Verstorbener Hans Meiser Wie konnte das nur passieren?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hans Meiser ist tot. Der Moderator erlebte einen rasanten Aufstieg zur TV-Berühmtheit – und landete schließlich umso schmerzhafter in schmuddeligen Verschwörungsecken.
Ein Nachruf von Steven Sowa
Erfolgskarrieren beginnen manchmal unter sonderbaren Umständen. Bei Hans Meiser hatte dies Anfang der Neunzigerjahre mit einem Angebot von Sat.1 zu tun. Der Sender lockte den damaligen RTL-Nachrichtensprecher mit viel Geld. Meiser hätte sich seinen TV-Wechsel vergolden lassen können, mehr als das Doppelte hätte er angeblich verdient, doch er widerstand dem Ruf des Geldes. Hans Meiser blieb bei RTL – und wurde dort in insgesamt 26 Jahren zu einem der bekanntesten Fernsehgesichter des Landes.
- Hans Meiser ist tot: Das war sein letzter Auftritt
Jetzt ist Hans Meiser tot. Mit 77 Jahren starb er vergangene Woche an Herzversagen. Wie t-online aus seinem Umfeld erfuhr, wurde er erst kürzlich operiert. Seine Familie und Freunde traf der Tod dennoch völlig unvorbereitet. Meiser arbeitete noch aktiv an neuen Projekten, wollte unter anderem sein Comeback im Radio feiern. In Erinnerung bleiben wird der Mann mit dem ewig weißen Haar und dem unverwechselbaren Bariton vor allem als TV-Legende und als ein Pionier seiner Zeit.
"Hans Meiser" begründete den Daily Talk in Deutschland
Denn kaum ein anderer prägte die Fernsehlandschaft Anfang der Neunziger so wie Hans Meiser. Nachdem er das Angebot von Sat.1 ausgeschlagen hatte, gewährte RTL ihm Narrenfreiheit – und er nutzte sie für ein Wagnis. Am 14. September 1992 ging er damit auf Sendung: Die nach ihm benannte Talkshow "Hans Meiser" war geboren. Nur er als Moderator, Studiopublikum und von Montag bis Freitag Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die über Alltagsthemen sprachen. Ein Konzept mit Erfolg.
So ging das 1.700 Folgen lang, von 1992 bis 2001. Was heute trivial klingen mag, kam damals einer TV-Revolution gleich. Solch ein Format gab es zuvor nicht, ein Boom folgte. Überall im Nachmittagsprogramm wimmelte es plötzlich von Talkshows. Meiser war der Erfinder, gewann 1993 unter anderem die Goldene Kamera und den Bambi. Arabella Kiesbauer, Andreas Türck, Bärbel Schäfer und viele weitere Moderatorinnen und Moderatoren legten mit eigenen Talkshows nach.
"Abgeschossen wie eine Wildsau in der Morgensonne"
Der Daily Talk beherrschte das lineare Fernsehen fast ein Jahrzehnt. Diskutierten vorher vor allem Promi-Runden das Weltgeschehen, waren es nun Durchschnittsbürger, die ihre privatesten Geschichten ausbreiteten. Doch so schnell, wie es mit dem Aufstieg des Genres ging, so rasant fiel es auch in Ungnade. Der Abstieg kam um die Jahrtausendwende. Nicht nur "Hans Meiser", auch fast alle anderen Talkshow-Ableger wurden eingestellt.
Hans Meiser sollte sich noch eine ganze Weile im Fernsehen halten. Seine Karriere endete mit dem Platzen der Talkshow-Blase nicht so abrupt wie die manch anderer Kollegen. Vor allem mit seiner Reality-Show-Serie "Notruf" ging es noch ein Weilchen, bis 2006. Doch mit Sendungen wie "Life! Dumm gelaufen", dem Quiz "Einundzwanzig" oder späteren Auftritten in der Böhmermann-Show "Neo Magazin Royale" gelang ihm nie wieder ein bahnbrechender Erfolg. Schon zeit seines Lebens wurde er zu einer "TV-Legende" – einer dieser Begriffe, die meist den Granden des Fernsehens zugeschrieben werden, die ihre größten Triumphe schon hinter sich haben.
