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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Herman, Hahne, Hörig und Co. Absturz aufs Abstellgleis
Ob Elmar Hörig oder Peter Hahne: Immer wieder rutschen einstige Größen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in dubiose Gedankenwelten ab. Ein Überblick.
Prominente, die mit rätselhaften Aktionen für Aufsehen sorgen, sind längst keine Seltenheit mehr. Teils wabern gefährliche Verschwörungsmythen und apokalyptische Lamenti über den Untergang des Abendlandes durch deutsche Promisphären.
Auch etliche Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind darunter. Also Gesichter einer Institution in Deutschland, die von Beitragsgeldern finanziert vor allem für Seriosität und Unabhängigkeit steht. Eines der jüngsten Beispiele ist Elmar Hörig.
"Früher war alles besser" und "die da oben"
Das Magazin "Der Spiegel" hat dem einst gefeierten Star des Radiosenders SWF3 am vergangenen Wochenende einen Text gewidmet: "Was ist bloß aus meinem Idol geworden?", heißt die Ich-Reportage eines Autors, der Hörig in dessen eigenen vier Wänden besucht und mit ihm über sein irrlichterndes Wirken in den sozialen Medien spricht. Hörig postet auf Facebook fremdenfeindliche, antisemitische oder homophobe Beiträge. Dort witzelt er dann zum Beispiel, dass Klaus Wowereit nicht Regierender Bürgermeister von Berlin geworden wäre, hätte Deutschland den Krieg gewonnen – und verharmlost damit die Diskriminierung von Minderheiten im Nationalsozialismus.
Doch die einstige Rundfunklegende Elmar Hörig ist kein Einzelphänomen. Auch t-online hatte sich im Mai 2022 einen Auftritt von Peter Hahne genauer angeschaut. Dort ereiferte sich der ehemalige ZDF-Moderator über angeblich gleichgeschaltete Medien und "die da oben" – gemeint war vor allem eine Krisenpolitik, die damals noch von den Auswirkungen der Corona-Pandemie in Atem gehalten wurde.
Warum wettern ehemalige Medienmacher wie Hahne über "die Medien", ohne zu sagen, dass es in diesem Land eine sehr diverse Medienlandschaft gibt? Und warum ätzt Hörig über die "linken Pissbirnen von der Journaille" und heimst dafür Applaus von der AfD ein?
Eines lässt sich nahezu immer als Gemeinsamkeit ausmachen: Es sind Erzählungen nach dem Motto "früher war alles besser" und mit dem erhobenen Zeigefinger auf eine ominöse "die da oben"-Politik, die angeblich das Land in den Ruin wirtschafte. Der folgende Überblick zeigt, um welche ehemaligen Gesichter der Öffentlich-Rechtlichen es sich handelt.
Peter Hahne
Die meisten kennen den heute 71-jährigen Hahne noch als Moderator der "heute"-Nachrichten. Als stellvertretender Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios führte er zahlreiche Sommerinterviews mit Spitzenpolitikern, hatte sogar eine eigene Talkshow bei dem Sender. Schon zu seiner aktiven Zeit war er streitbar, schrieb Bücher mit klangvollen Titeln wie "Die Macht der Manipulation" oder "Rettet das Zigeuner-Schnitzel".
Seit seinem Ruhestand im Jahr 2017 und spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie betrat der Journalist neue Wege. Seine Buchtitel wie "Seid ihr noch ganz bei Trost! Schluss mit Sprachpolizei und Bürokraten-Terror!", "Nicht auf unsere Kosten! Aufstand gegen Lug und Trug der Elite" oder "Das Maß ist voll. In Krisenzeiten hilft keine Volksverdummung" sind in einem wutentbrannten Grundton geschrieben.
Er und sein Verlag scheinen damit gut zu verdienen: Mit "sein Markenzeichen: Klartext" bewirbt der Quadriga Verlag die jüngste Publikation aus dem Februar 2024: "Ist das euer Ernst?! Aufstand gegen Idiotie und Ideologie".
