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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Erinnerung an Loriot "Die Widmung dazu war ein großer Fehler"
Vicco von Bülow wäre an diesem Sonntag 100 Jahre alt geworden. Bei t-online widmet Weggefährte Otto Waalkes dem Jahrhundertkünstler emotionale Worte.
Eine Loriot-Würdigung von Otto Waalkes
Wir hatten ja wenig zu lachen. Die Nachkriegsgeneration in Deutschland, zu der ich gehöre, kannte zunächst nur Heinz Erhardt, der die "Bunten Abende" im Radio bis in die Sechzigerjahre mit seinen schelmisch vorgetragenen Versen belebte. Dann kam Loriot.
Fortan war er der komische Lichtblick im deutschen Fernsehen, Everybody's Darling, einer für alle. Warum war das so selbstverständlich? War es sein angeblich so feiner englischer Humor? Kann eigentlich nicht sein, denn der englische Humor – von Freddy Frinton über Monty Python bis Ricky Gervais – ist gar nicht so fein, wie oft und gern behauptet wird. Und so vornehm waren schon Loriots Knollenmännchen nicht. Sie benahmen sich permanent daneben. Genau wie ihr Schöpfer, wenn er aus der Rolle fällt, Wohnzimmer verwüstet oder unter Alkoholeinfluss auch mal schlüpfrig wird.
Wer sich daran erinnert, wird wohl bezweifeln, dass Loriots Komik so piekfein ist, wie Vicco von Bülows mokant hochgezogene rechte Augenbraue vermuten lässt.
Loriots Komik war deutsch, aber eben nicht treudeutsch. Sie basiert auf seiner Beobachtung der deutschen Nachkriegsgesellschaft, ihren Sitten und Gebrechen. Quelle seiner Komik waren Missverständnisse und Missverhältnisse und die unabsehbare Kette von Peinlichkeiten, die sich daraus ergeben konnte. Die Sprache selbst war sein bevorzugtes Material, in ihrer ganzen Bandbreite zwischen den mehrdeutigen Leerformeln unserer Volksvertreter bis zur besessenen Übergenauigkeit des sachkundigen Fachverkäufers.
Mit diesen Opfern konnte sich jeder identifizieren.
Otto Waalkes
Mit den Opfern dieser beinah unvermeidlichen Kommunikationszusammenbrüche, die er stets selbst darstellte – mal als der hilflose, gehemmte Einfaltspinsel, mal als sinnlos kämpfender Don Quijote oder hoffnungsloser Romeo – konnte sich jeder identifizieren. Das Lachen über ihn, hat Loriot selbst einmal gesagt, sei ein "Lachen des Wiedererkennens".
Was davon bleibt? So gut wie alles, weil fast alles gut war.
Zu einem runden Geburtstag habe ich es einmal gewagt, Loriot einen von mir handbemalten Porzellanteller zu schenken. Die Zeichnung wurde beifällig aufgenommen, doch die Widmung dazu war ein großer Fehler: Ich hatte Vicco mit nur einem c geschrieben. Seitdem nannte er mich "Oto".
Ja, bei der Komik musste jedes Detail stimmen, da kannte Loriot kein Pardon. Während ich es nicht so genau nehme, bei mir musste immer alles schnell gehen. Er war im Schritt-für-Schritt-Tempo unterwegs, ich im Schweinsgalopp. Ein Stand-up-Comedian war der Darsteller Loriot nie, Soli lieferte er allenfalls in seinen Parodien auf zeitgenössische Prominenz.
Direkte Konkurrenten waren wir nie
Loriot arbeitete mit perfekten Masken und augentäuschenden Verkleidungen. Ich setzte mir einfach eine andere Mütze oder eine Brille auf – und weiter ging's. Bei ihm wurde jede Szene exakt bis zum schlimmstmöglichen Ende durchgespielt, ich beschränkte mich manchmal auf bloße Ankündigungen, die ich selten erfüllte.
Musik liebten wir beide: Er den Ring des Nibelungen – ich stand mehr auf Ringo Starr. Direkte Konkurrenten waren wir also nie. Vielleicht war das die Basis unserer Freundschaft.
- Eigene Beobachtungen