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"Braune Frauen": Lord-of-the-Lost-Frontmann teilt gegen Frauke Petry aus


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ESC-Band Lord of the Lost
"Braune Frauen": Frontmann teilt gegen Frauke Petry aus

Von Janna Halbroth

Aktualisiert am 07.03.2023Lesedauer: 4 Min.
Chris Harms: Er ist der Frontmann von Lord of the Lost.Vergrößern des Bildes
Chris Harms: Er ist der Frontmann von Lord of the Lost. (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt)

Er lieferte sich nicht nur einen Schlagabtausch mit der AfD, sondern ist auch Deutschlands neue ESC-Hoffnung. Aber wer genau ist Chris Harms? t-online hat ihn selbst gefragt.

In der Metal-Szene sind Lord of the Lost schon lange bekannt, feiern international Erfolge. Seit dem ESC-Vorentscheid bekommt auch die breite Masse Wind vom Gitarrenfeuer der Rocker. Chris Harms, der Frontmann der Gruppe, verdient dabei ein besonderes Augenmerk.

Denn der Mann irritiert. Es scheint alles nicht zusammenzupassen. Hört man Harms in seinen Songs schreien, denkt man zuerst nicht unbedingt an den schlanken, in Gold und Glitzer gekleidet Mann, der sich beim ESC-Vorentscheid mit blondem Pferdeschwanz präsentierte. Bei dem Sänger handelt es sich um ein Gesamtkunstwerk, das vor allem eines nicht will: in eine Schublade passen.

"Ich bin das Gegenteil von dem, was man erwartet"

"Ich bin vermutlich in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von dem, was man erwartet, wenn man mich nur von der Bühne oder von Videos und Fotos kennt", sagt Harms zu t-online über sich selbst. Abseits der Bühne sei er ein sehr ruhiger und besonnener Mensch. Fleißig, pünktlich, er arbeite viel und gern. Wenn Harms etwas Freizeit habe, dann verbringe er die mit seinem Sohn. Er trinke nicht, nehme keine Drogen, mache gern Fitness oder Kampfsport, ernähre sich vegetarisch, phasenweise vegan. Der Sänger will die Welt besser machen, versuche es jedenfalls jeden Tag.

Der 43-Jährige ist Musiker durch und durch, lernte im Alter von fünf Jahren sein erstes Instrument, das Violoncello. Er ist nicht nur Sänger, sondern auch Musikproduzent und Songwriter, arbeitete unter anderem schon mit Blümchen, Nino de Angelo oder Ferris MC.

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Ein prägendes Erlebnis erfuhr er allerdings nicht mit der Musik, sondern bei einer Promi-Party in Hamburg. Harms war einer von 1.500 Gästen, die Opfer eines Anschlags mit einer Handgranate wurden. Mehrere Splitter trafen ihn in Rücken und Beine. Ein Monat Krankenhaus und mehrere Operationen folgten. Vergessen ist diese Nacht noch lange nicht, auch wenn sie bereits 23 Jahre zurückliegt. "Ich zucke nach wie vor mehr zusammen als jemand anderes, wenn ein Luftballon explodiert oder an Silvester die Böllerei losgeht", sagt Harms.

Auch seine Musik habe das beeinflusst, ihn aber auch nicht weniger erfolgreich werden lassen. Am Freitagabend wurden Lord of the Lost zu Deutschlands Beitrag für den ESC gekürt. Nach dieser Nachricht gab es nicht nur Jubel. Eine, der das missfiel, war Ex-AfD-Chefin Frauke Petry. Auf Twitter schrieb sie: "Kann mir nicht vorstellen, dass normale Bürger von diesen pinken Herren 'vertreten' werden wollen." Anschließend löschte sie den Beitrag wieder. Mehr dazu lesen Sie hier.

"Pinke Herren lassen sich nicht von braunen Frauen ärgern"

Harms ließ das nicht auf sich sitzen. Antwortete, dass die Band diese Art von Bürger auch nicht vertreten wolle. "Pinke Herren lassen sich nicht von braunen Frauen ärgern", sagt Harms jetzt zu t-online. "Und ihren stummen Schrei nach Liebe hat sie dann ja auch wieder selbst gelöscht. Wenn sie auf diese Weise gern Werbung für uns machen möchte, ist das kein Problem für uns. Andere müssen für so viel Reichweite sehr viel Geld bezahlen." Mit Petry würde er sich sogar an einen Tisch setzen und ihr "vermutlich erst mal zuhören, denn sie hat ja offenkundig Mitteilungsdrang".

Die Gruppe rund um Harms muss sich nicht erst seit dem ESC-Vorentscheid mit Hass auseinandersetzen. Am häufigsten begegne er hasserfüllten Menschen im Internet. "Dass all diese Kommentare nur etwas über ihre Verfasser aussagen, und nicht über uns oder mich, das ist den meisten dieser Menschen gar nicht bewusst", sagt er. Ernst werde es, wenn er es mit "bewusst bösartigen" Kommentaren und Falschaussagen zu tun bekomme. "Denn das ist brandgefährlich." Den Großteil ignoriere er allerdings.

Momentan kursieren Gerüchte über Lord of the Lost, die behaupten, die Gruppe fühle sich dem Satanismus zugehörig. Das entbehre jeglicher Grundlage, so Harms. "Es hat schon fast etwas Komödiantisches, wenn ich als Agnostiker ganz christlich und offen den Dialog mit denen suche, die nicht das eigene 8. Gebot befolgen: 'Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.'" Er und seine vier Mitmusiker seien bloß ein "Haufen bester Freunde, die sehr offen und mit viel Liebe" jeden bei Konzerten begrüßen würden, "egal, welcher Herkunft, Hautfarbe, Religion, welchen Geschlechts oder sexueller Orientierung, von alt bis jung". Ihre Religion sei die Empathie, das sei auch die Kernaussage des ESC-Hits "Blood & Glitter": "We are all from the same blood" (auf Deutsch: "Wir sind alle vom selben Blut.")

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Politisch sind die Männer um Lord of the Lost eigentlich schon. Beim ESC sind solche Aussagen allerdings nicht erwünscht. Es soll um die Musik gehen. "Politische Statements sind auch immer eine Interpretationsfrage", findet Harms. Der Song "Blood & Glitter" könne demnach einfach nur ein Partysong sein. "Muss er aber nicht." Die Einschätzung von Lord of the Lost beim ESC von meinem Kollegen Sebastian Berning lesen Sie hier.

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Ziele für die Teilnahme beim ESC

Harms Ziele und Wünsche für den großen Auftritt beim ESC im Mai in Liverpool sind bescheiden: "Rein statistisch gesehen wäre alles, was besser ist als ein vorletzter Platz, ja bereits ein Erfolg", findet er. Der Wettbewerb halte viele "starke Acts" mit "grandiosen Stimmen" bereit. Harms ist demütig, hat nicht einmal geglaubt, den Vorentscheid gewinnen zu können.

"Wir sind beim ESC dieses Jahr eine eher exotische Ausnahme-Erscheinung, neben einigen wenigen anderen. Das kann Fluch oder Segen sein." Wichtig sei ihm vor allem eines: "Dass wir zu hundert Prozent authentisch und mit viel Spielfreude unseren Auftritt absolvieren, genau so unverbogen und unchoreografiert, wie wir eben sind."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Chris Harms
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