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Olympia-Star Malaika Mihambo: "Hatte sehr viel mit Versagensängsten zu kämpfen"


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Olympiasiegerin Mihambo
"Sportliche Probleme haben sich in mentale verwandelt"

  • Melanie Muschong
InterviewVon Melanie Muschong

08.08.2024Lesedauer: 6 Min.
Malaika Mihambo: Sie ist kürzlich Europameisterin geworden.Vergrößern des Bildes
Malaika Mihambo: Sie ist kürzlich Europameisterin geworden. (Quelle: IMAGO/Sven Beyrich/imago-images-bilder)
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Malaika Mihambo ist erfolgreiche Weitspringerin und hat schon sämtliche Titel gesammelt. Im Interview spricht sie über Druck und Versagensängste.

Aus Paris berichtet Melanie Muschong

Sie hat alle Titel geholt, die eine Leistungssportlerin gerne im Schrank hätte. Malaika Mihambo wurde 2018 Europameisterin und kürte sich 2019 und 2022 zur Weltmeisterin. In Tokio vor drei Jahren wurde sie Olympiasiegerin. Die Spiele in Paris kann sie gelassen angehen, und doch will sie ihren Erfolg aus Tokio wiederholen. Am Donnerstagabend steht für sie das Finale an.

Im Interview spricht die Weitspringerin nun über das, was hinter den Kulissen einer Top-Athletin stattfindet: Versagensängste, Erwartungen und Druck. Doch die 30-Jährige verrät auch, wie sie sich davon gelöst hat – und was ihr bis heute hilft, damit umzugehen.

t-online: Frau Mihambo, wie sieht Ihre typische Trainingswoche aus?

Malaika Mihambo: Das hängt immer von der Phase ab, in der ich mich befinde. Jetzt gerade ist die Trainingsphase so aufgebaut, dass ich in der Regel eine Haupttrainingseinheit von zweieinhalb bis dreieinhalb Stunden am Tag habe. Habe ich nur ein Krafttraining auf dem Programm, kann es auch mal nur eine Stunde sein. An manchen Tagen trainiere ich auch zwei Einheiten pro Tag.

Wie viel trainieren Sie dabei Ihren Körper und wie viel das Mentale?

Beim Training steht der Körper im Vordergrund. Trotzdem ist es wichtig, dass ich mir immer wieder bewusst mache, was ich besser machen will. Auch im Vergleich zum Durchgang davor und wie ich das umsetze, was der Trainer von mir fordert. Daher hat das auch eine mentale Komponente, weil man ja immer bei der Sache sein muss. Auf jeden Fall geht es nicht nur um den Körper.

Sie nehmen sich also auch Zeit fürs Mentale, für sich?

Ja. Ich meditiere oder journale, das heißt, ich schreibe auf, was mich bewegt, wo ich Druck verspüre, wo Ängste sind, aber auch alte Glaubenssätze, die hochkommen. Ich decke meine eigenen Muster auf. Und dann schaue ich, wie ich mehr von den Dingen in mein Leben bringen kann, die mir guttun.

Sie meditieren seit 2018 regelmäßig. Haben Sie da feste Zeiten?

Ich hatte Phasen, in denen ich es sehr regelmäßig gemacht und es auch zu einem festen Zeitpunkt in den Tag integriert habe. Das ist jetzt nicht mehr so, weil inzwischen jeder Tag anders ist und es für mich schwierig ist, da Routinen aufrechtzuerhalten. Aber es geht auch nicht um die Routinen oder darum, dass man es jeden Tag macht.

Sondern?

Ich habe gelernt, dass es hilft, sich mit Achtsamkeit oder Mediation einen bewussten Atemzug zu nehmen oder sich mit seinem Körper zu verbinden. Was fühle und denke ich gerade? Wie geht es mir gerade? Es nützt nichts, wenn ich eine halbe Stunde am Tag meditiere und die restlichen 23 Stunden am Rad drehe. Deshalb mache ich es sehr regelmäßig, weil ich weiß, dass es mich zu mir selbst in meine Mitte zurückbringt. Aber ich versuche eben auch, über den Tag immer wieder zu mir selbst zurückzukommen. Ich lerne dadurch viel über mich und kann besser auf mich achtgeben.

Hilft das, mit Druck besser umzugehen?

Auf jeden Fall. Es gibt mir die Möglichkeit, eine Beobachterrolle einzunehmen, sodass ich auch unter Druck in einem Wettkampf noch feststellen kann, was mir gerade fehlt und was ich brauche. Aber es hilft mir auch, mit Versagensängsten oder Zukunftsfragen umzugehen. Man ist entweder in der Zukunft oder der Vergangenheit und es hilft mir, ins Hier und Jetzt zu kommen. Der Moment im Jetzt ist der Einzige, in dem ich handlungsfähig bin.

Sie hatten schon Mal Versagensängste?

Ja, natürlich. Bei den Weltmeisterschaften 2019 in Doha hatte ich sie während des Wettkampfs. Ich hatte schon einen ungültigen Sprung und einen, der viel zu weit vom Brett weg war. Ich wusste, wenn ich jetzt nicht liefere, bin ich aus dem Wettkampf ausgeschieden. Als ungeschlagene Favoritin, die ihre Wettkämpfe zuvor mit 20 bis 30 Zentimetern Vorsprung gewonnen hatte, wäre das sehr ärgerlich gewesen. Da war es wichtig, loszulassen und mir zu sagen: Ich habe jetzt noch diese eine Chance, die nutze ich. Ich ließ dabei so los, dass ich das Gefühl hatte, es gebe weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft, sondern nur diesen einen Moment.