Dass Peter Hahnes Empörungsmotor ins Stottern geraten kann, wenn man ihn mit seinen Widersprüchen konfrontiert, gerät dabei schnell in Vergessenheit. So log er nachweislich über Vorfälle bei der Bundespressekonferenz. Dort seien Journalisten, die kritisch nachfragten, entfernt worden. Einen Beweis blieb er dafür schuldig. Außerdem unterstellte er Journalisten eine zu große Nähe zur Politik – obwohl er diese Nähe selbst zu seiner Zeit als aktiver Pressevertreter an den Tag legte und darin damals kein Problem sah, im Gegenteil.
Eva Herman
Sie galt zu ihrer Zeit als "Tagesschau"-Sprecherin laut einer Emnid-Umfrage mal als "beliebteste Moderatorin Deutschlands". Heute wettert Eva Herman über die "Lügenpresse" und stilisiert sich als aufrechte Märtyrerin in einem Kampf gegen finsterere Mächte. Herman verbreitet rechtspopulistische und verschwörungstheoretische Thesen und ist mit Andreas Popp liiert, der einst antisemitische Hetzschriften des NSDAP-Wirtschaftstheoretikers Gottfried Feder würdigte.
Uwe Heinz Steimle
Uwe Heinz Steimle hatte im MDR von 2013 bis 2019 seine eigene Reportage-Sendung "Steimles Welt", sprach mit Menschen in Mitteldeutschland über ihre Erlebnisse vor und nach der Wende. Mit kruden Aussagen über Geflüchtete geriet der sächsische Satiriker dann jedoch in Verruf. Dass er anschließend in mehreren Interviews – auch mit einem als rechtspopulistisch eingestuften Medium – gegen seinen Geschäftspartner, den MDR, schoss und ihm Staatsnähe vorwarf, tat sein Weiteres: Steimle erhielt 2019 die Kündigung.
Der damalige MDR-Programmdirektor Wolf-Dieter Jacobi begründete die Entscheidung dem Magazin "Superillu" zufolge mit Steimles "zum Teil fragwürdigen Aussagen", die "immer wieder an Grenzen und manchmal auch darüber hinausgegangen" seien. Während Steimle heute mit rechtspopulistischen Aussagen und rechter Symbolik spielt, war er einst Anhänger der Linkspartei. Jetzt begeistert er mit seinen Inhalten auf YouTube vor allem AfD-Anhänger. Vorwürfe, rechtsradikales Gedankengut zu verbreiten, weist er von sich und beruft sich bei allen grenzwertigen Aktionen auf die Kunstfreiheit.
Ken Jebsen
Ken Jebsen, bürgerlich Kayvan Soufi-Siavash, zählt heute zu den wohl einflussreichsten Verschwörungsideologen Deutschlands. Seine Ansichten hatte er lange Zeit über sein YouTube-Format "KenFM" verbreitet. 2021 wurde dies jedoch dauerhaft gesperrt. Laut "Deutschlandfunk" warf die Medienanstalt Berlin-Brandenburg Jebsen Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht vor. Ein Verfahren in der Sache wurde eingestellt, da sein Kanal bereits vorab abgeschaltet worden war. Seit März 2021 werde Jebsen der "Süddeutschen Zeitung" zufolge als Verdachtsfall beim Berliner Verfassungsschutz geführt.
Bevor er begann, auf eigene Faust öffentlich Inhalte zu verbreiten, war Jebsen lange Zeit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig. Beim Jugendradio Fritz des rbb moderierte er seine eigene Sendung, damals ebenfalls unter dem Titel "KenFM". Die habe sich laut "Deutschlandfunk" im Laufe der Zeit von einer Unterhaltungsshow zu einer immer politischeren Sendung entwickelt.
