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Roland Kaiser: "Ich finde das beschämend für unser Land" | Interview


Interview
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Roland Kaiser
"Ich finde das beschämend für unser Land"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

Aktualisiert am 26.02.2024Lesedauer: 8 Min.
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10 schnelle Fragen an Schlagerstar Roland Kaiser: Dresden oder Sylt, Silbereisen oder Zarella, Beatles oder Rolling Stones? (Quelle: t-online)

Roland Kaiser schafft es seit 50 Jahren, Musik und Politik strikt zu trennen. Seiner Karriere hat das nicht geschadet. Ein Gespräch über Zweifel, Frikadellen und das Alter.

In wenigen Wochen wird Roland Kaiser 72 Jahre alt. Doch davon ist dem Schlagerstar im Gespräch wenig anzumerken. Der Sänger sprüht vor Energie, lacht viel und scheint bester Laune zu sein. Der Mann mit der 50-jährigen Bühnenkarriere – so viel wird schnell klar – hat noch lange nicht genug. An diesem Samstag widmet ihm das ZDF eine eigene Abendshow, "Giovanni Zarrella präsentiert: 50 Jahre Roland Kaiser" und auch eine Tour steht noch an dieses Jahr.

Was treibt den Musiker an? Plagen ihn auch Zweifel, will er gar bald einen Schlussstrich ziehen? Im Interview mit t-online geht Roland Kaiser keinem Thema aus dem Weg. Selbst über Politik, ein Bereich, den er sonst gerne ausspart, findet er deutliche Worte.

t-online: Herr Kaiser, Ihnen ist es gelungen, in 50 Jahren Bühnenkarriere bodenständig zu bleiben. Vielen Ihrer Kollegen eher weniger. Wieso?

Roland Kaiser: Ich habe das große Glück, eine Familie zu haben, die mich darin unterstützt hat, die Füße stillzuhalten, zu arbeiten, weiterzumachen und nicht abzuheben.

Und in dieser Zeit haben Sie viele Künstler kennengelernt und miterlebt, denen das nicht gelungen ist.

Ich will da keinen verurteilen, aber es läuft unterschiedlich bei den Menschen.

Liegt das wirklich nur an der Familie?

Das ist manchmal auch eine Mischung. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das richtige Lied hören und verstehen, dass es gut ist, und es zum richtigen Zeitpunkt veröffentlichen und dann versuchen, darauf aufbauend das eigene Werk in etwas Nachhaltiges umzuwandeln.

… und den Drogen gegenüber nicht schwach zu werden.

Da haben Sie recht. Generell ist es immer gut, auf Drogen zu verzichten – in allen Bereichen. Verlässlichkeit und Disziplin an den Tag zu legen, das schadet eigentlich nicht. Auch das Publikum erwartet jeden Abend hundertprozentige Leistung und die kann man nur erbringen, wenn man zu hundert Prozent fit ist, sonst geht das nicht.


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Wenn der FC Bayern verliert, dann bin ich sauer. Als Fußballfan lässt das alles in mir hochkochen.


Roland Kaiser


Also sind Sie makellos?

Nein.

Was ist Ihre Schwäche?

Bei bestimmten Dingen bin ich ungeduldig und manchmal verlange ich Menschen zu viel ab, weil ich meine, die müssen das genauso machen wie ich. Da bin ich manchmal nicht gerecht. Aber im Prinzip bin ich schon ein recht leidlicher Mitmensch. Mit mir kann man gut auskommen.

Auch wenn man mit Ihnen zusammen wochenlang auf Tour ist oder haben Sie da gewisse Marotten entwickelt?

Ich habe eigentlich keine Marotten. Ich möchte ein gutes Hotelzimmer haben, vor allem ein bequemes Bett ist wichtig. Wenn es geht, ein schmackhaftes Catering. So Kinderessen finde ich gut: Frikadellen mit brauner Soße und Kartoffelpüree, Königsberger Klopse, gutbürgerlich sollte es sein.

Und wenn Sie dann so allein auf Ihrem bequemen Hotelbett sitzen nach einer Portion Klopse: Kommen dann auch mal Zweifel auf?

Ich bin kein Zauderer und kein Zweifler. Meine Familie würde wohl höchstens sagen, dass ich ein Grantler bin.

Sie haben also auch mal schlechte Laune?

Also wenn der FC Bayern verliert, dann bin ich sauer. Als Fußballfan lässt das alles in mir hochkochen. Da halten meine Kinder dann lieber Abstand zu mir …

Roland Kaisers Tochter, Annalena Keiler, sitzt mit am Tisch. Sie blickt amüsiert auf und nimmt den Ausflug ihres Vaters ins Private nickend zur Kenntnis. Offenbar hat er mit seiner Darstellung ins Schwarze getroffen. Dicke Luft bei schlechten Bayernergebnissen, das scheint Annalena nicht neu zu sein ...

