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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prinzessin Kate und das Königshaus "Es ist ein bedrohliches Vakuum erwachsen"
Die Fotoaffäre von Kate ist keine Kleinigkeit, urteilt Thomas Kielinger bei t-online. Er erklärt, was das mit der Verfassung zu tun hat – und warum William Mitschuld trägt.
Seit Monaten herrscht ein Informationsvakuum in Großbritannien. Die Ehefrau des Thronfolgers erholt sich noch bis Ostern von einer Operation. Worunter die 42-jährige Kate leidet, welcher Behandlung sie sich unterziehen musste – und warum das Monate dauert: völlig unklar. In diese angespannte Lage hinein postete die Prinzessin ein Foto, das sie zuvor retuschiert hatte – und löste damit einen Eklat aus.
Wie kann das passieren? Hat das britische Königshaus ein Führungsproblem? Der Adelsexperte Thomas Kielinger zieht eine Woche nach der Foto-Affäre Bilanz.
t-online: Herr Kielinger, was sagt uns diese Foto-Affäre über den Zustand des Palasts?
Thomas Kielinger: Leider sagt sie uns noch nichts Endgültiges, weil wir die wichtige Frage nicht beantwortet kriegen: Woran leidet die Prinzessin? Was sind die Gründe für ihr Untertauchen? Warum meidet sie so lange die Öffentlichkeit? In dieser Phase, wo wir von ihr gar nichts hören und wissen, kommt sie plötzlich mit einem strahlenden Familienbild – und möchte damit den Eindruck einer Mutter von drei Kindern vermitteln, der es gut geht, die alles im Griff hat. Aber das Rätsel um ihre Gesundheit thront über allem – es überschattet auch das sonnigste Heile-Welt-Foto.
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Es wäre also von vornherein besser gewesen, es gar nicht erst zu veröffentlichen, weil es keinen informativen Mehrwert bietet?
Es ist nutzlos, ein solches Foto zirkulieren zu lassen, weil wir nicht wissen, ob es der Wahrheit entspricht oder eben nur die Wahrheit verhüllt werden soll. Diese Frage ist nicht gelöst worden und so geht das muntere, für das Königshaus aber fatale Rätselraten weiter.
Das klingt ein bisschen so, als würden Sie die Problematik schon früher verorten. Im Prinzip im Januar. Dort gab der Palast bekannt, dass sich die Prinzessin einer OP am Unterleib unterziehen muss. Weitere spezifische Anmerkungen gab es nicht. Ein Fehler?
Ja, vor allem deshalb, weil auch ihr König erkrankt war und der Palast völlig offen und völlig detailliert bekannt machte, dass er an der Prostata erkrankt ist. Dazu blieben keine Fragen offen. In derselben Zeit wurde aus dem Zustand Kates ein Mysterium, weil die Informationen an einer entscheidenden Stelle abbrachen.
Ihr Mann ist der Thronfolger und als Gattin des Thronfolgers ist sie nicht irgendwer, ihre Zukunft ist die des Königreichs.
Thomas Kielinger
Aber hat die Prinzessin von Wales nicht auch einen Anspruch auf Privatsphäre?
Sie ist die Frau des zukünftigen Königs. Ihr Mann ist der Thronfolger und als Gattin des Thronfolgers ist sie nicht irgendwer, ihre Zukunft ist die des Königreichs. Und dieser Kontrast zwischen der vollkommen offenen Information über den jetzigen König und der verschlüsselten Information, die nichts preisgab, befeuert das Informationsbedürfnis des Volkes.
Wobei auch Charles eine Information privat hielt. Er sagte im Januar, er müsse sich einer OP an der Prostata unterziehen, hat danach aber nicht öffentlich gemacht, unter welcher Krebserkrankung er leidet.
Aber er hat gesagt, dass er Krebs hat. Das ist eine große Sache. Und im Unterschied zu Kate zeigt er sich bei öffentlichen Terminen. Er macht auch kein Versteckspiel aus seinen Besuchen in London, wenn er dort zur Krebsbehandlung geht. Das Informationsvakuum ist bei Kate ein viel größeres – und es ist eines, das Fragen aufwirft.
Sie sind offenbar kein Befürworter der These, dass es zwar ein berechtigtes öffentliches Interesse an den Royals geben darf, diese aber auch ein Anrecht auf Privatsphäre haben. Denn so könnte man sagen: Es ist richtig, dass Kate bekannt macht, sich einer Operation zu unterziehen. Aber sie hat nicht die Pflicht, weiter ins Detail zu gehen.
Nein, die Pflicht hat sie nicht. Aber es versteht sich sozusagen in der Tradition des Königshauses, dass Personen in der unmittelbaren Thronfolge durchaus kommunizieren, wie es ihnen geht. Denn die Öffentlichkeit hat ein generelles Interesse an der Monarchie und den Mitgliedern derselben. Und es ist eine öffentliche, mit sehr vielen Geldern alimentierte Institution. Die Monarchie ist Teil der Öffentlichkeit, sie wird von ihr getragen als ein Werk der Verfassung. Eine Monarchie, die sich versteckt, existiert nicht, sie verliert ihre Daseinsberechtigung.
Das klingt dann wiederum doch sehr nach Pflicht zur Offenheit.
