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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Jackass"-Star Knoxville "Bären töten dich ja nicht, bevor sie dich fressen"
"Jackass Forever" ist der vierte Kinofilm der Crew um Johnny Knoxville. Ein Interview über Humor in kritischen Zeiten, Gehirnerschütterungen – und Angst bei den Dreharbeiten.
"Manche lernen es nie" ist der deutsche Untertitel von "Jackass Forever", der an diesem Donnerstag in den deutschen Kinos angelaufen ist – passender geht es nicht. Denn der Film ist bereits der vierte abendfüllende Kinofilm der "Jackass"-Crew um Frontmann Johnny Knoxville, die um die Jahrtausendwende mit ihrer MTV-Show weltberühmt wurde.
Inhalt: Stunts, die mal verrückt, mal wahnsinnig, mal halsbrecherisch, mal ekelerregend, mal widerlich, mal zum Totlachen sind – oder auch irgendwie alles zusammen. Feinsinn ist hier fehl am Platz, bei "Jackass" wird hemmungslos dem Brachialhumor gefrönt – dafür lieben ihre Fans sie seit zwei Jahrzehnten.
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Knoxville und seine Mitstreiter sind mittlerweile teilweise ergraute Endvierziger – und ziehen in "Jackass Forever" noch einmal alle Register. Anhänger der Crew bekommen da genau, was sie wollen: Es wird geflucht, gekotzt, auf Genitalien eingeschlagen und mehr.
t-online traf Knoxville und Regisseur Jeff Tremaine, der seit "Jackass"-Beginn mit dabei ist, zum Gespräch in Berlin.
t-online: Johnny Knoxville und Jeff Tremaine, seit Ihrem ersten Film sind 20 Jahre vergangen. Hat sich Ihre Herangehensweise seitdem verändert?
Johnny Knoxville: Nein. Unser Ziel am Anfang war es, uns gegenseitig zum Lachen zu bringen – und genau das ist auch heute noch unser Ziel. Wir haben alle Spaß zusammen, und wenn ich dann hinter die Kamera schaue und Jeff sehe, wie er sich entweder vor Lachen nicht mehr halten kann oder vor Schreck erstarrt, dann weiß ich: Es funktioniert. Ich kann unseren Erfolg an Jeffs Gesicht ablesen. Anders geht es nicht, anders kann auch ich es nicht. Ich könnte keinen Film drehen nur unter dem Gedanken, das Publikum zum Lachen zu bringen.
Jeff Tremaine: Es ist ja auch so: Unser Humor entwickelt sich über die Jahre auch weiter. Was uns also im ersten Film zum Lachen gebracht hat, tut das heute vielleicht nicht mehr.
Und wie hat sich Ihr Humor denn nun entwickelt?
Tremaine: Keine Ahnung. Ich würde eher sagen, er hat sich zurückentwickelt (lacht).
Knoxville: Ich denke auch, über die Jahre ist unser Humor noch cartoonhafter und noch absurder geworden.
Tremaine: Aber mit einem Unterschied zu früher!
Ja?
Tremaine: Wir haben immer mehr kluge Köpfe dazugewonnen, die besser wissen als wir, wie man diese cartoonhaften Ideen umsetzen kann. Früher haben wir einfach selbst losgewurschtelt, und keiner von uns wusste wirklich, was zur Hölle wir da machen.
Knoxville: Den Stunt mit der riesigen Hand, die uns wegfegt, zum Beispiel (aus dem Film "Jackass 3D", Anm. d. Red.). Den hätten wir alleine nie so hinbekommen, dass er funktioniert. Dann haben wir einen Experten für Spezialeffekte dazugeholt, und der wusste natürlich genau, wie er das umsetzten konnte.
Tremaine: Der wusste genau, was wir haben wollten. Es sollte funktionieren und es sollte brutal sein (lacht).
Knoxville: Und unser Spezialeffektetyp ist selbst so ein richtig gemeiner Hund mit einem bissigen Humor, manchmal mussten wir sogar ihn bremsen (lacht).
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Welches Feedback bekommen Sie denn von Fans, die Ihnen über die Jahre treu geblieben sind?
Knoxville: Wir sind gemeinsam erwachsen geworden, und das bringt uns so eng zusammen. Genauso wie der Cast und Crew sind auch sie Teil der "Jackass"-Familie.
