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Schiedsrichter-Experte über WM-Leistungen: "Wäre wirklich furchtbar"


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Schiedsrichter-Experte zieht Bilanz
"Das wäre wirklich furchtbar"


Aktualisiert am 09.12.2022Lesedauer: 5 Min.
Hinter der Linie: Der Ball vor der Flanke zum entscheidenden 2:1 für Japan war nicht in vollem Umfang im Aus, entschied der Videoassistent.Vergrößern des Bildes
Hinter der Linie? Nein. Der Ball vor der Flanke zum entscheidenden 2:1 für Japan gegen Spanien war nicht in vollem Umfang im Aus. So entschied der Videoassistent. (Quelle: Petr David Josek/dpa)
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Neben den Mannschaften stehen auch die Schiedsrichter im Blickpunkt dieser WM. Experte Alex Feuerherdt gibt seine Einschätzung zu den bisherigen Leistungen ab.

Besonders lange Nachspielzeiten, fragwürdige Elfmeterentscheidungen, technische Neuerungen: Bei dieser Weltmeisterschaft geht es nicht nur um die Leistungen der Mannschaften. Auch über Schiedsrichterentscheidungen wird wieder diskutiert.

War der Ball beim Japan-Spanien-Spiel nicht im Aus? Warum bekam Cristiano Ronaldo gegen Ghana einen Elfmeter? Und warum zählte der frühe Treffer beim Eröffnungsspiel Ecuadors gegen Katar nicht?

t-online zieht vor den Viertelfinalspielen Bilanz – von den insgesamt 64 WM-Partien sind schon jetzt 56 gespielt worden. Der Publizist und Schiedsrichter-Experte Alex Feuerherdt ordnet die Leistungen der Unparteiischen für Sie ein und gibt einen Ausblick, welche Schiedsrichter seine Favoriten für die Leitung des WM-Finales sind.

Alex Feuerherdt über ...

... die bisherigen Schiedsrichterleistungen bei dieser WM: "Die Unparteiischen sind bisher bemerkenswert geräuscharm durch das Turnier gekommen, ihre Leistungen waren überwiegend stabil, oft auch wirklich gut. Gerade in den bisherigen K.-o.-Spielen lief es erfreulich glatt. Besonders überzeugend fand ich die Spielleitung des spanischen Schiedsrichters Antonio Mateu Lahoz in der Partie Iran gegen USA. Politisch war das eindeutig die brisanteste Begegnung, aber Lahoz hat sie mit Erfahrung, Empathie und Umsicht hervorragend über die Bühne gebracht.

Gar nicht gefallen hat mir, was am Ende des Spiels Tunesien gegen Frankreich passiert ist. Erst hat der Referee – es war Matthew Conger aus Neuseeland – das Ausgleichstor für Frankreich anerkannt und den Anstoß ausführen lassen, direkt danach hat er das Spiel abgepfiffen. Aber dann gab es plötzlich noch einen Eingriff des Video Assistant Referee (VAR) wegen eines strafbaren Abseits beim Tor, und schließlich wurde der Treffer aberkannt. Das war regeltechnisch aber eigentlich gar nicht mehr möglich, weil das Spiel mit dem Anstoß ja bereits fortgesetzt war. Ein Regelverstoß also, und das bei einer WM! Trotzdem hat die Fifa den Protest abgelehnt."

... die langen Nachspielzeiten und ihre Zukunft: "Ob dies auch in der Bundesliga oder Champions League künftig so gehandhabt wird, das werden die Verbände wie der DFB und die Uefa sicherlich nach der WM für sich analysieren und evaluieren. Grundsätzlich fände ich es gut, verloren gegangene und vergeudete Zeit noch konsequenter nachspielen zu lassen als bislang. Wenn etwa bei einer Auswechslung oder beim Torjubel das Spiel jeweils eine Minute lang ruht, gibt es keinen Grund, das zu ignorieren. Aber Nachspielzeiten von zehn Minuten und mehr, wie wir sie zu Beginn der WM erlebt haben, sind abwegig, wenn der Zeitverlust vorher überschaubar war. Mittlerweile hat es sich bei der WM ja auch auf einem realistischeren Niveau eingependelt. Was wir in der Bundesliga vermutlich nicht erleben werden, sind acht zusätzliche Minuten bei einem Spielstand von 5:0. Das braucht auch niemand."

... die halbautomatisierte Abseitserkennung: "Sie hat sich absolut bewährt. Die Abseitsüberprüfung nach einer Torerzielung geht dadurch erheblich schneller vonstatten, das ist ein Gewinn. Und wir diskutieren auch nicht mehr darüber, ob vielleicht eine Linie vom VAR ungenau angelegt worden ist. Es gab zwar auch bei dieser WM einige Zentimeter-Entscheidungen, aber da ist es letztlich wie bei der Torlinientechnologie: Wenn es von der Technik automatisch erfasst wird, ist man eher geneigt, Vertrauen ins Ergebnis zu haben. Und die Animationen der Abseitstechnologie veranschaulichen den jeweiligen Vorgang gut. Sie müssten nur schneller eingeblendet werden können, momentan dauert es ja noch recht lange, bis man sie zu sehen bekommt."

