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Riccardo Simonetti: "Die innere Homophobie wird heute viel öfter getriggert"


Interview
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Riccardo Simonetti
"Das ist emotional belastend"

InterviewVon Maria Bode

06.09.2023Lesedauer: 5 Min.
Riccardo Simonetti: Er moderiert die Show "Glow up".Vergrößern des Bildes
Riccardo Simonetti: Er moderiert die Show "Glow up". (Quelle: ZDF/Ariel Oscar Greith)
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Moderator, Autor, Aktivist. Riccardo Simonetti will die LGBTQI*-Community sichtbarer machen. Was ihm dabei im Weg steht, erklärt er im Interview mit t-online.

Wo Riccardo Simonetti auftritt, schillert und glitzert es für gewöhnlich. Seine Fans lieben den 30-Jährigen aber nicht nur für seinen auffälligen Style, sondern auch für sein Engagement. Auf seinem Instagram-Profil zeigt sich der Wahlberliner, der im oberbayerischen Bad Reichenhall aufgewachsen ist, beispielsweise innig mit seinem Freund. Vor allem aber macht er auf Diskriminierung jeglicher Art aufmerksam.

Simonetti zeigt auf, was seiner Ansicht nach in der Gesellschaft schiefläuft und möchte bei Menschen ein Bewusstsein für Themen schaffen, vor denen sie oft die Augen verschließen. Der Entertainer freut sich, dass ihm dafür auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen eine Plattform gibt.

t-online: Was bedeutet Ihnen persönlich Make-up?

Riccardo Simonetti: Durch Make-up kann ich mich ausdrücken, bevor ich den Mund aufmachen muss. Ein Mann, der lange Haare hat, geschminkt ist und unkonventionelle Outfits trägt, ist ein Statement in der heutigen Zeit. Obwohl Männer in der Geschichte schon immer Make-up getragen haben und lange Haare hatten. Wenn man sich alte Gemälde anguckt, wird klar, dass unsere Zeit dadurch heraussticht, dass es als befremdlich angesehen wird, wenn ein Mann sich schminkt. Jedes Mal, wenn ich Make-up in der Öffentlichkeit trage, entscheide ich mich für mich und nicht für das Bild, das die Gesellschaft gerne von mir hätte. Deswegen: Make-up ist für mich auch Selbstliebe.

Wie erklären Sie es sich, dass Teile der Gesellschaft einen Mann mit Make-up als befremdlich wahrnehmen?

Bis vor wenigen Jahren konnte man Medien konsumieren und hat kaum queere Personen über queere Sachen sprechen hören. Natürlich gab es auch in den Neunzigern tolle queere Persönlichkeiten vor der Kamera. Aber die haben eben nicht um 20.15 Uhr queere Themen ansprechen können. Dadurch wurden homophobe Menschen früher gar nicht so oft getriggert. Das ist heute anders. Die innere Homophobie wird viel öfter getriggert, weil man an jeder Ecke mit queeren Themen konfrontiert wird, weil sie viel sichtbarer sind. Es gibt Plakate von gleichgeschlechtlichen Paaren, Handlungsstränge in Serien und Filmen mit mehr Tiefe. Es sprechen einfach mehr Menschen im Fernsehen aktiv über solche Themen.

So wie Sie, die Jury und die Kandidatinnen und Kandidaten in der ZDFneo-Show "Glow up". Davon gibt es jetzt eine zweite Staffel. Warum braucht es diese Ihrer Ansicht nach?

Das Thema Make-up ist sehr stigmatisiert. Viele denken, nur eitle, oberflächliche Menschen tragen Make-up. Durch "Glow up" werden die Beweggründe und Geschichten von Menschen, die Make-up tragen, erzählt. Für viele ist es ein Befreiungsschlag, sich mit dem Thema zu beschäftigen, der erste Zugang zu künstlerischen Arbeiten. Es ist wichtig, dass unsere Gesellschaft lernt, Menschen nicht sofort zu bewerten und zu verurteilen, sondern erst mal versucht, sich in deren Lage zu versetzen. Dafür ist "Glow up" super.

Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass es eine zweite Staffel geben wird?

Ich war dankbar, dass das ZDF sich dazu entschlossen hat. Grundsätzlich wird Sendungen, die solche Themen beinhalten, oft keine Chance gegeben, im Fernsehen zu wachsen. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat man solche Sendungen noch nicht so oft gesehen, da muss die Zuschauerschaft noch erschlossen werden. Dadurch, dass wir in die zweite Staffel gehen, sehen die Leute, dass Queerness und Diversität kein Trend sind, der schnell vorbeigeht. Solche Shows beweisen das Gegenteil: Medienmachende verstehen, dass ein gesellschaftlicher Umschwung und ein hoffentlich generationenübergreifendes Umdenken stattfinden.


