Mauerbau-Dreiteiler im ZDF "Tannbach" – unser Osten, unser Westen
Hochkarätig besetzte Mehrteiler zur deutschen Geschichte sind für das ZDF schon fast ein Erfolgsgarant. Ab Sonntag erzählt der Dreiteiler "Tannbach" von den Nachkriegswirren und der Teilung. 3000 Komparsen spielen mit.
Die Umwälzung von allem erreicht Tannbach mit Ansage. Als die US-Armee im Frühjahr 1945 in das 200-Einwohner-Dorf einmarschiert, sind die deutschen Flüchtlinge aus den Ostgebieten längst da. Der Widerstand der letzten Wehrmachtssoldaten ist bröckelig, die gerahmten Führerbilder bereits im Ofen verbrannt oder im Nachtschrank versteckt. Doch die Ankunft der Amerikaner in dem fiktiven Ort ist nur der Anfang des ZDF-Dreiteilers "Tannbach", der am Sonntag (4. Januar) und danach am 5. und 7. Januar 2015 jeweils um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird. Es folgen sowjetische Besatzer, zwei Visionen eines neuen Deutschlands, an der Grenze zwischen Bayern und Thüringen, zwischen Ost und West, zwischen zwei Machtblöcken.
"Tannbach" erzählt letzte Tage des Krieges
Wie schon in der mehrfach preisgekrönten Weltkriegsreihe "Unsere Mütter, unsere Väter", die für das ZDF mit ebenfalls drei Teilen zum Quotenhit wurde, versuchen die Macher von "Tannbach" eine Epoche der deutschen Geschichte als fernsehtauglichen Erzählstoff zu verpacken. "Wir erzählen die letzen Tage des Krieges, wir erzählen ein Dorf unter wechselnden Besatzungsmächten. Wir erzählen Enteignung, Entnazifizierung", erklärt Produzentin Gabriela Sperl.
Die Nachwehen des Weltkriegs werden im ersten Teil als Auftakt einer neuen Zeit gezeigt. Über sieben Jahre - von 1945 bis 1952 - erstreckt sich diese Erzählung samt konfliktreicher Liebesbeziehungen, an der etablierte Größen wie Heiner Lauterbach, Nadja Uhl und Martina Gedeck mitwirken. Hinzu kommen Nachwuchstalente wie Henriette Confurius (23, "Die geliebten Schwestern"), Jonas Nay (24, "Homevideo") und Ludwig Trepte (26, "Unsere Mütter, unsere Väter"). Eine Dokumentation im Anschluss an den ersten Film und ein Multimedia-Portal im Internet ergänzen das Programm.
Deutsches Leben zwischen Seitenscheiteln und Strickdecken
Das Grenzdorf Tannbach, das dem realen Mödlareuth auf der Grenze zwischen Thüringen und Bayern nachempfunden ist, dient als Kulisse für ein Schaubild des deutschen Lebens zwischen Seitenscheiteln und Strickdecken. Da ist Graf Georg von Striesow (Lauterbach), der nach seiner Rückkehr von der Front von seinen Landsleuten als "Vaterlandsverräter" beschimpft wird und sich vor den Amerikanern für seine Taten verantworten muss. Da ist Liesbeth Erler (Uhl), die mit ihrem leiblichen Sohn Friedrich (Nay) und Ziehsohn Lothar (Trepte) eine neue Heimat sucht. Oder der opportunistische Altnazi Franz Schober (Alexander Held), der sich den Amerikanern als Informant andient. Rund 3000 Komparsen wurden eingesetzt, um das Bild zu komplettieren.
"Tatort"-Regisseur inszeniert "Tannbach"
Krieg, Flucht, Widerstand, Liebe und Trennung prägen den vielschichtigen Dreiteiler, der weit mehr ist als ein Mauerbau-Drama. Über allem liegt die quälende Kriegsschuld, intensiv und still inszeniert von Regisseur Alexander Dierbach ("Tatort: Großer schwarzer Vogel"). Besonders eindringlich ist die Darstellung einer von den Amerikanern auferlegten Filmvorführung der KZ-Schandtaten. 70 Jahre nach Kriegsende lenkt das ZDF mit dieser Szene zur besten Sendezeit auch den entsetzten Blick des Fernsehpublikums auf die Originaldokumente des Grauens, das die Vorgeschichte der deutschen Teilung bildete.
Als im ersten Teil die alten Nazi-Devotionalien verbrennen, protestiert Schobers Frau noch: "Nicht die schönen Erinnerungen!" Als die Sowjets im zweiten Teil mit der Enteignung des Grundbesitzes beginnen, heißt es schon vorwurfsvoll: "Wie bei den Nazis!" Erst zum Ende folgt die undurchlässige innerdeutsche Grenze, die die Autoren aus heutiger Sicht als "kurioses, geradezu irrwitziges Unding" beschreiben.
Akteure sind die Deutschen in "Tannbach" allerdings nur selten, eher erscheinen sie als Getriebene: Nazis wollen die meisten nicht gewesen sein, und über die Teilung Deutschlands entscheiden nicht sie, sondern die Besatzer. Diese Passivität als Leitmotiv, vom ZDF als "Schicksal einer Nation" zugespitzt, mag filmisch aufgehen, dem historischen Anspruch wird sie nur bedingt gerecht.
"Der Blick auf die Narben einer geteilten Vergangenheit ist Bestandteil unserer gemeinsamen Zukunft", sagen die Produzenten Quirin Berg und Max Wiedemann. Die Fragen, die sie aufwerfen, sind aktuell: Wie objektiv ist der Blick des Westens auf den Osten und in Gegenrichtung, welche Feindbilder bestehen noch heute? Diese Fragen kann "Tannbach" nicht beantworten. Der Mehrteiler zeigt aber den Ursprung einer Debatte über Ost und West, die auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung kaum Antworten gebracht hat.