Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
DFB-Frauen gegen Männer Das hätte nicht passieren dürfen
Während die Männer-Nationalmannschaft seit Jahren in der Krise steckt, sind die Frauen auf dem richtigen Weg. Das sorgt für Diskussionen.
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen will bei der WM in Australien und Neuseeland weit kommen und hat diesen Anspruch mit dem 6:0-Auftakterfolg gegen Marokko untermauert. Und auch nach der knappen 1:2-Niederlage gegen Kolumbien hat die Mannschaft von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg weiterhin gute Chancen auf den Einzug ins Achtelfinale.
Das Interesse an der Mannschaft ist trotz der ungewohnten Anstoßzeiten (zwischen 9 und 12 Uhr) enorm. Am Montagvormittag hatten nach Angaben des ZDF durchschnittlich 5,61 Millionen Menschen das Marokko-Spiel gesehen. Der Marktanteil lag bei 60,4 Prozent. Zum Vergleich: Beim Männer-Länderspiel gegen die Ukraine im Juni hatten 4,57 Mio. Fans am frühen Abend eingeschaltet. Der Vergleich hinkt natürlich, weil es sich dabei nur um ein Testspiel handelte. Die Freude bei den Frauen war dennoch groß.
Während die DFB-Männer immer mehr Sympathien in Deutschland verspielen, steigern die Frauen das Interesse der Fußballfans. Das beobachtet auch Nationalspielerin Sophia Kleinherne. Auf die Frage, warum viele Deutsche die Frauen-Nationalmannschaft sympathischer finden als die DFB-Elf der Männer, antwortete sie im "Playboy": "Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen merken neue Zuschauer, dass wir leidenschaftlich und motiviert Leistung auf höchstem Niveau liefern. Dann ist nicht so viel über uns bekannt wie bei den Männern, die ständige mediale Präsenz haben. Letztlich sind wir auch nahbarer."
Stimmt das?
Sind unsere DFB-Frauen wirklich sympathischer als die Männer?
Ja, Voss-Tecklenburg ist der Schlüssel
Natürlich ist die Frauen-Nationalmannschaft sympathischer als die der Männer. Und dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Erstens: Sie sind in den letzten Jahren sportlich erfolgreicher. Daran kann auch die Pleite gegen Kolumbien nichts ändern. Auch wenn das natürlich nicht hätte passieren dürfen. Während die Herren sich bei der WM in Russland und Katar bis auf die Knochen blamierten, standen die Frauen 2022 im EM-Finale gegen England und greifen jetzt bei der WM nach dem Titel.
Zweitens: Die Spielerinnen wirken normaler, nahbarer und eloquenter. Während viele der Herren – nicht alle, Thomas Müller ist als Nationalspieler anders – wie Maschinen über den Platz rennen und anschließend oft nichtssagende Interviews geben, kommen unsere Frauen über den Teamzusammenhalt und den Kampf in ihre Spiele. Anschließend sprechen sie offen und ehrlich.
Und dann ist da drittens noch Martina Voss-Tecklenburg. Sie ist der Schlüssel zu dem, was da gerade passiert. Denn sie ist geschlechterübergreifend wohl die sympathischste Fußballtrainerin Deutschlands. Sie brennt für den Job, erklärt die Probleme, ist superehrgeizig. Sie ist in den richtigen Augenblicken ernst und lacht, wenn es die Situation hergibt – wie ein echter Mensch. Dabei vergisst sie nie zu betonen, für wen ihre Mannschaft bei den großen Turnieren um den Titel kämpft: für ihr Land und für die deutschen Fans. Da kann Hansi Flick als Trainer der Männer nicht mithalten.
Nein, die Fakten sprechen gegen die Frauen
Sie wollen ehrlicher, bodenständiger, nahbarer und sympathischer sein als die Männer. Nichts leichter als das, mag man meinen. Schließlich haben sich die Männer in den vergangenen Jahren im Vollsprint von den Fans entfernt. Mit Arroganz und Ignoranz bei gleichzeitiger Erfolglosigkeit.
Aber: Sind die DFB-Frauen wirklich sympathischer? Laufen sie den Männern womöglich den Rang ab?
Eher nein.
Sie gehören immer noch zum DFB mit seiner überschaubaren Außendarstellung. Ihr "authentisches Trikot mit Flock" von Ausrüster Adidas kostet abgehobene 158 Euro. Sie haben zehn Spielerinnen vom deutschlandweit eher wenig beliebten Volkswagen-Klub Wolfsburg. Sie haben ein Diversitätsproblem, weil keine einzige Spielerin aus dem Osten kommt. Zudem gibt es bei den Frauen deutlich weniger Stars mit Migrationshintergrund als bei den Männern. Und mit zunehmender "Professionalität" gewinnen auch sie an Abstand zu Medien und Fans.
Lassen sich Sympathie und Beliebtheit messen? Womöglich an den Zuschauerzahlen und TV-Quoten, die im Schnitt nicht besser sind als bei den Männern. Oder an Fans in sozialen Netzwerken. Und da liegen Welten zwischen einer Star-Spielerin (Lena Oberdorf hat 275.000 Instagram-Fans) und einem Star-Spieler (Mario Götze hat 8,1 Mio.). Und: Der Account der DFB-Frauen hat bei Instagram 380.000 Anhänger, der der Männer 5,8 Mio.
Bei all der gefühlten Sympathie steht also fest: Die Fakten sprechen gegen die Frauen – und das wird sich auch nicht so schnell ändern.
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