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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Bergdoktor"-Star Hans Sigl "Es ist grauenvoll und belastend"
Es sei ein Punkt erreicht, an dem wir wirklich aufpassen müssten, sagt Hans Sigl zu t-online. Mit großer Sorge blickt er auf den Aufstieg des Rechtspopulismus.
Bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen konnte die AfD im Oktober hohe Stimmenzuwächse verbuchen, in Pirna stellt die Partei nun erstmals einen Oberbürgermeister in Deutschland. Rechtspopulistische Parteien und rechtsextreme Gruppen haben in Deutschland an Einfluss gewonnen. Unter anderem das treibt "Bergdoktor"-Star Hans Sigl um, wie er t-online im Interview erzählt.
t-online: Wie blicken Sie auf das vergangene Jahr zurück?
Hans Sigl: Persönlich hatte ich ein erfülltes und wundervolles Jahr. Aber das kann man heutzutage eigentlich nicht mehr getrennt vom Weltgeschehen betrachten. Das ist dann die andere Seite: der Krieg in der Ukraine oder die hässliche Fratze des Antisemitismus. Das hat meine Stimmung doch sehr gedrückt.
Im Oktober legte die AfD bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu. In den Niederlanden wurde die Partei des Rechtspopulisten Wilders im November stärkste Kraft. Macht Ihnen der zunehmende Rechtsruck in Europa Angst?
Wenn man genau hinschaut, erkennt man: Das Erstarken der neuen Rechten war schon lange kein Geheimnis mehr. Aber die jüngsten Entwicklungen sind sehr erschreckend. Was mir Angst macht, ist diese Salonfähigkeit, die plötzlich aufzutreten scheint. Es ist perfide, dass sich die rechten Parteien als gemäßigt geben und mit ihren Themen in der Mitte der Gesellschaft ankommen. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem wir alle wirklich aufpassen müssen. Es wird vor allem gefährlich, wenn Menschen, die sich weniger informieren, das Parteiprogramm beispielsweise der AfD nicht kennen und sich stattdessen auf Facebook-Einträge von irgendwem verlassen. Dann entstehen Halbwahrheiten und darauf basieren dann solche Wahlergebnisse wie jüngst in den Niederlanden. Dramatisch ist, wenn man dann sagt: Ganz ehrlich, so schlimm ist das gar nicht.
Leider ist die Gesellschaft auf diesem Ohr – wenn nicht sogar auf beiden Ohren – taub. Wir hatten all das schon mal.
Hans Sigl
Was kann man dagegen tun?
Man darf nicht aufhören, sich dagegen aufzustellen und scharf und wachsam zu bleiben. Das ist ein schleichender Prozess. Leider ist die Gesellschaft auf diesem Ohr – wenn nicht sogar auf beiden Ohren – taub. Wir hatten all das schon mal. Auch die Haltung: So schlimm ist das gar nicht. Wenn Sie Holocaust-Überlebende anhören, dann werden Sie genau das hören.
Wie blicken Sie als Vater auf diese Entwicklung? Ihre Kinder werden in solch einer Welt nun groß.
Wir reden zu Hause sehr viel darüber. Je mehr man mit der Familie, Freunden und Bekannten über den aufkommenden Antisemitismus spricht, desto besser. Man muss Bewusstsein schaffen, wo man nur kann. Das ist das Gebot der Stunde. Ich habe jüdische Freunde und erlebe es dadurch auch noch mal aus einer anderen Perspektive. Es ist grauenvoll und belastend, dass wir wieder in einer Zeit angelangt sind, in der Menschen nicht mehr frei leben können.
Erleben Sie manchmal eine Nachrichtenmüdigkeit, weil die News zu bedrückend sind?
Eine Müdigkeit erlebe ich persönlich nicht, aber ich konsumiere Nachrichten sehr bewusst. Man sollte sich gezielt informieren und einen dauerhaften Konsum von Nachrichten vermeiden. Man sollte aufpassen, nicht 24 Stunden am Tag empfänglich dafür zu sein. Das bedeutet nicht, dass man empathielos oder ignorant ist. Man muss sich einfach schützen.
Wie holen Sie sich Kraft für den Alltag?
Grundsätzlich ist jeder Spaziergang ein Gewinn, weil es entschleunigt. Lustigerweise hat mir eine Regisseurin gerade genau dieselbe Frage gestellt. Da habe ich ihr geantwortet, dass ich Kraft aus einem tiefen Gefühl der Dankbarkeit und Demut hole. Ich bin so dankbar dafür, dass ich beruflich das tun kann, was mir Freude macht. Meine Schauspielerei, Moderationen und Lesungen motivieren mich jeden Tag.
Wenn kleine rote Autos links blinken und rechts abbiegen, bin ich früher steil gegangen. Mittlerweile bin ich 54 Jahre alt und würde die kleinen roten Autos umarmen.
Hans Sigl
Sind Sie immer so demütig?
Ich wache jeden Tag auf und denke mir: Wie geil. Man sollte jeden Morgen dankbar dafür sein, dass man überhaupt aufgewacht ist. Natürlich gibt es auch mal Tage, an denen ich freihabe und mich frage, wie ich die Zeit nutzen soll. Aber dann weiß ich: Bevor ich mir diese Frage weiter stelle, genieße ich einfach meine Freizeit, trinke Tee, lese Zeitung und mache einen Spaziergang. Das große Geheimnis ist, im Hier und Jetzt zu sein.
In welchen Situationen sind Sie heute entspannter als früher?
Wenn kleine rote Autos links blinken und rechts abbiegen, bin ich früher steil gegangen. Mittlerweile bin ich 54 Jahre alt und würde die kleinen roten Autos umarmen und sagen: "Ich weiß, es ist nicht einfach, auch für dich nicht." Diese kleinen roten Autos stehen sinnbildlich für unerklärbare Ragen, in die man im Alltag manchmal versetzt wird. Ich bin weit weg davon, guruhafte Aussagen machen zu können oder jemanden missionieren zu wollen. Aber ich habe mir abgewöhnt, mich zu schnell aufzuregen, und habe mehr Gelassenheit kultiviert.
Was sagen Sie zur Kritik, dass in vielen Fernsehshows, auch bei "Die große Silvester Show", nicht live gesungen wird? Gehen Sie damit auch gelassen um?
Es ist normal, dass in Fernsehshows ganz wenige Künstler live singen. Wenn man wie wir einen musikalischen Abend mit vielen Künstlern bestreitet, wäre ein technischer Umbau für Live-Auftritte mitunter gar nicht zu stemmen.
Worauf freuen Sie sich im kommenden Jahr?
Ich freue mich, dass 2024 wieder eine gerade Jahreszahl ist. Da bin ich ein wenig abergläubisch. Ungerade Lebensjahre waren zum Beispiel auch immer unangenehm für mich. Aktuell 54 Jahre alt zu sein, ist super. 55 Jahre alt zu werden, gefällt mir nicht, weil es eine ungerade Zahl ist. Aber Spaß beiseite: Ich freue mich, wenn wir 2024 in Deutschland weiter in Frieden leben dürfen. Und ich möchte hoffen, dass es sich in den Krisenregionen dieser Welt ähnlich gestaltet.
- Telefonisches Interview mit Hans Sigl
- Eigene Recherche