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Wir leben immer noch in einer Zeit, in der "schwule Sau" ein alltägliches Schimpfwort auf dem Schulhof ist.


Riccardo Simonetti zu t-online


Sie haben Homophobie angesprochen und Menschen, die von LGBTQ*-Sichtbarkeit als einem vorübergehenden Trend sprechen. Wie begegnen Sie solchen Personen?

Ich versuche, faktenbasiert mit solchen Menschen zu sprechen und ihnen zu zeigen, welche Konsequenzen ihre Handlungen nach sich ziehen. Niemand möchte ein schlechter Mensch sein. Auch ein homophober Mensch denkt, er tue der Gesellschaft mit seinen Ansichten und Taten einen Gefallen. Wenn ein homophober Mensch sagt, er wolle Kinder schützen, frage ich mich, ob er das wirklich will oder ob er die Kinder in eine Form zwängen will, die den gesellschaftlichen Normen entspricht. Wenn man Kinder schützen möchte, dann auch queere Kinder oder Kinder aus queeren Familien. All diese Kinder profitieren davon, wenn mit allen früh über solche Themen gesprochen wird und sie dafür sensibilisiert werden, dass queere Familien etwas ganz Normales sind. Wir leben immer noch in einer Zeit, in der "schwule Sau" ein alltägliches Schimpfwort auf dem Schulhof ist. Wenn ein Kind früh genug lernt, was das bedeutet, versteht es auch, dass es sich etwas anderes einfallen lassen muss.

Sie haben mehrere Bücher geschrieben und eine gemeinnützige Organisation, die für mehr Sichtbarkeit der queeren Community sorgen möchte. Inwiefern merken Sie, dass Ihr Einsatz Früchte trägt?

Ich bekomme oft Nachrichten von Menschen, die meine Bücher lesen, sie in Schulen oder Universitäten thematisieren. Ich weiß nicht, ob der Aktivismus, den ich betreibe, homophobe Menschen auf die richtige Seite zieht, aber ich weiß, dass er Menschen helfen kann, schneller den Mut zu finden, den eigenen Weg zu gehen. Das Feedback, das ich von den Menschen bekomme, ist zutiefst berührend. Das ist meine Motivation weiterzumachen, mich den Hürden zu stellen. Denn ich weiß, davon wird jemand profitieren.

Podcast, Instagram, TV-Shows … Sie haben immer viele Projekte am Laufen. Wie schaffen Sie es, die Arbeit auch mal hinter sich zu lassen?

Manchmal schaffe ich das nicht. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich habe das komplett unter Kontrolle. Ich nehme viel mit in mein Privatleben und finde es schwierig, damit umzugehen, was für einen Quatsch Menschen jeden Tag über mich schreiben. Das ist emotional belastend und das möchte ich auch nicht verstecken. An manchen Tagen klappt es aber auch gut. Ich habe ein wunderbares Zuhause auf Mallorca, wo ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen. Das ist der Ort, der mir Ruhe gibt.

Nehmen Sie sich auch Social-Media-Auszeiten? Über diese Kanäle erhalten Sie wahrscheinlich besonders viele negative Kommentare.

Nein, ich nehme mir keine Social-Media-Auszeiten. Aber es gibt Phasen, in denen ich etwas hochlade und mir die Kommentare nicht angucke, weil ich weiß, wie die Reaktionen aussehen werden. Denn meine Beiträge werden oft in rechten Foren geteilt, wo Menschen dazu aufgefordert werden, zu hassen. Um den Eindruck zu suggerieren, der Großteil der Gesellschaft denke so wie sie. Wenn das passiert, vermeide ich es, die Kommentare zu lesen. Das versuche ich komplett auszublenden.

Die zweite Staffel von "Glow up – Deutschlands nächster Make-up-Star" startet am 7. September 2023. Die Folgen sind wöchentlich donnerstags um 10 Uhr in der ZDF-Mediathek abrufbar und laufen wöchentlich donnerstags um 20.15 Uhr bei ZDFneo.

Verwendete Quellen
  • Zoom-Gespräch mit Riccardo Simonetti
  • instagram.com: Profil von riccardosimonetti
  • instagram.com: Profil von riccardo_simonetti_initiative
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