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Der neue Asterix "Die weiße Iris" – Eine meisterhafte Wiederauferstehung


Meinung
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Fulminanter neuer Asterix
Dieser Texter ist ein Genie


Aktualisiert am 28.10.2023Lesedauer: 5 Min.
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Detail des neuen Asterix-Covers: "Die weiße Iris" ist seit Donnerstag auf dem Markt. (Quelle: Asterix® - Obelix® - Idefix®/© 2023 Hachette Livre/Goscinny - Uderzo/Egmont Ehapa Media/dpa)
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Der neue Asterix? Ein Meisterwerk! Wer in seiner Kindheit in den Trank des Zaubers der unbeugsamen Gallier gefallen ist, wird in diesem Heft versinken. Und am liebsten gar nicht mehr auftauchen.

Es ist schon mehr als zehn Jahre her, da begaben sich Black Sabbath das letzte Mal ins Studio. Dort, so geht die Legende, wartete Rick Rubin, der bärtige Magier unter den Produzenten, auf Toni Iommi, Ozzy Osbourne und Geezer Butler und sperrte sie in einen Raum, damit sie ihre ersten Alben wieder hören, die Magie dieser frühen Jahre wieder selber spüren sollten. Der Zausel Rubin ließ sie erst wieder raus, als Iommi, der Riffgott unter den Gitarristen, Songs aufgeschrieben hatte, die den Geist von früher atmeten, kombiniert mit himmlisch endzeitigen Texten von Ozzy. Heraus kam die "13", eines der besten Black-Sabbath-Alben ever und ein wuchtig würdiger Abschied dieser Jahrhundertband. Ein Vermächtnis. Rick Rubin hatte Black Sabbath noch einmal auferstehen lassen.

Der Rick Rubin des neuen Asterix heißt Fabcaro. Oder er nennt sich jedenfalls so. Fabcaro lässt nach fast einem halben Jahrhundert den Texter – und neben Uderzo zweiten Vater dieses Comic-Klassikers – auferstehen. René Goscinny lebt wieder, dank Fabcaro. "Asterix bei den Belgiern" hieß der letzte Band – eine ganz starke Ausgabe – der von Goscinny getextet wurde. 1979 erschien das Heft. Nummer 24.

Seither gab es Versuche um Versuche. Und ganz schlimme Abstürze wie "Der Sohn des Asterix" und den absoluten Tiefpunkt, die Nummer vor der weißen Iris, "Asterix und der Greif". Hartgesottene Asterix-Freunde gaben sich mit bescheidenen Ergebnissen zufrieden, um wenigstens ab und an von einem Hauch des früheren Zaubers angeweht zu werden. Wenn man aber ehrlich ist und nicht verstrahlt vor lauter Sehnsucht, war das alles ziemlicher Mist, der seit den Belgiern erschienen war.

Nach den Belgiern kam lange Jahre Mist

Da erblüht mit einem Mal "Die weiße Iris", wie der Asterix Nummer 40 heißt, der seit Donnerstag in Deutschland im Handel ist. Wie schon einige Male zuvor versuchen die Römer, mit einem subversiven Element die Renitenz des gallischen Dörfchens zu brechen. Einmal war das ein Städtebauer ("Die Trabantenstadt"), der durch den Sog eines Neubaugebiets die Dorfkultur zur Strecke bringen wollte, mal schickten die Römer einen begnadeten Zwietrachtsäer ("Streit um Asterix"), ein andermal gefährdete ein Scharlatan ("Der Seher") den rustikalen inneren Zusammenhalt der Gallier – der mindestens so großen Anteil an der Uneinnehmbarkeit ihres Dorfes hat wie der Zaubertrank des Miraculix.

Dieses Mal entsendet Cäsar eine Art Leibarzt und Heiler namens Visusversus, der mit positivem Gesäusel, Achtsamkeit, Wokeness und gesunder Ernährung das auch untereinander rauflustige Völkchen hinter dem Baumzaun handzahm und damit unschädlich machen möchte.