Das sind heikle Fragen auf einer schmalen Grenze zwischen Diskretion, die einer Privatperson zusteht, und Verschwiegenheit, die die Öffentlichkeit vor den Kopf stößt. Dazwischen muss man eine Lösung finden, und das hat der Palast nicht.
Wir sprechen von einer riesigen Institution mit sehr viel Erfahrung in Sachen Öffentlichkeitsarbeit. Und dennoch ist die Informationspolitik bei Kate so außer Kontrolle geraten?
Das Problem ist hausgemacht. Es ist die Folge dieser diffusen Verschlossenheit. Offenbar spielt sich das alles zu einem sehr unglücklichen Zeitpunkt ab. Seit Charles' Palastübernahme gibt es Probleme bei der Nachfolge einiger Posten, personelle Engpässe. Überall werden gute Leute gesucht, Inserate werden veröffentlicht. Man sucht neue Berater und kundiges Personal für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Meinem Eindruck nach ist daraus ein bedrohliches Vakuum erwachsen, dessen Probleme nun erstmals für alle sichtbar werden.
Was sagen Ihre Quellen?
Man vermutet, dass es ein unerfahrenes Team von Leuten ist, das nicht so versiert ist mit dem Business und der Stimmungslage. Doch wenn dem so ist, wenn sie im Moment nicht das professionelle Beraterteam haben, nach dem sie suchen, warum haben sie dann zugelassen, dass Prinzessin Kate dieses Bild zum Muttertag veröffentlicht? Dafür gab es keinen Grund, keiner hat den Palast dazu gezwungen. Ohne Not hat sich das Königshaus damit eine Misere eingehandelt.
Warum hat sie es dann überhaupt getan?
Das hat sie aus alter Gewohnheit getan. Sie ist es gewohnt, dem Volk mit strahlendem Gesicht ein Glücksgefühl zu vermitteln. Aber es führt zu nichts, wenn dieses Aufführen von Familienglück zu einer Zeit kommt, wo wir nicht genau wissen, wie es um Kate steht. Es wäre besser gewesen, sie wäre nicht an die Öffentlichkeit getreten.
Warum hat Prinz William das nicht verhindert?
Das ist eine berechtigte Frage. Er hätte seine Frau beraten müssen und ihr von diesem Foto abraten sollen. Gerade er müsste es besser wissen. Seit Geburt wurden ihm die Prinzipien der Monarchie eingeimpft. Die Frage danach, wie es seiner Frau geht, müsste ihn an Kindheitstage erinnern, an seine Mutter. William weiß, was durch unbeantwortete Fragen, durch mysteriöse Ungereimtheiten entsteht: ein fatales Gerüchte-Gewirr. Und so sind all seine öffentlichen Auftritte überschattet von dieser einen unbeantworteten Frage.
William muss den Menschen Antwort geben – sonst wird er als schwach und wenig entscheidungsfreudig angesehen.
Thomas Kielinger
Aber Prinz William versucht, Normalität vorzuspielen. Er nimmt öffentliche Termine wahr und tut, als sei alles in bester Ordnung.
All diese Absichtserklärungen von ihm und Pflichterfüllungen sind ganz lieb und glaubwürdig. Nur sie bewirken nicht das, was er will. Sie vermitteln keinen Anschein einer intakten, im Moment problemfreien Epoche des Königshauses. Ich sage es mal ganz brutal: William ist zukünftiger König. Er muss den Menschen Antwort geben – sonst wird er als schwach und wenig entscheidungsfreudig angesehen und erbt dieses problematische Bild der Öffentlichkeit auch für seine Zukunftsrolle an der Spitze der Monarchie.
Warum gelten für Prinz William diese Maßstäbe?
Sein Leben ist qua Erbfolge und Verfassung dem Staat, der konstitutionellen Monarchie verpflichtet. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, wie es ihrer wichtigsten Institution geht und denen, die dort an der Spitze stehen. Leider wird dieses Anrecht, über das Wohlbefinden der Königsfamilie informiert zu sein, häufig durch die Ausbrüche der Medien verhunzt. Die Übertreibungen, die Skandalgeschichten schaden dem Ansehen der Monarchie. Deshalb ist es im Moment sehr schwer, die Debatte wieder auf die seriöse Ebene zurückzuführen, weg von der Meute der Presse, sondern hin zu der durchaus konstitutionell verantwortlichen Frage: Wie gehen wir mit dem Nichtwissen um? Das sind keine sensationslüsternen Fragen. Das sind genuin interessante und berechtigte Fragen.
Wie muss es also weitergehen in der Sache und zum Wohle der Monarchie?
William und seine Berater müssen eine seriöse Informationsstrategie entwickeln. Dies kann nur beinhalten, dass endlich über den Zustand der Prinzessin Klarheit geschaffen wird. Der Palast könnte Glück haben und sich bis Ostern über die Zeit retten, um dann mit einem öffentlichen Auftritt der Mitglieder der Königsfamilie die Gerüchte aus der Welt zu schaffen. Aber was, wenn Prinzessin Kate auch dort nicht in Erscheinung tritt? William wird nicht umhinkommen, klar zu kommunizieren – sonst nimmt die Glaubwürdigkeit des Königshauses dauerhaft Schaden.
- Interview mit Thomas Kielinger