Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Zverevs schmerzhaftes Aus Daran wird er wachsen
Alexander Zverev erlitt im Halbfinale der French Open den größten Rückschlag seiner Karriere und muss voraussichtlich länger pausieren – aufhalten wird ihn das aber nicht. Im Gegenteil.
Er war voll drin. Hat gekämpft, gefightet, auch gezaubert. Begeisternd mitgehalten hatte Alexander Zverev im Halbfinale der French Open mit Rafael Nadal, einem der besten Tennisspieler in der Geschichte des Sports. Auf Sand ist der Spanier auch mit 36 Jahren noch so gut wie unbezwingbar. Auch am Freitag gegen den Deutschen spielte der "König von Paris" zeitweise Tennis wie von einem anderen Stern, vollbrachte gleich mehrfach mit waghalsigsten Schlägen scheinbar Unmögliches – und konnte sich doch nicht entscheidend von seinem zehn Jahre jüngeren Gegner absetzen. Im Gegenteil.
Gerade ging es im zweiten Satz – nach bereits über drei Stunden Spielzeit – in den Tie-Break, Zverev wirkte frischer, mit mehr Energie als der Rekordsieger von Paris. Da schlug das Schicksal auf dem Court Philippe Chatrier gnadenlos zu.
Gerade noch schien sein großer Traum, sein "Lebensziel", wie es Bruder Mischa im Interview mit t-online beschrieb (mehr dazu lesen Sie hier), möglich: Der erste Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier. Olympiagold hat er schließlich schon, der Triumph bei einem der "vier Großen" aber blieb ihm bisher noch versagt. Auch Platz eins der Weltrangliste wäre ihm sicher gewesen.
Dann wurde er jäh zurückgeworfen, mutmaßlich schwer verletzt. Wie schwer, ist noch unklar. Besonders tragisch, zumal: Ob im Halbfinale gegen Nadal oder davor beim überzeugenden Sieg gegen Top-Talent Carlos Alcaraz – sein erster bei einem Grand Slam gegen einen Top-Ten-Spieler –, Zverev spielte das beste Tennis seiner Karriere.
Stärker, fokussierter – und weiser
So bleibt Alexander Zverev weiterhin das größte Versprechen, das das deutsche Tennis seit vielen Jahren hatte. Sein Potenzial bleibt unbestritten, er hat nicht nur das Zeug zum Weltklassespieler, er ist längst in der Elite seines Sports angekommen. Je nach Schwere seiner Verletzung wird er sich nun zurückkämpfen müssen.
Nicht nur gesundheitlich, auch sportlich. Wer die Tränen des 25-Jährigen gesehen hat, als er mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte, gestützt auf Helfer, sich vom Platz zu schleppen, und als er wenig später auf Krücken wieder zurückkehrte, um sich vor dem Pariser Publikum anständig zu verabschieden, kann nur, muss nur anerkennen: Dieser Alexander Zverev spielt, lebt, atmet Tennis. Und: Dieser Alexander Zverev kann und wird zurückkommen. Stärker, fokussierter – und weiser.
Im Februar noch, der Hamburger hatte bei einem Turnier gerade mal wieder seine Emotionen nicht im Griff, schrieb ich noch an ihn, den Hochbegabten, aber Unbeherrschten: "Verdammt noch mal, reiß Dich endlich zusammen!" (mehr dazu lesen Sie hier). Jetzt könnte die Bitte ans Schicksal lauten: "Verdammt noch mal, lass ihn doch spielen!"
An diesem Rückschlag wird Zverev wachsen. Für das deutsche Tennis. Für sein Lebensziel. Vor allem aber: Für sich selbst.