Ihre Tochter steht Ihnen inzwischen auch beratend zur Seite. Wie hätten Sie reagiert, wenn sie gesagt hätte, sie möchte jetzt Influencerin werden?

Das ist ihr Leben, das ist nicht mein Leben. Meine Tochter und meine Söhne können machen, was sie möchten. Sie haben alle Wege eingeschlagen, die mich stolz machen. Aber auch wenn sie sagen würden, sie fahren drei Jahre um die Welt, dann sollen sie das tun.

War das Ihr Erziehungsziel? Dass Sie Freund und Vater zugleich werden wollten?

Das ist das Schönste, was du erreichen kannst: Wenn dein Kind mal sagt, du seist sein bester Freund. Das geht über Vertrauen, über Augenhöhe und nicht über das falsche Bild, wenn der Vater nur Schatten wirft. Das will ich nicht.


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Man muss Dinge ändern. Sprache ändert sich, Betrachtungsweisen ändern sich.


Roland Kaiser


Man hätte Sie auch anders einschätzen können. Stichwort: alte Schule.

Nein, so bin ich nicht. Ich möchte auch im Alter lernfähig bleiben. Das ist doch das Spannende am Leben: Wenn man die Chance nutzt, aus der Neugier der Jugend und der Erfahrung der Alten eine wunderbare Mischung zu finden, die uns allen zugutekommt.

Dann erzählen Sie mal: Was hat Ihre Tochter Sie zuletzt gelehrt?

Die Sicht auf die Dinge. Viele in meinem Alter sagen, sie seien nicht mehr bereit, ihre Sprache zu ändern, ihre Ansichten. Das ist falsch. Man muss Dinge ändern. Sprache ändert sich, Betrachtungsweisen ändern sich.

Haben Sie in Sachen politischer Korrektheit dazulernen können und Begriffe ganz aus Ihrem Wortschatz gestrichen?

Weiter so wie immer ist selten gesund. Es ist immer besser, man denkt nach, was man tut. Ich habe mit meiner Generation vor mir auch Diskussionen geführt über Ansichten, über Mode, über Trends, über Musik. Es ist nicht klug, Dinge abzulehnen, nur weil sie neu sind.

Beim Gendern tobt ein regelrechter Glaubenskrieg um Deutungshoheit.

Ich bin ein Befürworter davon, dass jeder seine Freiheit hat. Es gibt in Köln einen Satz, der ist hunderte von Jahre alt und der lautet: "Jeder Jeck ist anders." Lassen wir die Menschen so, wie sie sind. Das würde mir reichen. Die, die gendern wollen, sollen das tun. Solange Menschen in ihrer Sprache andere nicht diskriminieren, ist alles in Ordnung. Ob sie jetzt sagen Arbeiter*innen oder Arbeiterinnen und Arbeiter ist mir völlig wurst.

Aber Sie gendern nicht.

Ich habe mein Leben lang gesagt "Damen und Herren" und "Schülerinnen und Schüler" und das werde ich auch so weitermachen. Das dauert länger, ist aber schöner. Ich finde, alles, was diskriminierend in der Sprache ist, müssen wir meiden. Aber wie ich jetzt Frauen und Männer oder sämtliche Geschlechter durch Sprache gleichstelle, kann ich mir selbst aussuchen.

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Es ist furchtbar zu erleben, dass manche Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken können, weil sie Angst haben, dass sie zusammengeschlagen werden. Das darf hier nicht passieren.


Roland Kaiser


Ist Ihre sehr versöhnliche Herangehensweise auch darin begründet, dass Sie so viele verschiedene Menschen ansprechen?

Wenn Sie meine Konzerte besuchen, stellen Sie fest, dass ich zwischen 20- und 80-Jährige im Publikum habe. Das verlangt einem viel ab und man muss versuchen, jeden zufriedenzustellen.

Läuft man da Gefahr, eine Art Konsenskünstler zu werden?

Nein, ich bin ein Unterhalter. Ich versuche, die Menschen auf möglichst hohem Niveau für zwei oder drei Stunden so zu unterhalten, dass sie nach Hause gehen und sagen, dass es ein schöner Abend war. Ich versuche, sie in einer guten Stimmung nach Hause zu lassen, ohne sie zu belehren oder zu bevormunden.

Aber sollten Künstler mit Ihrer Reichweite ihre Stimme nicht auch nutzen, um auf Missstände aufmerksam zu machen?

Das tue ich. Aber nicht, wenn ich Unterhaltung mache, sondern wenn ich Interviews gebe, wenn ich Reden halte, wenn ich im politischen oder im sozialen Bereich tätig bin. Dann habe ich eine Stimme, aber die singt dann nicht, sondern die spricht.

In Ihren Songs tun Sie das also bewusst nicht.

