Tabellenschlusslicht Krise auf Schalke: Sportvorstand Schneider unter Beobachtung
Gelsenkirchen (dpa) - Jochen Schneider wirkt blass und angespannt. Kein Wunder, denn auch der 50 Jahre alte Sportvorstand des FC Schalke 04 gerät angesichts der vielen Baustellen beim auf den letzten Tabellenplatz abgestürzten Fußball-Bundesligisten zunehmend unter Druck.
Die durch die Corona-Krise verschärften Finanzsorgen, die Club-Negativserie von 24 Spielen ohne Sieg, die Fan-Proteste und notwendigen Personalentscheidungen - das alles geht nicht spurlos am für Sport und Kommunikation zuständigen Schneider vorüber.
Nach der Trennung von Kaderplaner Michael Reschke, mit dem Schneider nicht mehr auf einer Wellenlänge funkte, richtet sich der Fokus noch mehr auf ihn. Gemeinsam mit Lizenzspielerleiter Sascha Riether, Sportkoordinator René Grotus und Ex-Profi Mike Büskens verantwortet der Schwabe nun auch die Transfergeschäfte. Weil kein Geld da ist, wird es dem Quartett schwerfallen, in den Wechselperioden im Winter und Sommer 2021 den falsch zusammen gestellten Kader adäquat zu verstärken und mit Transfercoups Punkte zu sammeln. Ein Teufelskreis.
Richtete sich ein Brandbrief des einflussreichen Fan-Clubs Supporters noch vorwiegend gegen Team und Trainer, tauchten rund um die Veltins-Arena nun Spruchbänder auf, die auch das Wirken der Vorstände Alexander Jobst und Schneider anprangern: "Beschämende Außendarstellung, planloser Vorstand und charakterlose Mannschaft. Das Ergebnis eurer jahrelangen Misswirtschaft", heißt es da.
Als Schneider im März 2019 als Nachfolger von Christian Heidel zum Revierclub stieß, musste er bereits den Mangel verwalten. Mit der Trennung vom am Ende glücklosen Trainer Domenico Tedesco, der für den Rest der Saison von Schalkes Jahrhunderttrainer Huub Stevens abgelöst wurde, gelang Schneider noch die Kurskorrektur. Der Worst Case, der Bundesliga-Abstieg, konnte gerade noch abgewendet werden. Doch nun ist auf Schalke die Angst vor dem Absturz in die 2. Liga mit unabsehbaren Folgen größer denn je in den vergangenen 30 Jahren.
Nicht zuletzt deshalb gilt Schneiders Konzentration nur noch einem einzigen Ziel: dem Klassenverbleib. "Es geht darum, die erste Mannschaft in der Bundesliga zu halten. Das ist das Einzige, was zählt", sagte er am Mittwoch, als er die Suspendierungen der Profis Nabil Bentaleb und Amine Harit sowie die Trennung von Vedad Ibisevic und Reschke erläutern musste.
Schneider ehrt, dass er sehr selbstkritisch ist. So räumte er eine zuletzt "verheerende" Außendarstellung ein. "Ich habe natürlich auch Fehler gemacht, ganz klar. Ich bin der Erste, der da auf mich zeigt. Wenn Entscheidungen wie die am Dienstag notwendig waren, kann in den vergangenen Monaten nicht alles richtig gelaufen sein." Kommt die Einsicht von Schneider, dessen Vertrag bis 2022 läuft, zu spät?
Unklar ist, ob der Aufsichtsrat um den neuen Vorsitzenden Jens Buchta nicht irgendwann in Panik verfällt. Der meldete sich erstmals am Freitag in einem Club-Interview zu Wort: "In der aktuellen Situation rücken Aufsichtsrat und Vorstand natürlich noch enger zusammen", sagte Buchta. "Wir sind in einer ganz schwierigen Situation, die uns möglicherweise bis zum letzten Spieltag unter Druck setzen wird. Aber alle, denen Schalke 04 wichtig ist und unser Verein am Herzen liegt, müssen bis zum letzten Spieltag alles für den Klassenerhalt tun." Die stärkste Kraft sei "immer der einzigartige Zusammenhalt" gewesen.
In dieser Gemengelage muss Trainer Manuel Baum eine durch Freistellungen und Verletzungen dezimierte Mannschaft, der jedes Selbstbewusstsein durch zehn Monate Misserfolge abhanden gekommen ist, wieder auf Kurs bringen. Wie die Wende in Mönchengladbach am Samstag (18.30 Uhr/Sky) gelingen soll, ist ein Rätsel. Dass Gladbach das bis dato letzte Bundesliga-Team war, das Schalke (mit 2:0 am 17. Januar) besiegen konnte, taugt nicht als Mutmacher. Baum will nur noch Spieler einsetzen, die mit Herzblut für den Club dabei sind und Vollgas geben: "Das Entscheidende wird sein, dass wir als Team auftreten: Aggressivität, Leidenschaft und Zusammenhalt. Dann hast du gegen jede Mannschaft eine Chance", lautet sein Credo. Wie Baum ist auch Schneider vom Erfolg des Teams abhängig.