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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Basketballer hadern nach Bronze-Pleite Vollkommen am Boden
Nach dem verpatzten Olympia-Halbfinale verlieren die deutschen Basketballer auch das Spiel um Bronze. Die Enttäuschung war dabei förmlich greifbar – auch aufgrund des Trainers.
Aus Paris berichtet Alexander Kohne
Leicht nach vorn gebeugt stand Moritz Wagner mit den Händen auf den Knien am Mittelkreis und starrte den Boden an. Dort war neben ihm das Logo der Olympischen Spiele eingelassen.
Fast eine ganze Minute schien er so über die Geschehnisse der vergangenen Tage in Paris zu sinnieren. Dabei störte den 2,11 Meter großen Berliner nicht, dass das serbische Basketballteam direkt hinter ihm einen ausgelassenen Jubeltanz aufführte.
Wagner: "Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man"
"Wir haben fast 90 Punkte gescored, aber Serbien ist ein gutes Team. Manchmal gewinnt man, manchmal verliert man – so ist der Sport", sagte Wagner in einer Presserunde in den Katakomben der Bercy Arena.
Ganze 90 Zähler waren es beim 83:93 gegen das Team vom Balkan zwar nicht, letztendlich hätte aber auch das nichts an der Niederlage und dem damit verbundenen Verpassen der olympischen Bronzemedaille geändert.
Als Ziel hatte das Team des Deutschen Basketball Bundes (DBB) vor den Spielen den Olympiasieg ausgegeben – und bis zu den entscheidenden beiden Partien sah auch einiges danach aus.
Doch nach dem verlorenen Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich (69:73) am Donnerstag und der Niederlage gegen die starken Serben steht der amtierende Weltmeister mit leeren Händen da.
Alle Spiele bis zum Halbfinale gewonnen
Dabei hatten Moritz Wagner, Dennis Schröder und Co. bis dahin alle Spiele gewonnen. Entsprechend fiel Wagners Fazit aus: "Es kann nicht immer sein, dass man der Hero ist, wenn man gewinnt, und die Zero, wenn man verliert", erklärte der Forward von den Orlando Magic mit durchaus trotziger, leicht ironischer Attitüde.
"Manchmal ist es halt scheiße", schob er nach und ging mit zwei nach oben gestreckten Daumen ein "schönes Wochenende" wünschend seines Weges.
An Wagners Reaktion war abzulesen, wie tief die Enttäuschung beim deutschen Team saß. Denn nach EM-Bronze 2022, dem Weltmeistertitel 2023 und über eineinhalb Jahren ohne Niederlage, glaubten die Schützlinge von Trainer Gordon Herbert bei Olympia fest an den ganz großen Wurf – trotz der mit Superstars gespickten US-Amerikaner.
"Ein Lebensabschnitt kommt zum Ende. Die Spieler haben drei Jahre lang ihr Herz und ihre Seele gegeben, es ist wie eine Familie", sagte der Weltmeister-Coach auf der Pressekonferenz nach dem Serbien-Spiel. Dabei kämpfte er mit den Tränen.
Herberts neue Aufgabe beim Branchenprimus
"Ich bin gerade traurig, weil das hier zu einem Ende gekommen ist. Es war ein wahnsinniger Ritt in den letzten drei Jahren, von solchen Jungs kann man als Coach nur träumen", fügte der Kanadier an. Nach den Spielen von Paris wird er beim deutschen Basketball-Branchenprimus FC Bayern München anheuern.
In den vergangenen Jahren entwickelte sich zwischen Herbert und dem DBB-Team eine besondere Chemie – eine Chemie, die die erfolgreichste Zeit in der Geschichte der Sportart in Deutschland ermöglichte.
Das Team sei "heartbroken", ihm sei also das Herz gebrochen worden, erklärte Kapitän Schröder neben seinem Trainer sitzend. "Wir danken dem Coach für alles, was er getan hat, er hat uns so viel gebracht. In den drei Jahren haben wir zwei Medaillen geholt, wir wollten eine dritte. Aber wir haben trotzdem etwas Einzigartiges erreicht und schauen nach vorne", fügte der deutsche Vorzeigebasketballer an.
Für Schröder wird nun wieder sein Job in der NBA bei den Brooklyn Nets im Vordergrund stehen. Ganz ohne einen Blick nach vorn wollte der Spielmacher Paris aber nicht verlassen: "Wir wollen nächsten Sommer für etwas Großes zurückkommen", sagte der 30-Jährige im Hinblick auf die dann anstehende Europameisterschaft. Spätestens da war der Siegeswille, den Trainer Herbert dem Team eingeimpft hat, wieder zurück.
- Eigene Beobachtungen in der Arena Bercy
- Pressegespräch mit Moritz Wagner