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Handball-EM | DHB-Pleite gegen Kroatien: Ohne Rückenwind zur Herkulesaufgabe


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Deutschlands Handballer vor dem Halbfinale
"So ein Rotz"


25.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Alfred Gíslason geschockt: Gegen Kroatien setzte es für die deutschen Handballer einen herben Dämpfer.Vergrößern des Bildes
Alfred Gíslason geschockt: Gegen Kroatien setzte es für die deutschen Handballer einen herben Dämpfer. (Quelle: Anke Waelischmiller/Sven Simon/imago-images-bilder)

Nach der deutlichen Pleite gegen Kroatien gehen die deutschen Handballer angeschlagen ins Halbfinale. Dort wartet ausgerechnet der Dominator der vergangenen Jahre.

Am Ende war eine Entschuldigung fällig: Nach einer enttäuschenden 24:30-Niederlage der deutschen Handball-Nationalmannschaft im letzten Hauptrundenspiel der Heim-Europameisterschaft schritt Juri Knorr zum Mikrofon und bat das Publikum in der mit 19.750 Zuschauern erneut ausverkauften Lanxess Arena um Verzeihung.

"Es tut mir ehrlich gesagt leid für jeden, der in der Halle war und Tickets gekauft hat", rief der Spielmacher den Fans zu: "Das tut uns allen extrem weh, das ist nicht die Mentalität, mit der wir spielen wollten." Den Grund für die ungewohnt lustlose Leistung der Mannschaft lieferte er gleich mit: "Wir sind im Halbfinale, aber vielleicht haben wir uns davor zu viel damit beschäftigt und im Kopf abgeschaltet."

Damit spielte Knorr auf die Tatsache an, dass Deutschland nach den Niederlagen Österreichs und Ungarns bereits vor dem Spielbeginn im Halbfinale stand. So kam es, dass zum ersten Mal überhaupt eine deutsche Nationalmannschaft ein Handballspiel in der Lanxess Arena verlor. Statt Rückenwind nimmt das DHB-Team jetzt einige Fragezeichen mit in die Vorschlussrunde – wo eine wahre Herkulesaufgabe wartet.

Alte Schwächen plagen das deutsche Spiel

In der Partie gegen Kroatien waren es altbekannte Probleme, die die deutsche Mannschaft ins Straucheln brachten. Wie schon beim Remis gegen Österreich spielte sich das Team von Bundestrainer Alfred Gíslason zwar viele Torchancen heraus, ließ aber zu viele davon liegen. Nur 44 Prozent ihrer Würfe brachten die Deutschen im Tor unter und vergaben dabei einmal mehr auch viele freie Würfe.

Während der Grund dafür gegen Österreich noch Fragezeichen aufgeworfen hatte, schien er für das Spiel gegen Kroatien nur zu offensichtlich zu sein: Ein Sieg und damit eine Vollgas-Leistung waren für den Halbfinal-Einzug nicht mehr nötig. Die Konzentration ließ nach. Dass es eine schwierig zu manövrierende Situation war, gab Christoph Steinert nach dem Spiel zu: "Es war komisch. Man kann sich nicht nicht damit beschäftigen."

Gíslason rotierte munter durch

Auch Bundestrainer Alfred Gíslason gab auf der Pressekonferenz nach dem Spiel freimütig preis, die Situation genutzt zu haben. Er gab seinen Stammkräften mehr Pausen und setzte auf die Spieler, die bislang noch nicht so viel Einsatzzeit bekommen hatten. "Ich will behaupten, dass wir anders gespielt hätten, wenn wir es unbedingt hätten gewinnen müssen. Ich hätte nicht so viel rotiert", so Gíslason. Er sei zwar unzufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft, hätte er jedoch mit allen Stammkräften durchgespielt und gewonnen, wäre er wohl "noch unzufriedener, als ich jetzt bin", so Gíslason über seine Belastungssteuerung.

Eine so deutliche Niederlage hätte sich aber auch der Bundestrainer wohl dennoch gerne erspart – genauso wie die Spieler. Denn Knorr war nicht der Einzige, der nach dem Spiel frustriert war. "Gerade fühlt es sich echt bescheiden an", sagte etwa Routinier Kai Häfner. "Ich bin auch ein bisschen genervt von unserer Leistung und wie wir uns heute hier präsentiert haben." Eigentlich habe man einen gewissen Fluss mit ins Halbfinale nehmen wollen. "Dann hast du hier ausverkaufte Hütte und wir spielen so einen Rotz. Das ist nicht gut", so Häfners deutliche Worte.

