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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tour-Hoffnung Schachmann über Doping-Enthüllungen "Das hat mich an den Punkt geführt, an dem ich aufhören wollte"
Maximilian Schachmann ist der Shooting-Star des deutschen Radsports. Nun nimmt er erstmals an der Tour de France teil – dabei hatte er mit dem Sport eigentlich schon abgeschlossen.
Etappensieger beim Giro d’Italia, Weltmeister im Mannschaftszeitfahren, deutscher Radsportler des Jahres 2018: Maximilian Schachmann gilt als wohl größtes deutsches Rad-Talent. Ein Start bei der Tour de France war dem 25-Jährigen lange nicht vergönnt – bis jetzt: Denn am Samstag startet der Profi vom Team Bora-hansgrohe in Brüssel (1. Etappe ab 14 Uhr im Liveticker von t-online.de) endlich in seine erste Frankreich-Rundfahrt. Dafür hat er sich einiges vorgenommen.
t-online.de: Sie sind am Sonntag deutscher Straßenmeister geworden und starten bei der Tour de France im schwarz-rot-goldenen Trikot. Ist das eine besondere Verpflichtung?
Maximilian Schachmann: Die Aufmerksamkeit steigt dadurch, gerade beim internationalen Publikum und man vertritt natürlich sein Heimatland. Von daher ist das schon eine besondere Verpflichtung – aber eine, auf die ich mich freue.
Sie waren kurz vor dem Ziel gleichauf mit Ihren Bora-hansgrohe-Teamkollegen Marcus Burghardt und Andreas Schillinger, die Sie dann haben gewinnen lassen. Wie kam diese Entscheidung zustande?
Das muss man letztendlich unsere Teamleitung fragen, die das so entschieden hat. Wir Fahrer waren uns aber auch einig, wofür ich den anderen natürlich sehr dankbar bin. Wir haben schon einen besonderen Zusammenhalt im Team und sind unter dem Strich ein großartiges Rennen gefahren – gerade weil auch die Konkurrenz sehr stark war. Da muss man erstmal mit drei Leuten davonfahren.
Obwohl Sie mit Ihren 25 Jahren schon einiges gewonnen haben, haben Sie auf Ihrer Website über die Tour geschrieben: "Dass ich dort eines Tages mal mitfahren darf, war schon immer mein Traum." Ist die Tour das Highlight Ihrer bisherigen Karriere?
Ja, weil das Rennen einfach omnipräsent ist und darüber am meisten berichtet wird. Das war schon so in meiner Jugend. Da habe ich in den Sommerferien am Fernseher meine Helden verfolgt. 2007 bin ich dann mit meinem Vater zur Tour gefahren und war als Zuschauer am Berg dabei, als Linus Gerdemann ins Gelbe Trikot gefahren ist. Das war schon mitreißend. Allein deshalb ist es für mich etwas ganz Besonderes, nun auf der anderen Seite zu stehen (lacht).
Bei der Tour 2007 sorgte Alexander Winokurow mit positiven Dopingtests für einen Riesenskandal. Wie haben Sie das damals wahrgenommen?
An die Winokurow-Geschichte kann ich mich, ganz ehrlich, nicht mehr so genau erinnern. Die Doping-Problematik wurde für mich erst mit etwa 16 Jahren präsenter, weil das Schulende mit dem Abitur absehbar war und ich mich gefragt habe, was ich danach machen möchte – und was mich erwartet, wenn ich den Karriereweg eines Radprofis beschreite. Die Dopingfrage war schon immer eine Problemfrage für mich. Das hat mich an den Punkt geführt, an dem ich mit dem Radsport aufhören und mich auf ein Studium konzentrieren wollte. Das hat sich aber nochmal geändert und ich habe wieder ein besseres Gefühl bekommen, was den Sport angeht
Die zahlreichen Dopingenthüllungen haben Sie also massiv daran zweifeln lassen, überhaupt Radprofi zu werden?
Ja, denn 2004 bis 2008 waren mit zahlreichen Doping-Enthüllungen schwierige Jahre für die Glaubwürdigkeit des Radsports. Besonders schlimm war, dass da systematisches, von Teams organisiertes, Doping stattgefunden hat. Für mich war immer klar, dass Doping absolut keine Option für mich ist. Und nach diesen Enthüllungen habe ich schon gegrübelt. Für mich war klar: Wenn es soweit kommt, dass ich sowas machen muss, höre ich auf.
