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Leichtathletik-EM: Was bedeutet der Erfolg für Olympia 2024 in Paris?


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Deutsche Erfolge bei Leichtathletik-EM
"Bei Olympia hat er keine Chance"


Aktualisiert am 23.08.2022Lesedauer: 6 Min.
Richard Ringer am Ziel: Bei der Leichtathletik-EM gewann der Marathonläufer sensationell Gold für Deutschland.Vergrößern des Bildes
Richard Ringer am Ziel: Bei der Leichtathletik-EM gewann der Marathonläufer sensationell Gold für Deutschland. (Quelle: IMAGO/Kai Peters)
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Bei der Heim-EM überragten die deutschen Athleten. Was bedeutet das für die Olympischen Spiele 2024? Eine Legende sieht keinen Grund für großen Optimismus.

Trauer, Tränen und Freude: Die deutsche Leichtathletik hat in den vergangenen sechs Wochen eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt. Während es bei der Weltmeisterschaft in Eugene das historisch schlechteste Ergebnis gab, schnitten die DSV-Athleten in München bei der Heim-Europameisterschaft hervorragend ab. Es reichte sogar mit sieben Gold- und sieben Silbermedaillen und einer Ausbeute von zweimal Bronze zu Platz eins im Medaillenspiegel. Doch was genau bedeutet das für die Olympischen Spiele in Paris, die in knapp zwei Jahren stattfinden werden?

Während es bei der WM in Eugene nur eine Bronzemedaille der Sprintstaffel der Frauen über die 4x100 Meter und den Weitsprung-Triumph von Malaika Mihambo gab, brachte die EM mehrere deutsche Athleten zum Jubeln. Unter anderem konnten Zehnkämpfer Niklas Kaul, Sprint-Ass Gina Lückenkemper und Marathonläufer Richard Ringer Gold gewinnen – Lückenkemper sogar zwei, im Einzelsprint und mit der 4x100-Meter-Staffel. Hinzu kamen Überraschungserfolge von Hochspringer Tobias Potye, Stabhochspringer Bo Kanda Lita Baehre und der Hindernisläuferin Lea Meyer, die alle drei jeweils die Silbermedaille holten.

"Die deutsche Leichtathletik lebt", freut sich Ringer im Gespräch mit t-online. "Die Athleten haben es drauf, aber man muss ihnen auch die Ruhe geben, dass sie Ihre Ziele verfolgen können, damit etwas Besonderes passiert. Dies wurde getan, und die Athleten haben performt." Ringer bestätigt auch den Einfluss der Atmosphäre in München: "Die Unterstützung des Publikums und der Fans war enorm wichtig und hat einen großen Anteil am Erfolg der Athleten. Die Europameisterschaft in der Heimat war für viele Athleten in diesem Jahr das höchste Ziel, und sie haben genau zu diesem Zeitpunkt ihre Leistung entfalten können, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen und waren genau für diese Woche in Form."

"Leistungsdichte ist nicht so riesig"

Einer, der sowohl die WM als auch die EM von außen verfolgt hat, ist der frühere deutsche Weltklasse-Diskuswerfer Lars Riedel. Der 55-Jährige, der in seiner Karriere Olympiasieger und fünffacher Weltmeister wurde, sagt zu t-online: "Es waren wunderschöne Titel und Medaillen dabei." Besonders ein deutscher Erfolg hat Riedel beeindruckt: "Ich habe mich für viele Athleten sehr gefreut. Gerade für Speerwerfer Julian Weber, er war bei der WM und bei Olympia Vierter und hat jetzt endlich den Titel geholt."

Der deutsche Erfolg lässt sich allerdings auch darauf zurückführen, dass bei einer Europameisterschaft eben leistungsstarke Leichtathletik-Nationen wie die USA, Kenia oder Jamaika nicht mit dabei sind. "Das Schöne an einer EM ist, dass die Leistungsdichte nicht so riesig ist", bestätigt auch Riedel. "Das Top-Niveau ist in manchen Disziplinen nicht so da, und wir haben immer wieder gute Chancen."

Riedel erklärt daher: "Das Marathon-Gold ist eine super geniale Geschichte. Richard Ringer hat alles richtig gemacht. Aber bei Olympia hat er keine Chance. Da sind dann drei Kenianer vorne beispielsweise. Auch beim Speerwerfen wird es international schwieriger. Überraschungen wie den Stabhochsprung wird es immer geben." Hier hatte Bo Kanda Lita Baehre sensationell Silber gewonnen und musste sich nur dem Weltrekordhalter und Überflieger Armand Duplantis geschlagen geben.

Athleten haben "Fokus auf EM" gelegt

Für Zehnkämpfer Kai Kazmirek (WM-Zwölfter und EM-Achter) liegen die weit auseinanderklaffenden Ergebnisse zwischen Weltmeister- und Europameisterschaft auch an der Fokussierung der Athleten. "Durch die Möglichkeit eines Doppelstarts bei EM und WM werden viele Athleten und Athletinnen ihren Fokus auf die EM gelegt haben", ist sich Kazmirek sicher. Ein Szenario, das auch Riedel von früher kennt und bestätigt: "Es war klar, dass sich die Sportler, die wussten, dass sie bei der WM keine so guten Ergebnisse erzielen können, im Jahresaufbau auf die EM konzentriert haben." Und das erfolgreich, wie die letzte Woche gezeigt hat.