Tremaine: Ja, aber was man auch sagen muss: Der Film hat eine Menge gute Kritiken bekommen – und das stimmt mich misstrauisch. Das erinnert mich nur daran, wie kaputt die Welt eigentlich ist (lacht).
"Kaputt" ist ein gutes Stichwort. Ist ein Film wie "Jackass Forever" vielleicht die einzige Möglichkeit, mit dem aktuellen Wahnsinn in der Welt – dem Krieg in der Ukraine, der Corona-Pandemie – irgendwie fertig zu werden?
Tremaine: Wir hoffen es zumindest. Wir wollen einen Zufluchtsort bieten vor dem ganzen Scheiß, der gerade so passiert.
Knoxville: Auch in diesen Zeiten muss Lachen erlaubt sein, trotz allem. Es passieren so viele schlimme Dinge auf der Welt, die unsere Aufmerksamkeit brauchen, aber es muss auch ein Gegengewicht geben. Bei unserer Filmpremiere hier in Berlin war ein Junge aus der Ukraine dabei. Es hat mich richtig bewegt, dass er dabei war, und zu sehen, wie viel Spaß er hatte.
Tremaine: Und nicht zu vergessen: Wir haben den Film ja während der Pandemie gedreht. Wir mussten eine Menge Hürden überwinden, aber am Ende wollten wir alle unbedingt diesen Film machen, ganz gleich, wie schwierig es auch gewesen sein mag. Und für uns ist dieser Antrieb eigentlich ungewöhnlich. Meist läuft das bei uns ja so: Wir sind die ganze Nacht in irgendwelchen Bars und am nächsten Morgen beginnen wir mit den Dreharbeiten (lacht).
Knoxville: Sagen wir mal so: Wir haben den gefährlichsten Film so sicher wie möglich abgedreht.
Gab es denn aber irgendwann auch mal eine Idee, die selbst für Sie zu gefährlich war und deshalb gestrichen werden musste?
Tremaine: Hin und wieder.
Knoxville: Ja. Aber entweder, weil es wirklich zu unsicher war – oder die Umsetzung unmöglich war. Wir mussten über die Jahre erkennen, dass manche Ideen auf dem Papier vielleicht gut aussehen, aber die Gesetze der Physik einfach "Nein" sagen (lacht). In Comics mag das alles funktionieren, und ich war total begeistert und sagte "Das müssen wir hinkriegen" – aber unser Spezialeffektetyp schüttelte nur mit dem Kopf.
Tremaine: Und so entstehen dann die besten Ideen! Ein Gedanke funktioniert nicht, aber dann überlegen wir hier und da, was man daran drehen oder abwandeln könnte – und haben eine neue Idee, die machbar ist. Ein Beispiel aus dem neuen Film: Johnny hatte die Idee, einen aus der Truppe mit einem Bären zu "überraschen". Aber wie sollte das funktionieren? Bären sind laut und unkontrollierbar. Aber er blieb dabei: "Doch doch, wir machen das!" Und am Ende hat es ja tatsächlich geklappt, dank seiner Beharrlichkeit – die Szene mit dem Bären ist meine Lieblingsszene des ganzen Films.
Sie sprechen über die Szene, in der "Jackass"-Mitglied Danger Ehren an einen Stuhl gefesselt wird und plötzlich ein ausgewachsener Bär in den Raum kommt. Eine Szene, in der Sie ernsthaft besorgt wirkten.
Tremaine: Ja, etwas (lacht).
Knoxville: Das lief ja auch fünf Minuten länger als geplant. Ich habe danach mit dem Tierpfleger gesprochen. Danach (lacht)! Er sagte mir, dass Bären so einen bestimmten Ablauf hätten. Erst kommen sie dir näher und setzen sich vor dich, weil sie ein Leckerli möchten. Dann kommen sie noch näher – wo ist das Leckerli? Dann stupsen sie dich an – wo ist das Leckerli? Dann beißen sie einmal zu. Beim zweiten Biss fangen sie dann an, Fleisch herauszureißen. Bären töten dich ja nicht, bevor sie dich fressen, sie fressen dich einfach bei lebendigem Leib. Das wäre für Ehren wirklich nicht so toll gewesen.
Tremaine: Glücklicherweise hat man es nicht uns überlassen, wann eingegriffen werden sollte.