Es folgten die Schattenseiten. Im Jahr 2010 setzte RTL ihn ohne Vorwarnung vor die Tür. Hans Meisers Abrechnung mit seinem einstigen Haus-und-Hof-Sender hatte es in sich. "Abgeschossen wie eine Wildsau in der Morgensonne" habe man ihn. Als t-online ihn in einem Interview auf seinen alten Arbeitgeber ansprach, platzte es aus Meiser heraus: "Ich möchte mit denen nichts mehr am Hut haben", wetterte er.
Auch das war Meiser: sein Temperament, seine geradlinige Art, nie ein Blatt vor dem Mund, immer ein Spruch auf Lager. Eine Seite an ihm, die ihn für Jan Böhmermann im Jahr 2015 so attraktiv machte. Hans Meiser wurde zu einer Inkarnation des Wutbürgers. Als "Der kleine Mann" schimpfte er über die "versiffte Systempresse" und "Muselmänner", feierte die AfD und sehnte sich nach einem "charismatischen Führer". Alles unter dem Deckmantel der Satire im ZDF – bis es dann zum großen Knall kam und der Frage, ob "Der kleine Mann" von Meiser nicht doch authentischer ist als gedacht.
Hans Meiser und "Der kleine Mann": doch keine Satire?
Denn Meiser arbeitete für das rechtspopulistische Verschwörungsmagazin watergate.tv. "Mein Name ist Hans Meiser und das ist Watergate.tv – die Jagd nach der Wahrheit", warb er dort seit 2016 vor unseriösen und höchst tendenziösen Beiträgen. Mal wurde über "Deutschlands baldigen Untergang" orakelt, mal wurden Machenschaften einer angeblichen "Weißkittelmafia" aufgedeckt, die aktiv die Krebsheilung verhindere. Oder Hans Meiser raunte in die Kamera, dass "Geheimpläne der USA" existieren, um uns mit Genfood "zu Versuchskaninchen" zu machen.
Mit Journalismus, den Meiser 1971 als Nachrichtenredakteur bei Radio Luxemburg lernte, hatte dies nichts mehr zu tun. Meiser driftete auf erschreckende Weise in dunkle Ecken des Verschwörungsmilieus ab und das ZDF zog die Reißleine. "Sobald Hans Meiser herausgefunden hat, wer wirklich hinter dem 11. September steckt, ob die Erde hohl ist und die Amerikaner tatsächlich auf dem Mond gelandet sind oder wenn Michael Mittermeier, der Bürgermeister von Mannheim und Xavier Naidoo öffentlich ein gutes Wort für ihn einlegen, darf er gerne wiederkommen", witzelte die Redaktion von Böhmermann damals über den Rauswurf.
Für Meiser war dies der Tiefpunkt seiner Karriere und das, obwohl er auch später wieder mit gefährlichen Inhalten auffiel. Der Moderator machte Werbung für dubiose Finanzprodukte, trat als Influencer für eine "Millionärsbibel" vom GeVestor Verlag auf, der Börsennachrichten mit höchst umstrittenen Aktientipps publizierte.
Doch da galt Hans Meiser schon längst als abgedriftet, hatte sein Image mit fragwürdigen Inhalten aufs Spiel gesetzt. Sechs Jahre ist das inzwischen her. In der Zwischenzeit war es ruhig geworden um den einst gefeierten "Vater der täglichen Talkshows". Sein Comeback als Radiomoderator hätte ihm womöglich wieder auf die Beine geholfen. Doch daraus wurde nichts mehr – und so schwebt über der schillernden Karriere einer "TV-Legende" der Makel falscher Entscheidungen. Hätte sich Hans Meiser in seinen späteren Jahren so entschieden wie Anfang der Neunziger, als er dem Ruf des Geldes widerstand, wären ihm wohl einige Negativschlagzeilen erspart geblieben ...
- Eigene Recherchen