Tennis Sinners knifflige Mission mit Doping-Schatten
Vor einem Jahr eroberte Jannik Sinner noch unbeschwert den Tennis-Thron in Melbourne. Doch die ganz große Leichtigkeit spürt er nicht mehr. Das hat auch mit seinen positiven Doping-Tests zu tun.
Eine kleine Schraube war für Jannik Sinner bislang die größte Hilfe. Körperlich geschwächt drohte Italiens Tennisstar in der Hitze-Schlacht gegen den Dänen Holger Rune das frühe Aus, als plötzlich die Schraube brach, die das Netz mit dem Boden verbindet. In der 20-minütigen Pause konnte sich Sinner sammeln und etwas erholen. "Es war großes, großes Glück für mich", sagte der Weltranglistenerste nach dem doch noch gewonnenen Achtelfinale der Australian Open.
Davor und danach konnte sich der 23-Jährige komplett auf sein Ausnahmekönnen verlassen. Sinner zog bis auf den kurzen Einbruch gegen Rune fast ein wenig unscheinbar ins Halbfinale am Freitag (9.30 Uhr MEZ) gegen US-Profi Ben Shelton ein. Die ganz große Action findet in der anderen Turnierbaum-Hälfte mit Alexander Zverev, Novak Djokovic und Carlos Alcaraz statt.
Doch das ist Sinner gar nicht unlieb. Er will sich ein Jahr nach seinem ersten Grand-Slam-Titel bei seiner Mission Titelverteidigung nicht noch zusätzlich ablenken. Der Druck, der in diesen Tagen in Melbourne auf ihm lastet, ist ohnehin enorm. Nicht nur, weil er plötzlich der Gejagte ist. Sondern auch, weil ihn ein Doping-Schatten begleitet.
Sinner droht weiter eine Sperre
"Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es vergessen habe", hatte Sinner zu Beginn des Turniers über seinen nach wie vor nicht zu den Akten gelegten Doping-Fall gesagt: "Es ist etwas, was ich jetzt schon ziemlich lange mit mir herumtrage." Und auch noch knapp drei Monate mit sich herumtragen wird.
Der Internationale Sportgerichtshof Cas setzte die Verhandlung nach einem Einspruch der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada für den 16. und 17. April an. Sinner droht eine Sperre von bis zu zwei Jahren, auch wenn er felsenfest von einem endgültigen Freispruch ausgeht: "Ich habe nichts falsch gemacht. Deshalb bin ich noch hier, deshalb spiele ich noch."
Sinner wurde im März zweimal positiv auf das verbotene anabole Steroid Clostebol getestet. Eine Sperre bekam er nicht, weil ihm laut verantwortlicher Agentur Itia kein vorsätzliches Verschulden und keine Fahrlässigkeit nachgewiesen werden konnte. Sinner hatte erklärt, dass die verbotene Substanz bei einer Massage über die Hände seines Physiotherapeuten in seinen Körper gelangt sei.
Schwärmen vom Halbfinal-Gegner
Problematisch war für viele Tennis-Kollegen aber vor allem, dass Sinners Fall erst viele Wochen nach den positiven Tests publik gemacht wurde. Sollte der Südtiroler angesichts der Debatte in Melbourne wieder siegen, hätte dieser Triumph für viele einen Makel.
Doch damit will sich Sinner noch nicht beschäftigen. Zuerst soll der Finaleinzug her - und das dürfte gegen den unbekümmert aufspielenden Shelton kein einfaches Unterfangen werden. Der 22-Jährige sei "einer der stärksten Aufschläger" überhaupt und "ein Allround-Spieler", der kaum Schwächen habe, sagte Sinner.
Doch natürlich ist der Dominator des Vorjahres der Favorit - auch in einem möglichen Endspiel gegen den Sieger des zweiten Halbfinals zwischen dem Hamburger Alexander Zverev und dem 24-maligen Grand-Slam-Turniergewinner Novak Djokovic. Vom Kraftakt gegen Rune habe er sich "sehr gut erholt", bestätigte Sinner. Auch die Bluttests hätten keinen Anlass zur Sorge ergeben.
- Nachrichtenagentur dpa