der sich dann gegen das wirtschaftliche Wohl und die Existenz seines Stammlokals ausspricht?

War es richtig, die Restaurants wieder zu öffnen?

Ja, es war richtig, die Restaurants wieder zu öffnen. Wenn wir nicht absolut abstürzen wollen und nicht in einem Jahr bei null anfangen wollen mit einem riesen Scherbenhaufen, den keiner mehr zusammenfügen kann, war es zwingend notwendig. Aber wir sollten uns tunlichst auf die Empfehlungen der Experten beziehen und langsam hochfahren. Man muss unternehmerisch darauf reagieren. Das heißt also, nur einen Teil der Mitarbeiter in Vollzeit nehmen, die anderen müssen weiter in Teilzeit arbeiten. Man muss seine Kommunikationsstrategie überarbeiten, aber es muss losgehen. Wir haben 2,3 Millionen direkt Beschäftigte in der Gastronomie. Wir haben über 3 Millionen indirekt Beschäftigte, die durch die Gastronomie leben. Das ist eine sehr große, relevante gesellschaftspolitische Gruppe. Wenn wir das sterben lassen, haben wir ein riesiges Chaos.

Welchen Tipp können Sie Unternehmen aus Ihrer Erfahrung heraus dabei geben?

Eine goldene Regel gibt es eigentlich nicht. Ich empfehle in vielen Gesprächen immer wieder: Bitte, bitte, liebe Kollegen, überprüft selbst mal euer Geschäftsmodell. Nehmt euch in dieser Krise die Zeit, auch wirklich alles zu hinterfragen. Gespräche mit der Bank, dem Steuerberater, aber auch mit den Gästen sind wichtig. Wenn man das nicht macht, dann wird man noch nicht mal einen Stillstand haben, sondern nur einen Rückschritt. Außerdem müssen Rücklagen gebildet werden. Wenn man nicht in der Lage ist, als Firma Rücklagen zu bilden, dann stimmt das Geschäftsmodell nicht. Ich erlebe es immer wieder, dass die Gastronomen dann zu Gästen gehen und erst mal einen ausgeben, weil sie wieder da sind. Das darf man als Gastronom nicht machen. Ich sage denen dann: Ihr seid doch nackig. Ihr habt doch nichts mehr in der Tasche. Wie könnt ihr jetzt jemandem schon wieder ein Glas Wein, Bier, Schnaps, Sekt oder Kaffee ausgeben? Wer bezahlt die Zeche denn? Man kann natürlich von Herzen her Gastgeber sein, aber doch bitte erst einmal wieder selber auf einem gesicherten Fundament stehen und dann wieder Großzügigkeit walten lassen. Aber nicht jetzt.

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Kann die Krise also auch als Chance bewertet werden?

Ich finde es schwierig zu sagen, dass diese Situation eine Chance ist, weil es für viele Menschen um ihr Leben geht und auch um die nackte Existenz. Ich sehe es eher so, dass wir politisch darauf reagieren müssen. Wir müssen unser Gesundheitssystem und unser Sozialsystem, die beide oft kritisiert wurden, stärken, weil sie sich als goldrichtig herausgestellt haben. Wir müssen sehen, was für positive Auswirkungen das Ganze jetzt hat und uns als Land, als Bevölkerung, als Wirtschaftstreibende unglaublich gut durch die Krise gebracht hat. Ich finde, wir können auch mal Danke sagen an die Verantwortlichen in der Politik und im Gesundheitswesen. Es kann nicht 82 Millionen Menschen immer alles recht gemacht werden. Ich denke aber, der Großteil der Bevölkerung ist unglaublich zufrieden damit, und zwar unabhängig seiner politischen Couleur, wie wir von den Landesregierungen, aber auch von der Bundesregierung durch diese Krise geführt wurden. Dass es jetzt unterschiedliche Ansichten über den sogenannten Hochfahren-Prozess gibt, liegt in der Natur der Sache, und das ist auch nicht schlimm.

Haben Sie Verständnis für die Menschen, die jetzt für ihre Freiheit demonstrieren?

Ich habe Verständnis für Leute, die demonstrieren. Aber was heißt "für ihre Freiheit"? Wir haben große Freiheit und wir haben überhaupt nichts, was uns an irgendeiner Stelle beengt. Von Beschränkung der Freiheit kann keine Rede sein. Der Lockdown ist keine Beschränkung der Freiheit. Ich glaube, den Leuten geht es einfach zu gut. Ich sehe nicht, wo unsere Freiheit irgendwo im Vergleich zu dem, was man da erlebt hat, eingeschränkt ist. Ich verstehe nicht, was wir angeblich zu erleiden haben. Vor allem nicht mit der Perspektive, dass jetzt alles schon wieder hochgefahren wurde.

Das ist Demokratie: Jeder darf eine Meinung haben und sie auch sagen, das ist die Freiheit, in der wir leben, und da hält die Gesellschaft auch einen Hildmann aus.

Wie bewerten Sie die aktuellen Diskussionen über die Schlachtbetriebe?

Das ist ja nun ein altbekanntes Thema. Was mich wundert, dass das jetzt so hochkocht, nur weil da sehr viele Infizierte sind. Ich kämpfe seit Jahren für einen geringeren Fleischkonsum und für eine höhere Qualität der Produkte und setze mich dafür ein, dass wir in der Produktion wegkommen von dieser unsäglichen Massentierhaltung. Die Bilder, die wir über Peta alle kennen, die möchte kein Verbraucher sehen. Gleichzeitig möchte der Verbraucher das billige Fleisch an der Theke haben. Da kann sich keiner mehr herausreden, das noch nicht gewusst zu haben. Das ist einfach eine Lüge. Das artgerecht aufgezogene Stück Fleisch kostet im Kilo (!) drei Euro mehr. Der Verbraucher entscheidet sich immer für das billigere. Ich sage bewusst das Wort "billig". Es ist nur logisch, dass das billige Fleisch auch nur billig, mit billigen Arbeitskräften produziert werden kann. Da muss radikal ein Riegel davor geschoben werden. Damit würden wir sogar mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir haben viel weniger Gülle, weniger Gase, ein besseres Tierwohl, bessere Arbeitsbedingungen und auch eine größere Volksgesundheit. Weniger ist da einfach mehr.

Wie sieht Ihr persönlicher Fleischkonsum aus?

Ich esse gerne ein gutes Stück Fleisch und das reicht mir auch einmal in der Woche. Ich will da nicht der Maßstab sein und auch nicht päpstlicher sein als der Papst, aber wir haben eine große gesellschaftliche Verantwortung.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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