Stars Samuel Koch: "Ich warte ganz naiv auf die Richtige"
Treffen der wahrscheinlich berühmtesten Querschnittsgelähmten Europas: Samuel Koch (24) und Philippe Pozzo di Borgo (61) äußern sich im Doppelinterview des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zu ihrem "Job in der Querschnittsbranche". Dabei sprechen der ehemalige "Wetten, dass..?"-Kandidat und das reale Vorbild für den Erfolgsfilm "Ziemlich beste Freunde" auch darüber, was ihre Lähmung für ihren Umgang mit Sexualität bedeutet.
Samuel Koch, der seit seinem tragischen Unfall bei "Wetten, dass..?" im Dezember 2010 querschnittsgelähmt ist, erklärte im Interview: "Ich hatte schon vor dem Unfall mit mir selbst vereinbart, dass ich mich nur noch auf meine zukünftige Ehefrau konzentriere und mich allen möglichen oder nicht möglichen Liaisons entziehen werde, um ganz konservativ oder naiv auf die Richtige zu warten. Der Unfall hilft mir jetzt ein Stück weit bei diesem Vorsatz."
Philippe Pozzo di Borgo, dessen verfilmtes Leben in Deutschland mehr als acht Millionen Kinozuschauer sahen und der sich bei einem Paragliding-Unfall das Rückgrat brach, erzählte: "Das Erste, was man mir im Krankenhaus nach meinem Unfall anbot, war ein Gespräch mit einem Sexualtherapeuten." Für seine Partnerinnen sei der Verlust seiner Sexualität jedoch zum Glück kein Problem gewesen, sagte Pozzo di Borgo.
"Manche reden mit mir, als wäre ich auch geistig behindert"
Die beiden Männer sprachen in dem Interview auch darüber, wie befangen Nichtbehinderte häufig im Umgang mit Behinderten seien. So sagte Koch: "Manche Leute reden mit mir, als wäre ich nicht nur körperlich, sondern auch geistig behindert. Die beugen sich zu einem runter und fragen mit extremer Artikulation 'K-ö-n-n-e-n S-i-e d-i-e W-o-r-t-e v-e-r-s–t-e-h-e-n, d-i-e m-e-i-n-e-n M-u-n-d v-e-r-l-a-s-s-e-n?' Dann sage ich: 'Ja klar. Was ist mit dir los? Wieso redest du so komisch?'" Allerdings räumte Koch ein, dass auch er, als er noch Fußgänger war, zwischen körperlicher und geistiger Behinderung kaum besser zu unterscheiden gewusst hätte.
Inzwischen ist es dem ehemaligen Wettkandidaten wichtig, Nichtbehinderten die Angst vor dem Umgang mit Behinderten zu nehmen, denn: "In Gesellschaft zu sein ist eine lebenserhaltende Maßnahme für uns. (...) Umarmen und küssen zum Beispiel hält uns am Leben." Die Voraussetzungen für ein soziales Leben müsse der Behinderte jedoch selbst schaffen. Wenn er spüre, dass Menschen unbeholfen auf ihn reagieren, sage er: "'Küssen erwünscht.' Oder so was in der Art'", so Koch.
"Keine Arme, keine Schokolade"
Der ehemalige Athlet sprach mit Pozzo di Borgo außerdem über dessen Film "Ziemlich beste Freunde" und erklärte, dass er vieles daraus wiedererkannt habe. Besonders amüsiert habe ihn die Szene, in der Philippes Pfleger ihm Schokolade vors Gesicht hält und sagt: "Keine Arme, keine Schokolade". Das sei zwar einerseits gemein und grausam: "Aber ich finde das lustig. 'Keine Arme, keine Schokolade' - so ist es nun mal. Warum soll man die Dinge schöner reden, als sie sind?"
Die Hoffnung, eines Tages wieder laufen zu können, hat Koch noch nicht aufgegeben. Auch mit kleineren Erfolgen wäre er schon zufrieden: "Ich würde so etwas von feiern, wenn ich auch nur eine Hand hätte", sagte der 24-Jährige dem "Spiegel". Aber er suche nicht jeden Tag nach neuen Forschungsergebnissen. "Ich lebe erst mal im Hier und Jetzt."