Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Tuchel-Nachfolger? Die perfekte Übergangslösung für Bayern
Seit knapp elf Monaten trainiert Thomas Tuchel den deutschen Rekordmeister, doch wirklich erfolgreich ist er bisher nicht. Die jüngste Niederlage in Leverkusen trifft ihn und sein Team ganz besonders. Wie geht es nun weiter?
Die Rückrunde ist gerade erst gestartet, schon steckt der FC Bayern tief in der Krise. Erst die blamable Niederlage vor ein paar Wochen gegen Werder Bremen, nun die 0:3-Klatsche im Topspiel bei Bayer Leverkusen. Eine Vorentscheidung im Meisterschaftskampf? Immerhin hechelt der Rekordmeister nun mit fünf Punkten Rückstand dem Tabellenführer hinterher.
Nach dem Spiel fand Bayern-Angreifer Thomas Müller deutliche Worte im Sky-Interview: "Da fehlen mir – und jetzt können wir unseren Oli Kahn zitieren – teilweise die Eier und diese Freiheit bei den Spielern. Wir haben so eine Verkopftheit in unserem Spiel, vor allem mit Ball." Rekordnationalspieler Lothar Matthäus ging direkt auf Trainer Thomas Tuchel los, kritisierte ihn vor allem für die Entscheidung, Verteidiger Matthijs de Ligt auf die Bank zu setzen: "Was hat sich Thomas Tuchel dabei gedacht?" Schon vor dem Spiel war mit Blick auf die Aufstellung der Bayern bei vielen Experten und Zuschauern die Verwunderung groß. Tuchel hatte kurzfristig auf Fünferkette umgestellt.
Die Vereinsbosse bekennen sich zu Tuchel. Klar ist aber auch: Als Cheftrainer steht er in der Verantwortung. Und es ist gut möglich, dass der erfolgsverwöhnte FC Bayern die Saison ohne einen einzigen Titel abschließt. Erst das frühe Aus im DFB-Pokal, nun die Schmach von Leverkusen. Tuchel scheint in München nicht wirklich Fuß fassen zu können. Und so stellt sich die Frage:
Sollte Tuchel von sich aus gehen?
Ja, Tuchel und Bayern werden nicht mehr glücklich
Mit der falschen Taktik und Aufstellung hat Tuchel das Topspiel vercoacht – und dann auch noch schöngeredet. Ein neuer Tiefpunkt in der elfmonatigen und unglücklichen Zusammenarbeit. Denn in dieser Zeit sind die Tuchel-Bayern zweimal blamabel aus dem Pokal geflogen, einmal aus der Champions League – und nun sind sie drauf und dran, nach elf Jahren auch noch zum ersten Mal die Meisterschaft zu vergeigen. Die Spielweise? Wenig souverän und überschaubar attraktiv.
Dazu ist das Verhältnis von Tuchel zum Verein belastet, zur Mannschaft geschädigt und zu den Fans offensichtlich zerrüttet. Schuld daran sind neben den sportlichen Leistungen diverse Aussagen Tuchels sowie sein Misstrauen gegenüber langjährigen Führungsspielern wie Thomas Müller, Joshua Kimmich und Leon Goretzka – ob nun zu Recht oder Unrecht. Spätestens seit Samstag und seiner Verbannung auf die Bank ist auch Matthijs de Ligt kein Freund seines Trainers.
Ganz klar: Tuchel und Bayern werden nicht mehr gemeinsam glücklich. Sie werden in dieser Saison keinen Titel gewinnen und spätestens nach der Saison zu dem Urteil kommen, dass es nicht funktioniert. Für Tuchel gibt es nur einen Ausweg: Er muss seinen Job zur Verfügung stellen. Jetzt. Um noch erhobenen Hauptes aus der Nummer herauszukommen – und zugleich den Weg freizumachen für einen Neustart mit einem neuen Trainer. Als Nachfolger gibt es im Sommer nur eine sinnvolle Lösung mit Xabi Alonso. Bis dahin muss Hansi Flick als perfekte Übergangslösung zurückkommen – nicht für taktische Meisterleistungen, aber um Mannschaft, Fans und Verein zu befrieden. Das sollte schon reichen, um noch einigermaßen die Kurve zu kriegen.
Nein, denn ein Abgang würde einer Flucht gleichkommen
Er wurde Meister mit Bayern und Paris Saint-Germain, Champions League-Sieger mit dem FC Chelsea, DFB-Pokalgewinner mit Dortmund. Thomas Tuchel ist ein internationaler Toptrainer, und natürlich kann er auch die fünf Punkte Rückstand in der Bundesliga auf Leverkusen mit seinem Team noch aufholen. Er muss jetzt kämpfen und nicht etwa den Kopf in den Sand stecken. Ein guter Kapitän geht nicht von Bord, wenn es mal stürmisch wird.
Dazu passt auch Tuchels Aussage nach der Pleite in Leverkusen: "Wir werden jetzt den Teufel tun, die Flinte ins Korn zu werfen." Genau richtig!
Denn in Krisenzeiten zeigt sich doch, wer ein großer Trainer ist. Die vergangenen Wochen waren schwierig, aber gerade deshalb wird er mit seinen Spielern nun doppelt hart arbeiten, um aus dem Loch herauszukommen. Tuchel weiß: Es ist nichts verloren. In der Bundesliga sind noch 39 Punkte zu vergeben, in der Champions League steht Bayern im Achtelfinale. Und Bayern spielt auch keine schlechte Saison. Nur mal zum Vergleich: Das Team hat nach 21. Spieltagen sieben Punkte mehr geholt als in der vergangenen Saison. Man muss an dieser Stelle auch einfach mal neidlos anerkennen, dass Leverkusen und Trainer Xabi Alonso einen überragenden Lauf haben.
Doch ganz sicher: Ein Ehrgeizling wie Tuchel wird sich auf keinen Fall in einer Situation wie der aktuellen freiwillig verabschieden. Er weiß genau: Wenn er jetzt ginge, käme sein Abgang einer Flucht gleich. Und das kann er nicht wollen.
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