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Tour de France: Kampfansage von Tony Martin vor zweiter Etappe


Tour-Teamzeitfahren
Kampfansage von Martin: Wir sind der Top-Favorit

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InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 07.07.2019Lesedauer: 6 Min.
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Erfolgreiche Karriere: Tony Martin hat bereits fünf Tour-de-France-Etappensiege auf dem Konto.Vergrößern des Bildes
Erfolgreiche Karriere: Tony Martin hat bereits fünf Tour-de-France-Etappensiege auf dem Konto. (Quelle: imago-images-bilder)

Auf der zweiten Tour-Etappe steht heute das Mannschaftszeitfahren an. Tony Martin ist Spezialist dafür – und siegeshungrig wie lange nicht mehr. Dazu setzt sein Team auf seine "Panzerwagen"-Qualitäten.

Tony Martin hat eine große Leidenschaft: das Zeitfahren. Als Solist und mit der Mannschaft holte er sieben Weltmeister-Titel, dazu gewann er zahlreiche Tour-de-France-Etappen. Man sollte meinen, dass so jemand in seinem Team eine besondere Rolle inne hat – doch darauf hat der mittlerweile 34-Jährige bei der diesjährigen Tour gar keine Lust. Vor dem Mannschaftszeitfahren am Sonntag (ab 14 Uhr im Liveticker von t-online.de) erklärt er warum.

t-online.de: Sie fahren seit dieser Saison bei Jumbo-Visma, einem niederländischen Team. Was heißt auf Niederländisch eigentlich "Panzerwagen"?

(lacht) Das weiß ich gar nicht. Der Name bekommt im Moment auf jeden Fall ein bisschen Aufwind – und ist im Team positiv angesehen. Das war bei Katusha (Alpecin; Martins vorherigem Team, Anm. d. Red.) zuletzt nicht mehr so, aber bei Jumbo wird das Image wieder gepflegt.

Hintergrund ist, dass "Panzerwagen" Ihr Spitzname ist. Wie kamen Sie dazu?

Den hat sich Brian Holm, ein früherer Sportlicher Leiter von mir und absoluter Geschichts-Fan, ausgedacht. Der hat mich wegen meiner Fahrweise so genannt. Einem Panzerwagen schreibt man zu, unermüdlich zu sein, sich nicht aufhalten zu lassen, niemals zu stoppen. Und so ein ähnlicher Fahrertyp bin ich. Ein alter Diesel, der immer weiter und weiter fährt (lacht). Deswegen passt der Name ganz gut.

Mit zahlreichen WM-Titeln, Olympia-Silber und fünf Tour-Etappensiegen gehören Sie zu den am höchsten dekorierten Fahrern im Peloton. Trotzdem sagen Sie: "Meine Aufgabe besteht darin, Ausreißergruppen zu kontrollieren und zurückzuholen. Ich bin also eher der Mann fürs Grobe." Das klingt bei Ihrer langen Erfolgsliste durchaus verwunderlich.

Naja, ich hatte meine Erfolge und meine Freiheiten. Aber an einem gewissen Punkt muss man auch realistisch sein: Mit 34 Jahren gehöre ich mittlerweile zum etwas älteren Eisen, die Jungen rücken nach. Da muss man sich schon fragen, wie realistisch es ist, dass ich auf Ansage eine Etappe gewinne. Wir haben mit Dylan Groenewegen und Steven Kruijswijk Fahrer, bei denen die Chancen wesentlich besser sind. Davon abgesehen war ich mir auch zu meinen ganz erfolgreichen Zeiten nie zu schade, für Teamkollegen zu arbeiten. Insofern kommt das meinem Charaktertyp als Teamplayer entgegen. Nichtsdestotrotz bin ich natürlich besonders auf das Einzel- und das Mannschaftszeitfahren konzentriert – und habe, im kleineren Rahmen, auch meine eigenen Ziele.

Und die wären?

Ein großes Ziel ist das Mannschaftszeitfahren. Da gehen wir als Favoriten rein und möchten um den Sieg mitfahren. Die Strecke kommt uns zudem entgegen: lieber flacher als bergiger. Wir haben einige gute Tempobolzer, die gerade im Flachen stark sind – beispielsweise Wout Van Aert, der beim Critérium du Dauphiné (einem der wichtigsten Vorbereitungsrennen zur Tour, Anm. d. Red.) das Zeitfahren gewonnen hat.

Ist ihr Team damit der Top-Favorit?

Ganz klar: Ja, das sind wir. Vielleicht gehen die anderen da etwas verhaltener ran. Aber das ist mein persönliches Tour-Highlight und da möchte ich nicht um Platz drei, sondern um Platz eins fahren.

Was ist im Kampf gegen die Uhr besonders wichtig?

Ganz wichtig ist, dass nicht jeder versucht zu zeigen, dass er der Stärkste und Schnellste ist – und am schnellsten in der Führung sein kann. Es geht darum, das Ganze wirklich als Mannschaft zu gestalten. Die stärkeren müssen die etwas schwächeren Zeitfahrer unterstützen. Die goldene Regel ist: Es wird ein Tempo gefahren – es variieren nur die Führungslängen. Die stärkeren Zeitfahrer sind also etwas länger in der Führung, sodass sich die schwächeren ausruhen können. Das bekommen viele Fahrer nicht hin. Deshalb muss es richtig angeleitet sein. Das Wichtige ist, eine Strategie zu haben – mit ein bis zwei Säulen, die eine gewisse Marschroute ausgeben und an denen sich alle anderen orientieren. Denn: Wenn man mit acht Mann und fast 60 km/h zusammen fährt, ist das technisch nicht immer so einfach, gerade in den Kurven. Je weiter man auseinander fährt, desto mehr Windschatten verschenkt man.