Dennoch wird es laut Riedel in Paris 2024 schwer, an die EM-Erfolge anzuknüpfen. Zwar betont er: "Die WM war schlechter als angenommen, aber bei der EM kamen die Topleistungen. Es sind gute junge Talente im Hinblick auf Olympia 2024 da." Talente wie Niklas Kaul, der eine unfassbare Aufholjagd im Zehnkampf hingelegt hat und sich so durch die letzten beiden Disziplinen noch zum König der Athleten gekrönt hat. Kaul ist erst 24 Jahre alt und hat bereits gezeigt, wie nervenstark er sein kann. Auch Gina Lückenkemper hat bei der EM gezeigt, dass sie in Topform ist, und ist nach den Deutschen Meisterschaften erneut die 100 Meter unter 11 Sekunden gelaufen. Eine wichtige Entwicklung im Hinblick auf Olympia.

Riedel ist aber kritisch: "Wir haben auch unsere Chancen im europäischen Raum, aber bei den Olympischen Spielen treten Athleten aus aller Welt an und dort sind ganz andere Talente unterwegs. Sobald da Länder Geld in die Hand nehmen und den Leistungssport auch höher schätzen, gehen andere Leistungen los. Ich denke, Olympia 2024 wird eher so wie die WM in diesem Jahr sein, was die Medaillen angeht."

"In der internationalen Spitze den Anschluss verloren"

Was mit Blick auf den Medaillenspiegel der EM auffällt: Im Diskus, Hammerwerfen und Kugelstoßen blieben die Medaillen aus. "Schade ist natürlich, dass wir in Disziplinen wie meiner jahrzehntelang gut waren und nun schlechte Ergebnisse einfahren", sagt Riedel. "Im Diskuswerfen der Männer sind die europäischen Werfer stark, aber das deutsche Ergebnis war ganz schlecht." Henrik Janssen schaffte nur 61,11 Meter und wurde Zehnter. Riedel erreichte in seiner aktiven Zeit bei seiner letzten Weltmeisterschaft 2001 69,72 Meter und sicherte sich damals Gold. Der Olympiasieger von Atlanta 1996 sagt weiter: "Und auch im Hammerwerfen oder im Kugelstoßen gibt es nichts mehr, das lässt nicht unbedingt auf 2024 hoffen. In der internationalen Spitze haben wir den Anschluss in vielen Bereichen verloren.“

Für Riedel ist es daher wichtig, junge Talente weiter zu fördern. Doch er sieht auch die Probleme der deutschen Leichtathletik. "Es gibt keine Pyramide mehr und keine Leute, die einen soliden Sockel mit Leistung bilden, worauf aufgebaut werden kann. Das habe ich in einigen Disziplinen gesehen. Das ist schon traurig." Auch Kazmirek sieht hier Handlungsbedarf: "Potenzial sehe ich persönlich in der Nachwuchssichtung. Talente müssen gezielter erkannt und gefördert werden. Nur so können wir eine starke Sportart in Deutschland bleiben und unser Leistungsvermögen noch ausbauen."

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"Leute, die Leistung gebracht haben, sollten auch den DLV führen"

Riedel wird daher deutlich und kritisiert den Deutschen Leichtathletik-Verband: "Am Ende muss man sich fragen, wer den Laden führt. Es sind 20 Jahre lang Dinge verschlafen worden. Das war in den 90er Jahren schon abzusehen, wohin sich der Deutsche Leichtathletik-Verband entwickelt, und es wurde leider nicht genug getan. Wenn man selbst die Erfahrung gemacht hat, wie hart man trainieren muss, dann weiß man auch um den Bedarf, an die Weltspitze zu kommen. Leute, die Leistung gebracht haben, sollten auch den DLV führen. So wie das auch in anderen Sportarten wie dem Biathlon gemacht wurde oder auch im Tischtennis mit Jörg Roßkopf.“

Roßkopf wurde 1989 im Doppel mit Steffen Fetzner Weltmeister. Seit 2010 ist er Bundestrainer der deutschen Tischtennis-Nationalmannschaft. Unter seiner Führung gab es die Mannschafts-Vizeweltmeisterschaften 2012, 2014 und 2018 sowie den Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio im vergangenen Jahr. Dem Deutsche Tischtennis-Bund steht zudem Ex-Nationalspieler Hans Wilhelm Gäb als Ehrenpräsident vor. Auch DTTB-Sportdirektor Richard Prause war früher selbst aktiv.

Eine ähnliche Struktur ist auch beim Deutschen Ski-Verband zu erkennen: Als Präsident fungiert Dr. Franz Steinle. Als Vizepräsidentin agiert unter anderem die frühere Skirennläuferin Miriam Vogt, und Ex-Skilangläufer Tobias Angerer ist ebenfalls in dieser Position vertreten. Mit Mark Kirchner ist ein früherer Aktiver aktuell Bundestrainer der Biathleten. Beim Deutschen Leichtathletik-Verband sind diese Strukturen im Präsidium so ausgeprägt nicht vorhanden.

Neben der Verbandsleitung beschäftigt Riedel jedoch ein weiterer Punkt: "Es müssen Initiativen aufgezeigt werden. Daran fehlt es. Wenn Kinder nicht in Bewegung sind, dann braucht man sich nicht wundern, wenn im Leistungssport nichts mehr passiert. Dann ist die Auswahl an Talenten geringer, das ist klar.“ Und genau diese Talente braucht es, um auch bei künftigen Leichtathletik-Wettbewerben gut abzuschneiden.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Lars Riedel
  • Eigener Kontakt zu Kai Kazmirek
  • Eigener Kontakt zu Richard Ringer
  • Eigene Beobachtung der WM und EM
  • leichtathletik.de: Präsidium
  • deutscherskiverband.de: DSV-Präsident Dr. Franz Steinle für weitere vier Jahre im Amt bestätigt
  • tischtennis.de: Präsidium
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