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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Skisprung-Ikone über Norwegens Betrug Weißflog: "Ist zur Explosion gekommen"

Es ist ein Skandal, den es so im Skispringen noch nie gab. Nun hat sich auch Jens Weißflog zu dem Betrug der Norweger bei t-online geäußert.
Der Anzugbetrug der Norweger erschüttert die Skisprung-Welt (alles zur Manipulation lesen Sie hier). Dass das Team des nun suspendierten Cheftrainers Magnus Brevig bewusst und unerlaubt eine verstärkte Naht in Anzügen angebracht hat, beschäftigt auch Ikone Jens Weißflog.
- Skandal im Skispringen: "Eine Eskalation auf höchster Ebene"
Der 60-jährige dreifache Olympiasieger (1984 Normalschanze, 1994 Großschanze und Team) sagt t-online: "Was schon lange gärt, ist nun zur Explosion gekommen. Das tägliche Ausreizen des Reglements findet ja bei jedem Wettkampf statt." Der Weltverband (Fis) hatte zu dieser Saison neue Anzugregeln eingeführt. An einem Wochenende dürfen nur noch zwei Anzüge zum Einsatz kommen. Kontrolliert wird dies durch NFC-Chips. Diese werden in die Einzelteile der Anzüge eingefügt und bei jedem Wettkampf kontrolliert.
"Vertrauen in Ergebnis immer fragwürdiger"
Weißflog stellt jedoch fest: "Trotz aller Versuche der Fis, die Regeln noch enger zu fixieren, wird der Spielraum teils überreizt. Für den Zuschauer ist ja schon vieles nicht mehr nachvollziehbar." Dies zeigte sich auch Ende Januar, als der Slowene Timi Zajc beispielsweise im Teamwettbewerb in Willingen nach einer Anzugkontrolle im ersten Durchgang disqualifiziert wurde, weil die Weite seines Schrittes zu groß war. Sein Team schaffte dennoch die Qualifikation für den zweiten Durchgang, und Zajc durfte wieder mitspringen – in dem Anzug, der zuvor nicht den Ansprüchen entsprochen hatte. Auf einmal passte dann jedoch alles. Die Zuschauer wussten aber gar nicht, wieso.
"Durch solche Aktionen wird das Vertrauen in das durch sportlichen Wettkampf erzielte Ergebnis immer fragwürdiger", meint Weißflog daher in Bezug auf die Auswirkungen der norwegischen Manipulation und führt aus: "Das ist der Tanz auf der Rasierklinge, da ja nicht nur Zuschauer, sondern auch Sponsoren oder die öffentliche Hand in Sportarten investieren, wo ein Grundvertrauen in Fairness besteht." Die ersten Sponsoren der Norweger haben daher bereits Konsequenzen nach dem Betrug gezogen.
- Jens Weißflog: Vom besten Skispringer zum erfolgreichen Unternehmer
Der norwegische Rüstungskonzern Nammo sowie die Versicherungsgesellschaft Help haben angekündigt, sich von ihren Engagements zurückzuziehen.
"Für mich kaum nachvollziehbar"
Noch immer ist das komplette Ausmaß des Betrugs nicht klar. Zwar ist Norwegens Sportdirektor Jan Erik Aalbu in der Folge der Manipulation zurückgetreten, und auch Brevig und der Servicetechniker Adrian Livelten wurden suspendiert. Die Springer um Marius Lindvik und Johann André Forfang sollen angeblich nichts von dem Betrug gewusst haben. Ist das glaubwürdig? Weißflog: "Für mich kaum nachvollziehbar." Doch der viermalige Vierschanzentourneesieger weiß auch: "Vor Gericht zählt wohl auch hier, ohne Beweise, die Unschuldsvermutung."
- "Doping, nur mit einer anderen Art Nadel": Das steckt hinter dem Skisprung-Skandal
Der Deutsche Skiverband (DSV) nannte die Herangehensweise der Norweger "ohne jegliche Skrupel". Auch Weißflog hat so etwas im Skispringen bisher nicht erlebt: "Dieser Vorgang oder besser die Art und Weise ist wohl einzigartig, auch wenn es Disqualifikationen für nicht konforme Anzüge, zu lange Ski (heißt zu wenig Körpergewicht) schon fast täglich gibt."
"Es bedarf einfach härterer Sanktionen"
Noch immer finden die Anzugkontrollen durch den Weltverband Fis händisch statt. Sven Hannawald sprach sich im Gespräch mit t-online dafür aus, das Kontrollsystem zu ändern – durch eine Maschine (wie genau, lesen Sie hier). Warum? Hannawald erklärte: "Eine Maschine sagt Grün oder Rot, es gibt kein Gelb. Dementsprechend hoffe ich, dass in nächster Zukunft kein Mensch mehr die Messungen macht, sondern eine Maschine. Menschen sind in jeder Situation beeinflussbar."
Weißflog plädiert dafür, dass der Weltverband bei Verstößen stärker durchgreift: "Aus meiner Sicht bedarf es einfach härterer Sanktionen als einer Disqualifikation für den einzelnen Tag. Bei durch Disqualifikationen ausgesprochenen höheren Strafen, wie drei, fünf oder noch mehr Wettkämpfen Sperre, überlegt sich jeder, ob er beim Anzug, beim Ski, bei der Bindung oder beim Körpergewicht über Vorgaben hinausgeht."
- Eigene Anfrage bei Jens Weißflog
- Eigenes Gespräch mit Sven Hannawald
- t-online.de: "Sven Hannawald: 'Dann ist es eine andere Welt'"