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Du willst es doch auch: Karl Lagerfelds Fußballschal


Meinung
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Du willst es doch auch!
Karl Lagerfelds Fußballschal

MeinungEine Kolumne von Anja Rützel

05.04.2018Lesedauer: 3 Min.
Karl Lagerfeld: Die Modeikone hat einen ganz besonderen Geschmack in Sachen Fashion.Vergrößern des Bildes
Karl Lagerfeld: Die Mode-Ikone hat einen ganz besonderen Geschmack in Sachen Fashion. (Quelle: WENN)

Sie interessieren sich kein Stück für Fußball, würden aber gerne wenigstens so aussehen – schließlich ist ja bald WM? Der Modezar macht vor, wie man modische Sportkompetenz antäuscht.

Der 1. FC Love gegen die Spielvereinigung Chaos – das wäre ein Fußballmatch, bei dem man sich gerne auf der drängelvollen Stehtribüne bei besonders aufregenden Torbeharkungen das Bier aus dem Becher des bulldoggengesichtigen Nebenstehers in den Hemdkragen schwappen lassen würde! Love vs. Chaos, das Spitzenspiel um den Allegorien-Cup! Leider gibt es diese Top-Teams, die Karl Lagerfeld vergangene Woche auf seinem Fußballschal spazieren führte, nicht wirklich – sein Halsumhänger gehört zum Merchandise der Lifestylemarke Chaos, die vor allem teure Glitzi-Handyhüllen verkauft und auf deren Modemagazin Lagerfeld letztens als Coverboy posierte.

Mit seinem fußballmäßig angehauchten Schal liegt Lagerfeld, logisch, extrem im Trend. Arg einfallsreich ist es ja nicht, dieses Accessoire, gerade in einem Fußball-WM-Jahr, high-fashion-gerecht aufgemotzt auf die Laufstege zu bringen, wie es unter anderem Versace, Gucci und MSGM bei den jüngsten Winterschauen taten. Statt einfach nur den eigenen Labelnamen aufzudrucken, stickte MSGM auf seine Fanschals immerhin die Namen beliebter Mailänder Bars und Restaurants, eine hübsche Idee: Man kann es sich sehr niedlich vorstellen, wenn "Bar Basso"-Ultras und "Pasticceria Cucchi"-Hooligans aneinanderrumpeln und sich vor dem letzten Spieltag in der Süffelliga mit gefüllten Cremehörnchen verprügeln. Die Nase vorn hatte beim Fußballschaltrend übrigens wieder mal das Geldverbrenn-Label Vetements, die schon im Herbst 2015 damit herauskamen – auf seinen Fußballschals stand, durchaus lustig: "Fußballschal", und zwar auf Russisch. Sehr praktisch für alle, die sich nicht für einen Verein entscheiden können oder eigentlich gar nicht für Fußball interessieren, aber wenigstens so aussehen wollen, jetzt, wo ja bald wieder Weltmeisterschaft ist, olé olé!

Alles gut und schön, aber bei der Beurteilung von Lagerfelds Accessoire-Wahl muss man doch kurz spielverderberisch-moralisch werden: Interessiert er sich denn eigentlich überhaupt für Fußball? Oder ist sein stilistisches Zitat aus der Bolzewelt einfach nur die modische Entsprechung des Event-Fan-Wesens, ohne eine Ahnung von den Abgründen und ja, auch dem Leid, das man als aufrichtiger Anhänger empfinden kann, wenn man sich Samstag um Samstag den kratzigen Polyester in den geliebten Vereinsfarben um den Hals schlingt? Von den bitteren Tränen der Niederlage und dem gelegentlichen Wutrotz, die schon in einen gut eingetragenen Fußballschal geflossen sind?

Man darf unterstellen, dass Karl Lagerfeld von alledem wahrscheinlich nichts weiß. Hat er wohl selbst je Fußball gespielt, oder war ihm die Balltreterei schon als Kind zu degoutant? Anders als schnöde unifarbene Wollwickelware, lösen Mode-Fußballschals beim Betrachter schnell interessante Gedankenspiele aus: Man spekuliert nicht nur, welchem Verein der Träger oder die Trägerin wohl zujubeln würde, würden sie sich nicht nur für Style, sondern auch für Sport interessieren – und man stellt sich vor, welche aktive Rolle sie wohl auf dem Fußballplatz einnehmen könnten. Lagerfeld könnte man als wieselflinkem Wadenbeißer durchaus einige Erfolge zutrauen.

Welchen Fake-Fußballschal soll man nun also tragen, wenn man sich nicht für Sport interessiert, aber auch keine Modemarke so sehr liebt, dass man sich deren Logo um den Hals hängen würde? Smarte Lösung: Einfach einen Schal mit dem eigenen Namen stricken lassen. Denn auch, wenn man sich weder für Fußball noch für Klamotten interessiert: Für sich selbst sollte man sich schon begeistern können.

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