Was hat sich seitdem im Radsport verändert?
Da muss ich natürlich aus unterschiedlichen Blickwinkeln vergleichen: Denn damals war ich Zuschauer, jetzt stecke ich drin. Für mich hat sich glücklicherweise herausgestellt, dass die Sachen, über die damals berichtet wurden, in den Teams, in denen ich bisher war, definitiv nicht existieren. Und ich bin mir sehr, sehr sicher, dass das heute auch in keinem anderen Team so existiert…
… Sie meinen von den Teams organisiert Doping?
Genau. Es ist eher das Gegenteil. Als Profi unterschreibt man Verträge, nach denen man im Fall eines positiven Dopingfalls Schadensersatz zahlt, auf Verteidigung verzichtet und noch vieles mehr. Da hat ganz klar ein Umdenken stattgefunden. Man ist sich bewusst, dass so ein Doping-Fall das Aus ist – und zwar nicht nur für einen Fahrer, sondern auch für ein ganzes Team. Und da hängen einige Arbeitsplätze dran.
Nochmal zur aktuellen Auflage der Tour. Was haben Sie sich dort vorgenommen?
Erstmal geht es ums Team: Peter Sagan will zum siebten Mal das Grüne Trikot gewinnen und mit Emanuel Buchmann und Patrick Konrad haben wir zwei Fahrer, die im Gesamtklassement weit vorne landen wollen. Wenn man die Tour kennt, weiß man, wie wichtig eine gute Mannschaft ist, um solche Ziele zu verfolgen – und da komme ich dann ins Spiel. Ich werde vorranging Peter aber auch Emanuel und Patrick unterstützen. Darüber hinaus werde ich schauen, beispielsweise auf einer Überführungsetappe bei einer guten Rennkonstellation auch mal anzugreifen und in eine Fluchtgruppe zu kommen.
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In Deutschland ruhen viele Hoffnungen auf Buchmann. Er könnte als erster deutscher Fahrer seit einem Jahrzehnt wieder in die Top 10 im Gesamtklassement fahren. Wie ist Buchmann in Form?
Ich war gerade mit ihm einige Tage im Höhentrainingslager in Italien und er macht wirklich einen sehr, sehr starken Eindruck (lacht). Das spiegelt sich auch in seinen Ergebnissen wieder – zuletzt beim Critérium du Dauphiné (einem der wichtigsten Vorbereitungsrennen zur Tour, Anm. d. Red.), dass er als hervorragender Dritter beendet hat.
Dabei lag ihm das Profil eigentlich gar nicht. Es hätte in den Bergen ruhig noch ein bisschen knackiger sein können…
… was bei der Tour, die in diesem Jahr sehr berglastig ist, der Fall ist. Kann Buchmann dort sogar das Podium angreifen?
Ja, warum nicht? Denn er ist schon zweimal bei sehr schweren Rundfahrten aufs Podium gefahren. Wenn er in der Lage sein sollte, sein jetziges Leistungsvermögen am Berg und in den Zeitfahren abzurufen, weiß ich nicht, was dem im Weg stehen sollte. Wobei: Das ist vielleicht etwas zu locker formuliert (lacht) – sagen wir mal: Die Fähigkeiten dazu hat er bestimmt.
Mit Christopher Froome oder Tom Dumoulin fehlen in diesem Jahr einige Siegfavoriten verletzungsbedingt. Macht das die Tour insgesamt spannender?
Das kommt ganz auf die Fahrweise der Teams an. Beim Giro d’Italia hat man gesehen, was passiert, wenn das Team Ineos (zuvor Sky, dessen Fahrer sechs der letzten sieben Tour-Auflagen gewonnen haben, Anm. d. Red.) nicht so dominiert: Das Rennen wird einfach offener und vielfältiger. Was Angriffe und Fluchtgruppen angeht passiert viel mehr als sonst. Außerdem gab es ständige Wechsel im an der Spitze des Gesamtklassements. Sowas passiert eben nicht, wenn Ineos so ein hohes Tempo anschlägt wie zuletzt oft bei der Tour. Durch den Ausfall von Chris Froome ist das Team jetzt geschwächt. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Tour spannender wird.