Ich habe ein paar Songs, die Themen dieser Art berühren. Aber ich frage mich immer, ob es möglich ist, in drei Minuten Musik Lösungsangebote zu finden, wofür andere Menschen Wochen und Jahre brauchen. Ich glaube, das ist schwierig.

Sie sind also beides: Unterhaltungskünstler und eine Stimme im gesellschaftlichen Diskurs. Ein schwieriger Spagat?

Nein, das ist kein Widerspruch. Die Amerikaner haben Schauspieler, die sich klar positionieren, in den Wahlkampf eintreten, für einen Präsidentschaftskandidaten werben. Das finde ich völlig legitim und auch richtig. Wenn man von Dingen überzeugt ist, sollte man diese auch öffentlich vertreten.

Welche sind das bei Ihnen: Was bereitet Ihnen am meisten Unbehagen im Moment in Deutschland?

Der Antisemitismus. Es macht mich traurig und wütend zugleich, dass dieser so präsent ist und nicht zu verschwinden scheint. Die Generation meiner Eltern hat zugelassen, dass in diesem Land sechs Millionen Menschen grausam umgebracht wurden, weil sie jüdischen Glaubens sind, und ich finde es beschämend für unser Land, dass dieses Gedankengut hier wieder aufflammt.

Haben Sie diesen Judenhass überhaupt schon einmal in dieser Drastik erlebt?

So stark wie im Moment? Nein. Unterschwellig war der Hass wahrscheinlich immer vorhanden, aber jetzt scheint er immer stärker zu werden, nicht nur in Deutschland. Aber gerade wir haben durch unsere Historie eine besondere Verantwortung. Es ist furchtbar zu erleben, dass manche Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken können, weil sie Angst haben, dass sie zusammengeschlagen werden. Das darf hier nicht passieren.

Dass wieder Judensterne auf Türen gemalt werden.

Dass Synagogen von Polizeiketten bewacht werden müssen. Das ist ein Armutszeugnis für unser Land.


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Die schweigende Mehrheit muss lauter werden als die laute Minderheit.


Roland Kaiser


Was muss dagegen getan werden?

Die schweigende Mehrheit muss lauter werden als die laute Minderheit. Das war in Dresden auch schon mal so bei der Pegida, dass eine laute Minderheit die schweigende Mehrheit dominiert in der öffentlichen Wahrnehmung.

Apropos Dresden: Da brodelte es schon einmal in Ihnen und Sie erhoben Ihre Stimme.

Das habe ich getan, ja. Ich habe an einer Kundgebung vor der Frauenkirche teilgenommen. Wir hatten 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ich habe eine Rede gehalten, keine Lieder gesungen. Ich habe meinen Standpunkt klargemacht für mehr Toleranz und Weltoffenheit.

Sich immer treu bleiben, das klingt auch konservativ.

Das ist Quatsch. Etwas Konservatives hat jeder Mensch in seinem Leben. Aber ich habe mich niemals vor neuen Entwicklungen verschlossen. Man muss nur gucken, inwieweit das zu einem passt, ohne sich selbst zu verleugnen.

Können Sie eigentlich auch über sich selbst lachen?

Ich kann ganz herzhaft über mich selbst lachen, das ist das Wichtigste überhaupt im Leben.

Wann zum Beispiel?

Zeigen Sie mir alte Videos von mir und ich lache. Wer nicht über sich lachen kann, ist ein armer Tor.

Was müsste passieren, damit Sie sagen, jetzt ist Schluss?

Das liegt an meiner eigenen Leistungsfähigkeit. Wenn das auf der Bühne, was ich mache, nicht mehr würdevoll passiert, verabschiede ich mich lieber selbst, bevor mir andere zuvorkommen.

Haben Sie sich da ein bestimmtes Ziel gesetzt, eine Altersgrenze?

Nein, das ist eine Frage der eigenen Fitness. Künstler haben es sicherlich schwer, sie wollen nicht auf den Ruhm, den Applaus verzichten, abtreten und plötzlich in ein Loch fallen. Auch ich hänge an dem, was ich tue. Einem selbst fehlt die nötige Distanz, um zu erkennen, wann die Zeit reif ist. Aber wenn man eine Familie hinter sich hat, die einen liebt, wird man schon gesagt bekommen, wann es Zeit ist.

Sie würden also auf Ihre Familie hören?

Ich würde auf sie hören, definitiv. Weil ich selbst diese Selbstkritik nicht hätte. Das traue ich ihnen mehr zu als mir.

Ist diese Erkenntnis in Ihnen gereift, weil Sie Kollegen beobachtet haben, bei denen Sie dachten: "Die Zeit ist reif."

Wie gesagt, die Gefahr gibt es. Die Gefahr, dass man die Dauer seiner Karriere übertreibt.

Und wie soll Ihr Abschied aussehen?

So leise wie möglich.

Ein bestimmter Song, der dabei laufen soll?

Nein. "Schönen Abend noch und Wiedersehen."

Herr Kaiser, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Roland Kaiser
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