Solo-Sieg in den Alpen Simon Geschke feiert größten Erfolg seiner Karriere
Mit einem Lächeln schaute sich Simon Geschke ein letztes Mal um, dann breitete der bärtige Berliner die Arme aus und brüllte seine unbändige Freude mit einem Urschrei heraus. Mit einem sagenhaften Solo über das "Dach der Tour" hat sich der deutsche Radprofi den Traum vom ersten Etappensieg bei der Frankreich-Rundfahrt erfüllt.
Der 29-Jährige kletterte im Alleingang über den höchsten Berg der diesjährigen Tour de France und kämpfte sich nach insgesamt 161 Kilometern in Pra-Loup zum bislang größten Erfolg seiner Karriere. "Das ist ein unwirklicher Moment. Ich habe noch nicht so viel gewonnen in meiner Laufbahn. Ich werde zwei bis drei Jahre brauchen, um das zu realisieren", sagte Geschke mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen: "Ich habe es mit der Brechstange probiert, bin über die Schmerzgrenze gefahren."
Für die deutschen Fahrer war es bereits der fünfte Tagessieg bei der Tour 2015. Zuvor waren der inzwischen ausgestiegene Tony Martin sowie dreimal Sprintstar André Greipel erfolgreich gewesen.
Angriff nach Zwischensprint
Geschke war auf der 17. Etappe Teil einer großen Fluchtgruppe, die sich nach einer rasanten ersten Rennstunde bildete. Nach dem einzigen Zwischensprint des Tages rund 50 Kilometer vor dem Ziel suchte Geschke dann sein Glück als Einzelkämpfer. Auf dem Weg zum Col d'Allos bewies er seine Kletterqualitäten. Auch auf der halsbrecherischen Abfahrt, auf der sein Verfolger Thibaut Pinot (Frankreich/FDJ) stürzte, blieb er cool.
"Ich habe in der Abfahrt viel riskiert, aber auch nicht alles. Ich habe versucht, mich auf die Ideallinie zu konzentrieren. Heute hat alles gepasst", sagte Geschke überglücklich, der obendrein noch zum kämpferischsten Fahrer der Etappe gekürt wurde.
Überschwänglich feierten seine Teamkollegen den Berliner im Ziel, der sich endlich den verdienten Lohn für seine treuen Helferdienste abholte. "Ich habe hier eigentlich nichts zu suchen", sagte Geschke, dem es ungläubig immer wieder die Sprache verschlug.
Froome souverän, van Garderen steigt aus
Im Kampf um den Gesamtsieg setzte Christopher Froome seine Show fort, der Brite steuert seinem zweiten Gesamtsieg entgegen. Der 30 Jahre alte Träger des Gelben Trikots knüpfte an die starken Leistungen in den Pyrenäen an und wehrte alle Angriffe der Konkurrenz mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit ab. Die Debatte um seine Leistungsdaten, die seine Sky-Mannschaft angesichts anhaltender Doping-Zweifel tags zuvor veröffentlicht hatte, prallte an ihm ab.
Froome profitierte zudem vom Pech seiner Gegner. Giro-Sieger Alberto Contador (Spanien/Tinkoff-Saxo) stürzte in der Abfahrt vom Col d'Allos, musste das Rad wechseln und verlor über zwei Minuten auf seine Rivalen. Auch eines weiteren großen Rivalen entledigte sich Froome ohne eigenes Zutun. Der US-Amerikaner Tejay van Garderen (BMC Racing), vor Etappenbeginn Dritter der Gesamtwertung, verlor von einer Krankheit geschwächt schon an der ersten und vergleichbar leichten Bergwertung den Anschluss an die Top-Favoriten.
Statt an der Spitze das Geschehen mitzubestimmen, quälte sich van Garderen noch knapp zwei Stunden an der Seite der abgehängten Fahrer und stieg letztlich unter Tränen vom Rad. Die Tour de France ist für den Vorjahresfünften beendet.
So scheint einzig der Kolumbianer Nairo Quintana dem Briten Froome den zweiten Gesamtsieg nach 2013 noch ernsthaft streitig machen. Der Rückstand des zweitplatzierten Bergflohs aus den Anden beträgt allerdings bereits 3:10 Minuten.