Und Ihr Teamkollege Peter Sagan: Überflügelt er Erik Zabel und holt zum siebten Mal das Grüne Trikot?
Ja, ich halte das für sehr wahrscheinlich. Zuletzt bei der Tour de Suisse hat Peter sich in sehr guter Verfassung präsentiert. Dazu ist er ein sehr konstanter Fahrer – und beim Grünen Trikot geht es eben nicht nur um die meisten Siege, sondern vor allem ums generelle Punktesammeln. Das kann Peter einfach wie kein Zweiter.
Sagan gilt als bunter Vogel. Was ist er für ein Typ?
Ich habe ihn als sehr coolen Kerl kennengelernt. In den Rennen ist er schon fokussiert, in der Off-Season ist Peter aber schon etwas lockerer drauf. Ich fahre gerne mit ihm – obwohl er im Rennen schon speziell ist. Er macht oft sein eigenes Ding. Andere wollen ganze Sprint-Züge, Peter sagt stattdessen: "Fahrt mal alle um mich herum – und dann suche ich mir hier im Sprint schon meinen Weg." Das fand ich am Anfang schon interessant (lacht). Es ist beeindruckend, wie er das auf dem Niveau selber managet und sich dabei wohlfühlt. Davon abgesehen fand ich sehr besonders, dass ein Fahrer seines Kalibers bei einem Rennen wie den Amstel Gold Race zu mir als jungem Fahrer offen sagt: "Ich fühle mich nicht optimal. Du bist dagegen echt gut drauf. Ich helf‘ Dir!" Und dann kümmert er sich um die Flaschen oder fährt einen nach vorne. Das ist schon cool.
Sagan inszeniert sich als unkonventioneller Rock-’n'-Roll-Radprofi. Sorgt er im Teamhotel für die Stimmung und macht den Team-DJ?
Nein, das gibt es bei uns nicht. Wir haben in unserem Truck zwar eine Anlage, da läuft schon ein bisschen Musik, aber da hat vor allem unser Busfahrer seine coole Playlist…
… und was für Songs beinhaltet diese?
(lacht) Ganz vorne dabei ist gerade Scatman von Scatman John. Das wird jetzt wohl jeden Tag auf dem Weg zum Start laufen. Und er sitzt dann da und rangiert zu dem Song diesen Riesenbus. Das macht einfach gut Laune.
In Frankreich wurde vor einigen Tagen die 45-Grad-Celsius-Marke geknackt. Wie wirken sich die Rekordtemperaturen auf die Tour aus?
Ich bin gespannt, ob es so warm bleibt und habe ein bisschen die Angst, dass nach der Hitze- die Kältewälle kommt. Hoffentlich wird es nicht zu kalt. 25 bis 34 Grad Celsius wären optimal – das ist schönes Radfahrwetter. Die extreme Hitze nagt natürlich an einem und das ist gerade bei Bergetappen schon übel. Dem werden wahrscheinlich einige Fahrer zum Opfer fallen. Weil die Leistungsdifferenzen dadurch noch ausgeprägter werden.
Was macht man als Fahrer, um sich abzukühlen?
Wichtig ist, dass man seinen Körper langsam an die Hitze gewöhnt. Ansonsten sind die Mittel ganz klassisch – aber auch begrenzt. Vor dem Start muss man viel Flüssigkeit mit Mineralstoffen zu sich nehmen. Gut ist, dass wir sehr kohlenhydrathaltig essen, was zusätzlich Wasser einlagert. Und im Rennen heißt es dann einfach, permanent zu trinken. Insgesamt reden wir da sicherlich über bis zu acht, neun Litern Wasser am Tag.
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Irgendwann hat man einen richtig vollen, mit Wasser gefüllten Magen, mit dem es sich sehr unangenehm fährt. Das Problem: Eigentlich ist man schon ausgetrocknet, da der Körper es gar nicht schafft, das Wasser so schnell vom Magen zu anderen Stellen zu transportieren. Von daher muss man sich auch von außen kühlen und nass halten. Dazu legen wir uns beispielsweise Eiswürfel in Nylonsocken in den Nacken.