Die Zeit dafür ist reif. Bereits in der ersten Szene verweigern sich die Römer einem Einsatzbefehl ihres Truppführers und ziehen sich, statt auf die Goten loszugehen, lieber zu einem guten Lorbeertee auf ihre Feldbetten zurück. Als dann das Süßholzgeschwätz des Visusversus das Dorf wie Schwaden durchweht, geschehen wunderliche Dinge. Verleihnix verkauft plötzlich frischen Fisch, den er (regional!) am selben Morgen noch geangelt hat (seine Kundschaft ist skeptisch: "Wieso riecht der Fisch nicht nach Fisch, wieso sind da keine Fliegen drauf, schmeckt der etwa nicht"), dem Schmied Automatix macht Visusversus weis, dessen Amboss verbreite beim Hammerschlag nicht ohrenbetäubenden Lärm, sondern eine Art esoterischen Klang.

Fabcaro gibt den Galliern ihre Seele zurück

Methusalix ertüchtigt seinen "morschen, aber marmornen" Körper (Visusversus) mit Jogging, und selbst die Wildschweine, die im Wald beim neuen Vegetarismus und Fischverzehr zur Plage werden, schubbern sich verliebt an Obelix‘ blau-weißem Beinkleid anstatt vor dessen Appetit Reißaus zu nehmen. Gutemine schließlich, die Frau des Häuptlings Majestix, erliegt – wie schon beim Seher – als erste Frau dem Süßholzgelaber von Cäsars Chefarzt.

Es soll hier offengelassen werden, wie die Gallier zurückfinden zu ihrer Lust an Raufereien, großen Festgelagen mit viel Bier und fetttriefendem Wildschwein. Zu sehr ins Detail zu gehen wäre gemein denjenigen gegenüber, die das Heft noch vor sich haben. Es ergibt auch keinen Sinn, einzelne Sentenzen zu zitieren, weil sie ihren Zauber nur im Zusammenhang entfalten.

Aber allgemein analysiert, schafft es Fabcaro wie seinerzeit Rubin bei Black Sabbath, den Figuren wieder ihren Geist von früher einzuhauchen, ihnen ihre Seele zurückzugeben. Fab steht für Fabrice, es könnte aber auch wie bei den Fab Four für fabulous stehen. Vor allem bei Obelix ist dieser feine Hintersinn zurück, der seine scheinbar etwas tumben Einlassungen wie existenzphilosophische Kleinode funkeln lässt. Fabcaro wendet immer wieder virtuos das Muster an, den Samen einer Pointe früh zu setzen und drei bis vier Bilder und Sprechblasen später aufgehen zu lassen. Aufbau und Entladung: So muss man immer wieder laut auflachen, wie früher, wie als kleiner Junge. Die Leute im Abteil (ich habe das Heft auf einer Bahnfahrt verschlungen) haben mich dabei mit dem milden Blick des Verständnisses bedacht, als sie sahen, was ich in der Hand halte.

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Leise Kritik zwischen lautem Jubel

Zwei Kritikpunkte gleichwohl: Seit einiger Zeit schon wird nach der Vorstellung der Hauptpersonen das Intro von früher weggelassen. "Wir befinden uns im Jahre 50 vor Christus … Ganz Gallien … Ganz Gallien? Nein! ..." Warum denn? Es ist doch wie bei einer Oper (oder beim Sex): Die Ouvertüre, das Vorspiel, gehört dazu. Jedes Mal möchte ich das wieder lesen. Möchte ich das mitsingen, eingestimmt werden. Zumindest überfliegen. Jedes Mal. Auch das vierzigste. Und dann haben die Augen derer, die mit Asterix aufgewachsen sind und sich die Welt in ihm erklären, inzwischen nicht mehr ganz die Sehkraft von früher. Und da sind die Sprechblasen mit den Versalien einfach etwas mühsam zu lesen. Versalien nur, wenn gebrüllt wird – was ja Gott sei Dank bei aller Achtsamkeit und Wokeness immer noch viel der Fall ist –, das wäre mein bescheidener Verbesserungsvorschlag.

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Ansonsten an all die, die in ihrer Kindheit zwar nicht in den Zaubertrank gefallen sind, aber vom Zauber des Asterix auf immer und ewig infiziert sind: Ab zum Kiosk! Holen! Und versinken im besten Asterix seit 44 Jahren. Es fühlt sich gut an, wie eine Zeitreise in die eigene glückliche Jugend und Kindheit. Aber eben thematisch im Hier und Heute.

Wenn jetzt heute Abend noch meine geliebte moosgrüne Hercules Prima 5 wieder frisiert vor der Tür stünde, als wäre sie nie weg gewesen, dann wäre das Glück perfekt.

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Verwendete Quellen
  • Lektüre des neuen Asterix-Bandes
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