Video | Malaika Mihambo meldet sich nach Atemproblemen
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Quelle: reuters

Wie gefährlich sind Versagensängste?

Sehr. 2021 zum Beispiel hatte ich im Olympiajahr sehr viel mit Versagensängsten zu kämpfen. Damals haben sich die sportlichen, technischen Probleme irgendwann in mentale verwandelt. Zu dieser Zeit ist es mir generell schwergefallen, mein Potenzial zu entfalten, weil ich einfach gar nicht mehr wusste, was ich noch anders machen soll. Ich war verzweifelt und habe nicht verstanden, was ich noch tun kann, damit ich wieder besser ins Springen komme.

Waren das vor allem selbst gemachte Versagensängste?

Ja, aber auch nicht nur. Ich wusste z. B. in Doha, wenn ich in die Mixed Zone komme, wird mich auch ein Journalist danach fragen, was los war. Und nicht nur einer, sondern alle. Das, was ich mache, mache ich ja nicht unbeobachtet. Mir schauen sehr viele Menschen zu und jeder hat dazu eine Meinung. Ob das ein Journalist, Fan oder Trainer ist.

Wie haben Sie es geschafft, mit diesen Ängsten umzugehen?

Versagensängste werden dadurch ausgelöst, dass ich mich übermäßig über meinen Erfolg definiere und das meinen Selbstwert bestimmt. Da habe ich für mich gelernt, loszulassen und an mich zu glauben. Auch unabhängig davon, ob ich jedes Mal liefere oder eben unter meinen Möglichkeiten bleibe. Ich halte trotzdem zu mir. Es ist leicht, an sich zu glauben, wenn man es sich mit dem Erfolg beweisen kann. Aber in einer Zeit an sich zu glauben, in der schon andere aufhören, an einen zu glauben, das ist die eigentliche Kunst. Das ist eine harte Lektion gewesen, aber eine, die mir sehr viel gebracht hat. Ebenso wie das Entkoppeln von Selbstwert und Leistung.

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Wie hat sich diese Erfahrung auf Ihre Leistung ausgewirkt?

Positiv, aber auch da war es kein Schalter, der sich umgelegt hat. Ich war nicht plötzlich auf einer Erfolgswelle. Es ging besser, weil ich nicht auch noch selbst an meinem Stuhl gesägt und mich an den "Niederlagen" aufgerieben habe. Die Situation war schon schwer genug. Ich habe Babyschrittchen gemacht und hätte mir eigentlich gewünscht, dass die Spiele damals noch mal verschoben worden wären (lacht).

Und dennoch sind Sie Olympiasiegerin geworden. Wie gehen Sie aktuell mit den Versagensängsten um?

Ich habe sie abgelegt, weil ich weiß, dass ich schon jeden großen Titel gewonnen habe. Ich freue mich, dass ich so eine tolle Karriere gehabt habe, erfolgreicher, als die meisten Athleten sich das nur erträumen können. Daher bin ich sehr zufrieden und bescheiden. Es muss nicht immer noch mehr sein. Ich lege diesen Druck ab und springe aus einer Leichtigkeit heraus, weil ich niemandem mehr etwas beweisen muss. Weder mir noch anderen Menschen. Wegen dieser Freiheit glaube ich, noch besser springen zu können.

Klingt, als würden Sie Sport auch genießen.

Ja, Sport ist für mich heute viel mehr, als er es früher war. Früher ging es "nur" ums Gewinnen, darum, Erste zu sein und Medaillen zu holen. Jetzt mache ich ihn aus Neugier heraus: Es reizt mich, herauszufinden, wie weit ich noch springen kann. Auf der anderen Seite entwickelt der Sport an sich schon eine soziale Kraft. Er verbindet Menschen, und das finde ich superfaszinierend. Teil davon zu sein und für Menschen als Inspirationsquelle zu dienen und sie stark zu machen, das macht mir Spaß. Das ist auch ein Grund, warum ich immer noch so gerne Sport mache.

Was macht Sie als Person aus?

Ich bin jemand, der bescheiden ist. Ich versuche, anderen etwas zurückzugeben und mich nicht zu wichtig zu nehmen. Auch offen zu sein für die Perspektiven von anderen Menschen. Manche erzählen lieber, ich höre gerne zu und verstehe. Ich mag tiefgründige Gespräche und generell alles, was einen dazu bringt, in die Tiefe zu gehen. Ob es Bücher sind, Filme, Gespräche oder die eigene Auseinandersetzung mit sich selbst. Ansonsten schätze ich auch Freundlichkeit.

Wie gehen Sie mit Ihrer Bekanntheit um?

Medien oder auch soziale Medien, Print oder Fernsehen laden dazu ein, sehr viel um sich selbst zu kreisen. Ich versuche, das zu vermeiden. Ich glaube, mir gelingt das sehr gut, weil ich gelernt habe, es für mich zu entkoppeln. Ich sehe mich nicht als besseren oder besonderen Menschen an, nur weil ich beispielsweise Olympiasiegerin geworden bin.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Ich würde mir wünschen, dass wir es als Weltgesellschaft schaffen, achtsamer und friedlicher miteinander zu leben.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Malaika Mihambo
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