Knoxville: Ja, der Tierpfleger hat uns die Entscheidung abgenommen.
Wie ging es Ehren danach?
Knoxville: Er zitterte am ganzen Körper. Wir hatten Mühe, ihn aus den Fesseln zu lösen, er dachte, der Prank lief noch. Jetzt geht's ihm aber wieder besser – also, so gut, wie es Ehren eben gehen kann (lacht).
Wie geht es denn Ihnen? Im Film erwischt Sie ein Stier mit voller Wucht, Sie mussten ins Krankenhaus.
Knoxville: Ach, mir geht's schon wieder. Aber ich habe auch einige Monate gebraucht, ich hatte so einige Probleme.
Ja?
Knoxville: Ein Beispiel: Nach den kognitiven Tests fragten sie mich, ob ich Schwierigkeiten mit der Konzentration hätte. Ich sagte: "Ja, warum?" "Weil Sie nur 17 Punkte im Test erzielt haben." Ich fragte: "Moment – 17 von 20?", und sie sagten: "17 von 100!" (lacht). Aber mit fortschreitender Zeit wurden meine Ergebnisse immer besser.
Über die Jahre hatten Sie auch 16 Gehirnerschütterungen …
Knoxville: Ja, ein paar zu viel. Mein Neurologe hat mir geraten, besser nicht noch mehr zu haben, und dieses Mal werde ich auf ihn hören.
Moment – also alles vorbei mit "Jackass"?
Knoxville: Ich sag mal so: Ich kann ja immer noch Stunts machen, wo ich mir den Knöchel breche, das wäre mir egal. Ich kann nur eben nichts mehr machen, wo das Risiko besteht, sich am Kopf zu verletzen.
In "Jackass Forever" stoßen ja auch einige neue Gesichter zur Crew. Eine Wachablösung?
Knoxville: Wir fanden einfach, es war an der Zeit für frisches Blut …
… und wie haben Sie dieses gefunden? So eine Stellenausschreibung mag nicht viel Feedback bekommen…
Knoxville: Wir haben uns hauptsächlich bei Leuten gemeldet, die wir schon kannten – bis auf Rachel Wolfson (US-Komikerin, Anm. d. Red.), von deren Instagram-Account ich ein großer Fan war. Also haben Jeff und ich sie zu einem Gespräch eingeladen …
Tremaine: … und es passte sofort. Sie ist fantastisch. Überhaupt sind alle Neuen eine Bereicherung gewesen.
Wie haben die Neuen denn auf Ihre Ideen reagiert?
Knoxville: Wir reden mit denen ja nicht über die Ideen. Die müssen einfach auf alles vorbereitet sein.
Tremaine: Und insgesamt haben die sich ja schnell an alles gewöhnt. Die meisten bevorzugen Ahnungslosigkeit – "was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" (lacht). Natürlich wissen alle zumindest über die großen Stunts Bescheid, bei denen man nichts verstecken kann.
Wie geht's nun weiter? Zeitweise wirkt der Film ja doch fast wie eine Ehrenrunde.
Knoxville: Wer weiß? Vielleicht machen wir in ein paar Jahren ja noch einen "Jackass"-Film. Wir haben noch eine ganze Menge Ideen, die wir gar nicht in "Jackass Forever" unterbringen konnten.
Klingt ja doch nach einem Plan …
Knoxville: Nee, wir machen nie Pläne (lacht).
Tremaine: Ja, wir sind furchtbar schlechte Geschäftsleute.
Johnny Knoxville und Jeff Tremaine, die schlechten Geschäftsleute – und als Väter? Schauen Sie sich Ihre Filme mit Ihren Kindern an?
Knoxville: Ich habe mit meinen Kindern zumindest ein paar wenige Szenen angeschaut, in denen ich heil davonkomme. Aber das ist ja meine Sorge!
Erzählen Sie!
Knoxville: Ich habe einen Sohn, der diesen Blick in den Augen hat – dem habe ich schon gesagt: "Rocko, das wirst Du später nicht machen!" Auch wenn ich schon merke, dass er dazu bereit wäre.
Tremaine: Ja, ja, um den kümmere ich mich dann (lacht).
- Interview mit Johnny Knoxville und Jeff Tremaine
- "Jackass Forever"