... die Leistungen des deutschen Schiedsrichters Daniel Siebert: "Die Partie Tunesien gegen Australien hat er völlig ohne Probleme und wirklich souverän geschaukelt. Ghana gegen Uruguay war von vornherein viel brisanter, das Spiel war emotional vorbelastet, weil alle noch im Kopf hatten, was bei der WM 2010 – damals war es ein Viertelfinale – in dieser Begegnung passiert ist. Stichwort: Torverhinderung durch Suárez in der Verlängerung, Rote Karte, aber Strafstoß verschossen, Ghana nach Elfmeterschießen ausgeschieden.

Siebert hat auch dieses Spiel gut geleitet und dabei mehrere enge und knifflige Entscheidungen zu treffen gehabt: Strafstoß für Ghana nach VAR-Eingriff – korrekt. Kein Strafstoß für Uruguay nach VAR-Eingriff – ebenfalls korrekt. Kurz vor Schluss kam Cavani im ghanaischen Strafraum zu Fall. Man kann nun leidenschaftlich darüber streiten, ob er den Treffer am Wadenbein durch das Verlangsamen des Lauftempos und einen unnatürlichen Ausfallschritt provozieren wollte, um einen Elfmeter zu "ziehen", oder ob es nun mal einfach ein Foulspiel war.

Für mich war es zumindest vertretbar, auch in dieser Situation keinen Strafstoß zu geben. Schade, dass Daniel Siebert nicht mehr eingesetzt wird, er hätte einen weiteren Einsatz verdient gehabt." (Mehr zu Sieberts WM-Aus lesen Sie hier)

... den schnell und gut funktionierenden Videobeweis bei der WM: "Das überrascht mich überhaupt nicht. Bei der WM hat der VAR gleich drei Assistenten mit unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten, durch diese Arbeitsteilung können Entscheidungen teilweise erheblich schneller getroffen werden. In der Bundesliga steht dem VAR dagegen nur ein Assistent zur Verfügung. Dass außerdem die kalibrierten Abseitslinien nicht von Hand angelegt werden müssen, sondern die halbautomatische Abseitstechnologie eingesetzt werden kann, sorgt ebenfalls dafür, dass mancher Prüfvorgang schneller abgeschlossen ist. Das sind natürlich echte Vorteile."

... seinen Favoriten für die Leitung des WM-Finales: "Viel wird natürlich davon abhängen, welche Mannschaft ins Finale kommt. Nach den bisherigen Leistungen könnte ich mir Antonio Mateu Lahoz und Daniele Orsato gut als Final-Referees vorstellen, zumal deren Länder nicht (mehr) im Turnier sind. Außenseiterchancen würde ich Iván Barton aus El Salvador einräumen, den ich bislang auch sehr überzeugend fand. Vielleicht wird es aber auch ein Unparteiischer aus einem der Länder, die im Viertelfinale ausscheiden.

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... Stéphanie Frappart, die Geschichte geschrieben hat: "Pierluigi Collina (Vorsitzender der Fifa-Schiedsrichterkommission, Anm. d. Red.) hat vor der WM gesagt, die erstmalige Nominierung weiblicher Unparteiischer zeige, dass nur die Leistung maßgeblich sei und nicht das Geschlecht. Gemessen daran ist es verwunderlich, dass nur Frappart ein Spiel als Hauptschiedsrichterin bekam und die anderen beiden – Yoshimi Yamashita aus Japan und Salima Mukansanga aus Ruanda – bislang lediglich als Vierte Offizielle eingesetzt worden sind. Auch die drei nominierten Assistentinnen sind bisher fast durchweg nur als Reserve vorgehalten worden oder als Helferin des VAR zum Zuge gekommen.

Das ist bedauerlich, denn Frappart hat gezeigt, dass ihre Berufung vollauf berechtigt war. Sie hatte das Spiel des deutschen Teams gegen Costa Rica fest im Griff und hat ihren Job unaufgeregt und souverän erledigt. Dabei hatte sie – anders als ihre männlichen Kollegen – Assistentinnen, mit denen sie vorher noch nie zusammengearbeitet hat und die sogar aus anderen Kontinentalverbänden kamen: Weil das Schiriteam rein weiblich sein sollte, haben Karen Díaz Medina aus Mexiko und Neuza Back aus Brasilien an den Seitenlinien assistiert."

... die Torhüter beim Elfmeterschießen und ein mögliches Szenario, das zu einer Wiederholung des entscheidenden Strafstoßes führen könnte: "Das wäre wirklich furchtbar. Der Keeper hält, alles jubelt, und dann heißt es: Wiederholung, weil auch der zweite Fuß vor der Torlinie war. Die Schiedsrichter weisen zwar vor dem Beginn des Elfmeterschießens die Spieler darauf hin, dass erst die Überprüfung durch den VAR abgewartet werden soll. Aber daran hält sich niemand, und das ist ja auch völlig verständlich. Ich hoffe, es kommt gar nicht erst zu diesem Szenario. Die Torhüter sind inzwischen auch sehr gut darin, tatsächlich mit einem Fuß auf oder hinter der Linie zu bleiben, bis der Schuss ausgeführt ist. So, wie es die Regeln vorsehen.

Die WM neigt sich dem Ende entgegen. t-online ist mit vor Ort und berichtet über das brisanteste Turnier der Fußballgeschichte. Mit dem WM-Push verpassen Sie keine News mehr. Hier können Sie ihn abonnieren.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Alexander Feuerherdt
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