Jürgen Fliege
In den 90er-Jahren sowie Anfang der 2000er-Jahre brachte Jürgen Fliege Seelsorge ins Fernsehen. Von 1994 an widmete er sich in der Sendung "Fliege" als evangelischer Pfarrer den Leiden der ARD-Zuschauer, bis 2005 Schluss war. Anstatt im TV über den Heiligen Geist zu sprechen, zeigte er im Laufe der Jahre seinen unternehmerischen Geist. Der Pfarrer verkaufte die sogenannte "Fliege-Essenz" – 99 Milliliter verzehrbares, gesegnetes Wasser für 39,90 Euro, wie das Nachrichtenmagazin "Spiegel" berichtete.
Nachdem er für den Vertrieb der Essenz sowie weiterer umstrittener Produkte bereits kritisiert worden war, wurde die Kritik zur Zeit der Corona-Pandemie noch lauter. Der Grund: Fliege nahm an Querdenker-Veranstaltungen teil und trat in die 2020 gegründete Protestpartei Die Basis ein. Im November desselben Jahres war Fliege bei einer Veranstaltung der Initiative "Querdenken" in München aufgetreten. Die Demonstration sei zu einem Gottesdienst deklariert worden, um bayerische Corona-Schutzverordnungen zu umgehen, wie die Zeitung "Tagesspiegel" berichtete.
Cornelia Nenz
Cornelia Nenz war Vorsitzende des NDR-Rundfunkrates. Sie sorgte kürzlich mit Äußerungen während der Demonstration des Friedensbündnisses Neubrandenburg am Ostermontag für Aufsehen. Wie die Tageszeitung "Nordkurier" schreibt, sagte sie im Hinblick auf den Ukraine-Krieg: "Diese dümmliche Erzählung des vorgeblichen russischen Angriffs hat nichts mit der Realität zu tun, nicht Russland ist seit 1990 nach Westen marschiert, sondern die Nato hat Russland militärisch eingekreist." Hinsichtlich Deutschlands Aufrüstungsplänen habe sie sich ebenfalls geäußert und in dem Zusammenhang die ehemalige DDR, in der sie aufgewachsen war, als "Friedensstaat" bezeichnet. "Wir sind in einem Friedensstaat aufgewachsen und sind mit der Kriegstüchtigkeit nicht einverstanden", wird Nenz zitiert.
Daniel Peters, CDU-Landesvorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern, reagierte mit scharfer Kritik: "Verschwörungstheorien wie die von Frau Nenz widern mich an. Sie sind inakzeptabel und stellen eine Verhöhnung der Opfer dar", habe er laut "Nordkurier" in Hinblick auf Nenz' Äußerungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine gesagt. Auch ihre "offenkundige Sympathie für die SED-Diktatur" verurteilte er und forderte als Konsequenz, dass Nenz ihren Landesverdienstorden zurückgibt.
In einem Gespräch mit dem NDR wies Nenz die Vorwürfe von sich. Sie behauptete, falsch zitiert worden zu sein. Hinsichtlich Peters' Forderung erklärte sie zudem, ihren Orden nicht zurückgeben zu wollen. Dieser war ihr Anfang 2024 vom Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern für ihr "herausragendes Engagement für das Niederdeutsche und die Heimatpflege im Land" überreicht worden.
- spiegel.de: "Disziplinarverfahren gegen Jürgen Fliege Der Scheinheilige"
- tagesspiegel.de: "Ex-Fernsehpfarrer setzt auf Waldläufe gegen Corona: Jürgen Fliege wird Mitglied bei Protestpartei 'Die Basis'"
- sueddeutsche.de: "Demokratie: Verfassungsschutz nimmt KenFM ins Visier"
- superillu.de: "SATIRE-AFFÄRE: Uwe Steimle: Darum warf ihn der MDR raus"
- nordkurier.de: "Nach Ostermarsch Wegen Russland- und DDR-Aussagen: Ex-Museumschefin soll Orden zurückgeben"
- ndr.de: "Scharfe Kritik an Cornelia Nenz: CDU fordert Ordensrückgabe"
- heimatverband-mv.de: "Verleihung des Landesverdienstordens MV an Dr. Cornelia Nenz"