Mit Christopher Froome oder Tom Dumoulin fehlen in diesem Jahr zwei Siegfavoriten aufgrund von Verletzungen. Macht das die Tour insgesamt spannender?

Wahrscheinlich schon. Für die beiden Jungs ist es natürlich sehr schade, gerade für Froome. Aber wenn man sieht, dass er, Vorjahressieger Geraint Thomas und Egan Bernal bei Ineos gemeinsam in einer Mannschaft gewesen wären, hätte das wahrscheinlich wieder dieses Roboterfahren zur Folge gehabt. Das ist natürlich relativ langweilig. Nun herrscht im Peloton eine gewisse Offenheit und auch Fahrer, die man aktuell noch nicht so auf dem Radar hat, können ihre Chance nutzen. Für die Dramatik ist das sicherlich förderlich.

Und wer ist der Top-Favorit?

Top-Favorit ist ganz klar Bernal. Der war zuletzt so stark und im Hochgebirge ist er schlichtweg unschlagbar. Mein Teamkollege Steven Kruijswijk wäre darüber hinaus so ein Fahrer, den aktuell vielleicht noch nicht viele für ganz vorne auf dem Schirm haben, der aber – gerade auch mit einem erfolgreichen Mannschaftszeitfahren – gute Chancen hat, am Ende zu den Überraschungen zu gehören.

Die Tour feiert 100 Jahre Gelbes Trikot. Sie waren 2015 der letzten Deutsche, der in Gelb fuhr. Wer ist der nächste Deutsche, dem das gelingen könnte?

Da fallen mir zwei Namen ein: Maximilian Schachmann und Emanuel Buchmann. Emanuel ist in seiner Entwicklung sicherlich schon etwas weiter, weil er schon einige Male die Tour de France gefahren ist. Außerdem ist er bei einwöchigen Rundfahrten schon aufs Podium gefahren. Deshalb ist er berechtigterweise Kapitän bei Bora-hansgrohe was das GC angeht. Und Schachmann ist gerade deutscher Straßenmeister geworden. Er ist ein aufstrebender Stern und wir werden in Zukunft noch viel von ihm sehen.

Nicht bei der Tour dabei ist Ihr Kumpel Marcel Kittel. Fährt er bald wieder Rennen?

Wir stehen in engem Kontakt und haben uns vor der Tour auch oft gesehen. Aber ganz ehrlich: Wie es weitergeht, muss er selber verkünden.

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Neben Kittel ist mit John Degenkolb ein weiterer deutscher Sprint-Star nicht dabei. Droht ohne die Beiden eine durchwachsene Tour-Bilanz?

Die beiden fehlen natürlich. Generell fehlen in diesem Jahr deutsche Top-Sprinter – weil auch Pascal Ackermann nicht dabei ist. Darüber hinaus sucht André Greipel gerade etwas seine Form. Sprinter fahren natürlich eher Etappensiege ein, als Fahrer wie Buchmann oder Schachmann. Deshalb muss die Leistung aber nicht zwangsläufig schwächer werden. Vorher wurde immer beklagt, dass es in Deutschland keine Gesamtwertungs-Fahrer gibt, und da sind wir gerade drauf und dran, mit Buchmann und Schachmann welche zu bekommen. Wenn Emanuel im Hochgebirge gerade in der letzten Woche die Form findet, könnte ich mir gut vorstellen, dass ihm dort ein Etappensieg gelingt.

In Frankreich wurde vor einigen Tagen die 45-Grad-Celsius-Marke geknackt. Wie wirken sich solche Temperaturen auf die Tour aus?

Das ist schon ein Horror. Am vergangenen Wochenende bin ich bei Gewitter und 35 Grad Celsius fünfeinhalb Stunden gefahren und habe mich nach einem Training ohne größere Intensität irgendwo zwischen Gut und Böse befunden. Das ist natürlich im Wettkampf noch extremer. Aktuell in Brüssel sieht es mit etwa 20 Grad allerdings human aus. Das passt schon. Ansonsten gibt es nur eine Möglichkeit: kühlen, kühlen, kühlen.


Beim Ironman in Frankfurt ist die Führende 1000 Meter vor dem Ziel bei der Rekordhitze zusammengebrochen. Ist Ähnliches auch bei der Tour möglich?

Das ist definitiv möglich. Wenn man über einen gewissen Punkt hinausgeht, erholt sich der Körper einfach nicht mehr. Man bewegt sich durchweg auf einem aushaltbaren Niveau, legt dann nur einmal ein paar Prozent drauf – und der Körper schaltet sofort ab. Das kann im Radsport auch passieren. Bei uns sind da zum Glück immer die Mannschaftsautos und Krankenwagen dabei, insofern sehe ich nicht das Problem, dass eine wirklich gefährliche Situation entstehen könnten.

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