Bloor Street Kiefer Sutherland verbreitet Optimismus und Nostalgie
Berlin (dpa) - Alkoholabstürze, Schlägereien, Gefängnis: Kiefer Sutherland blickt auf ein bewegtes Leben und allerlei Tiefpunkte zurück.
Doch das einstige Sorgenkind Hollywoods hat sich gefangen, ist in der Pandemie zum Nichtraucher geworden und wirkt auch auf seinem dritten Country-Album "Bloor Street" glatt poliert. Die Zeit des Aneckens scheint vorbei zu sein.
Wer mit dem 55-Jährigen spricht, erlebt einen gutherzigen, reflektierten und interessierten Schauspieler/Sänger. Lange her scheint die Zeit zu sein, als er mit Skandalen und Exzessen in den Schlagzeilen stand. Die Action-Serie "24" ermöglichte Sutherland in den 2000er Jahren eine zweite Karriere als Serienstar, seine Figur des Anti-Terror-Agenten Jack Bauer erreichte Kultstatus.
Mit Knasterfahrung
Dennoch fiel der Kanadier, der durch Filme wie "Stand By Me" (1986) und "Flatliners" (1990) bekannt geworden war, immer wieder in alte Muster zurück. 2007 saß er wegen Trunkenheit am Steuer 48 Tage im Knast. "Es ist ja nicht so, dass es mir nur einmal passiert ist. Ich fühle mich so dämlich, dass es mir dreimal passiert ist", sagt Sutherland im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
Im Song "County Jail Gate" verarbeitet er seine Erinnerungen an die Zeiten hinter Gittern, verpackt als Geschichte eines zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilten Kriminellen.
Dabei lässt ihn vor allem das rostig-metallische Rattern des Gefängnistors nicht mehr los. "Dieses Geräusch löst etwas in mir aus, eine Mischung aus Scham, Demut und Ärger über mich selbst. Wenn du dieses Geräusch hörst, weißt du, dass es kein Zurück mehr gibt: Du gehst in den Knast."
Die zärtlich-melodische Ballade ist ein Highlight des aktuellen Albums und bleibt in ihrer schweren Anmutung die Ausnahme. Sutherland wandelt dabei auf den Spuren von Country-Lyriker Merle Haggard, der für seine ehrlichen und lebensnahen Texte bekannt war.
Im Titelsong "Bloor Street" ehrt der in Los Angeles lebende Musiker seine Heimatstadt Toronto. Die Bloor Street ist die Ost-West-Verbindung der kanadischen Millionenstadt. An der Kreuzung zur Yonge Street sei er quasi aufgewachsen, hatte dort seinen ersten Job, den ersten Kuss und - selbstredend - die erste Schlägerei. "Ich habe mein Leben echt genossen. Und es begann dort. Es ist eine Art Dankeschön an diese vier Straßenecken für all das, was später kommen sollte."
Die Nostalgie zieht sich durch das gesamte Album. In "Nothing Left To Say" singt der Sohn von Leinwandlegende Donald Sutherland (86) über eine verflossene Liebe, im Duett "Down The Line" über eine frühere Bekannte, die in Sachen Männern viele schlechte Entscheidungen traf.
Das Country-Genre ist natürlich prädestiniert für bitter-düstere Lebensbeichten. "Die Texte erzählen eine Geschichte, die es wert ist, gehört zu werden. Sie sind nicht bloß dazu da, die Melodie zu tragen, sondern bedeuten etwas", erklärt Sutherland den weltweiten Erfolg.
Allerdings fehlt "Bloor Street" die Rauheit und Verspieltheit der beiden Vorgänger. Sutherland verabschiedet sich zum größten Teil vom Alternative Country, was vor allem den optimistischen Texten geschuldet sei - aber auch Produzent Jim Scott. Mit dem mehrfachen Grammy-Preisträger, der Alben von Tom Petty, Santana und den Dixie Chicks produzierte und abmischte, arbeitete der Kanadier diesmal noch enger zusammen.
Pop im Blick
Rausgekommen ist ein mainstreamiger Country-Rock mit hellen Melodien, dem etwas die Ecken und Kanten fehlen. "Two Stepping in Time" oder "So Full Of Love" kratzen fast schon am Pop-Genre und könnten auch von Bryan Adams oder Don Henley stammen. Während konservative Country-Fans durchaus enttäuscht vom neuen Kiefer Sutherland sein dürften, erschließt sich der singende Schauspieler sicher auch neue Fans. Zumal er seine Leidenschaft für die Musik durchaus vermitteln kann.
Auch auf dem Bildschirm ist der 55-Jährige bald wieder zu sehen. Nach dem Aus der Serie "Designated Survivor", in der er einen fiktiven US-Präsidenten spielte, schlüpft Sutherland in die Rolle des früheren Staatsoberhaupts Franklin D. Roosevelt. Im Blickpunkt der Showtime-Serie "The First Lady" steht allerdings Eleanor Roosevelt, gespielt von Gillian Anderson.