"Die Euphorie ist runter"

Linksaußen Rune Dahmke sagte: "Es ist ärgerlich. Man merkt, die Euphorie ist gerade ein wenig runter. Wir haben etwas erreicht, was seit vielen Jahren das Größte für den deutschen Handball ist, und trotzdem fühlen wir uns nicht so."

Der Tritt auf die Euphoriebremse erfolgt nun ausgerechnet vor einem Halbfinal-Duell, das schwerer nicht sein könnte. Denn mit Dänemark wartet die dominanteste Mannschaft der vergangenen Jahre. Das Team um Superstar Mikkel Hansen gewann drei Weltmeisterschaften in Folge und ist auf nahezu jeder Position mit Spielern von Weltformat besetzt.

Außenseiter im Halbfinale

DHB-Sportvorstand Axel Kromer brachte die Sache auf den Punkt: "Gegen die Dänen sind wir Außenseiter." Auch Häfner stellte fest: "Dass sie die beste Mannschaft sind, haben sie in den letzten Turnieren eindrucksvoll bewiesen." Bundestrainer Gíslason prognostizierte: "Wir müssen ein fantastisches Spiel machen, um auch nur die geringste Chance gegen Dänemark zu haben", und ging noch weiter: "Wir müssen die beste Leistung der letzten Jahrzehnte bringen."

Die Ausgangssituation hat aber auch ihren Reiz, wie Dahmke feststellte: "Eine bessere Rolle kannst du gar nicht haben", so der Linksaußen. "Wir haben ein Halbfinale zu Hause vor ausverkauftem Haus, und trotzdem haben wir nicht den Druck auf unserer Seite. Das ist etwas Besonderes."

"Dann können wir dieses eine Spiel auch mal gewinnen"

Einfach auf den Rücken legen möchte sich von den Deutschen ohnehin niemand. "Wir haben in dieser Halle schon richtig viel erreicht, wir haben die Fans im Rücken, wir haben eine tolle Mannschaft, die viel erreichen kann, und da ist man auch als Außenseiter nur noch auf den Sieg fokussiert", sagte DHB-Boss Kromer. Häfner stellte fest: "Wenn wir in diesen Flow kommen, die Halle da ist und ein paar Jungs von uns einen guten Tag haben, dann können wir dieses eine Spiel auch mal gewinnen."

Spielmacher Juri Knorr tat sich zwar schwer, Schwächen bei den Dänen zu finden, sagte aber: "Es muss ja nicht bedeuten, dass sie den besten Tag haben." Neun von zehn Tagen seien bei Dänemark zwar gut, "aber vielleicht erwischen wir ja diesen einen Tag. Wir müssen unser Topspiel machen, und dann haben wir vielleicht eine Chance."

Der Tenor im DHB-Team ist ganz klar: Ja, der Traum vom Halbfinale ist erfüllt, aber das soll es noch nicht gewesen sein – auch nicht gegen die Übermacht aus Dänemark. "Wir haben in zwei Tagen ein Halbfinale", so Sportdirektor Kromer. Darauf habe die Mannschaft hingearbeitet und es auch als Ziel formuliert. "Trotzdem wird keiner sagen, dass das Ziel erreicht ist, sondern jetzt muss es weitergehen."

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Wolff packt Mitspieler bei der Ehre

Torwart Andreas Wolff packte seine Mannschaftskollegen gar bei der Sportlerehre. Jeder, der nur "ein bisschen erfolgshungrig" sei, werde mit dem Halbfinaleinzug nicht zufrieden sein, sagte er. "Wir sind jetzt im Halbfinale, und wir sind nicht im Halbfinale, um uns dafür abzufeiern, sondern wir sind im Halbfinale, um das Turnier gegebenenfalls zu gewinnen", so Wolff weiter. Dabei sei mit der direkten Olympia-Qualifikation auch noch ein Ziel außerhalb des Turniers zu erreichen. "Aber auch so sollte man, wenn man im Halbfinale ist, nicht sagen: Okay, das Turnier ist abgeschlossen."

Dass die Mannschaft die Mentalität hat, um nach einem schwachen Spiel eine deutliche Leistungssteigerung zu zeigen, hat sie mit dem klaren Sieg gegen Ungarn bereits bewiesen. Dabei konnte sie die Zuschauer in der Lanxess Arena auch wieder für sich gewinnen.

Diese Waffe wird es auch gegen Dänemark wieder brauchen, glaubt auch Dahmke: "Wenn du irgendwo eine Chance auf ein Wunder hast, dann in Köln." Sollte es funktionieren, wäre am Ende auf jeden Fall keine Entschuldigung fällig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Pressekonferenz mit Alfred Gíslason
  • Gespräche mit den Spielern im Interviewbereich
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