Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundestrainer vor Heimpremiere Wann hört das auf?
Am Samstag geht es mal wieder gegen die Türkei. Bei der Heimpremiere des neuen Bundestrainers wird sich dann schon zeigen, ob seine Arbeit wirkt.
Aus Berlin berichtet Noah Platschko
Wenn die deutsche Nationalmannschaft am Samstag auf die Türkei trifft, dann geht sie als Favorit in die Partie. Blickt man auf die jüngsten Aufeinandertreffen beider Mannschaften, dann spielt die Zahl drei dabei eine zentrale Rolle.
Immer, wenn Deutschland in diesem Jahrtausend auf die Türkei traf, erzielte das DFB-Team drei Tore. Sei es beim emotionalen EM-Halbfinalsieg 2008 (3:2), den EM-Qualifikationssiegen in der Saison 2010/2011 (3:0, 3:1) oder dem wilden 3:3 im Oktober 2020 in Köln – mitten in der Corona-Pandemie.
Lediglich 300 Zuschauerinnen und Zuschauer durften damals im Rhein-Energie-Stadion dem Spektakel beiwohnen. Die deutschen Torschützen hießen Florian Neuhaus, Luca Waldschmidt und Julian Draxler, der das Team sogar als Kapitän aufs Feld führte.
Weder Löw noch Flick bekamen die Abwehr in den Griff
Etwas mehr als drei Jahre ist diese Partie nun her. Damals wie heute war nicht die Offensive das Problem. Dreimal war die deutsche Mannschaft in Führung gegangen, dreimal musste sie den Ausgleich hinnehmen. Das Hadern mit der stabilen Defensive, es war damals schon erkennbar. Eine Schwachstelle, die sich im Grunde bis zum heutigen Tag nicht wirklich beheben ließ.
Was weder Löw noch dessen Nachfolger Flick in den Griff bekamen, muss nun der neue Bundestrainer bewerkstelligen. Und Julian Nagelsmann hatte bereits angekündigt, dass der Fokus in der anstehenden Maßnahme auf der Defensive liegen würde. Dass in Marc-André ter Stegen die aktuelle Nummer eins im Tor kurzfristig verletzungsbedingt ausfällt (mehr dazu lesen Sie hier), dürfte die Chancen auf weniger Gegentore nicht erhöhen.
"Wir wollen stabiler verteidigen, darauf wird auch der Fokus liegen", kündigte Nagelsmann bereits vergangene Woche bei der Kadernominierung an. Man wolle "in der Defensive variabler" werden und dies auch mit einer "erweiterten taktischen Herangehensweise" angehen. Hohe Pressingmomente, ohne dabei aber allzu große Lücken in der Defensive anzubieten – so noch geschehen beim 2:2 gegen Mexiko.
Schaut man auf das Personal, das Nagelsmann in der Rubrik "Abwehr" für die beiden letzten Testländerspiele des Jahres gegen die Türkei (18. November) und in Österreich (21. November) nominierte, dann hält sich die Auswahl jedoch in Grenzen.
Bewährungschance für Henrichs
Linksverteidiger Robin Gosens und Innenverteidiger Malick Thiaw sagten wegen der anstehenden Geburt ihrer Kinder ihre Teilnahme an den Partien ab, lediglich Leipzigs David Raum wurde nachnominiert. Mit dem bei der USA-Reise angeschlagen fehlenden Benjamin Henrichs kehrte eine Option für die Außenverteidigerpositionen in den Kader zurück. Er wird von Nagelsmann eine Bewährungschance bekommen.
Neben Abwehrchef Antonio Rüdiger machte Dortmunds Mats Hummels gegen die USA eine gute Figur, Leverkusens Jonathan Tah, beim DFB in den vergangenen Wochen immer wieder als Rechtsverteidiger getestet, wäre eine weitere Alternative. Zumal bei Hummels immer mal wieder der Rücken zwickt.
Und da wäre noch das Sorgenkind Niklas Süle. In den Staaten sprach Nagelsmann in den höchsten Tönen von ihm, attestierte ihm gar, einer der "besten Spieler" auf der Rechtsverteidigerposition zu sein. Allerdings bräuchte dieser eben mehr Spielzeit im Klub. Diese erhielt Süle beim BVB nur bedingt. In den vergangenen sechs Partien stand er im Schnitt 43 Minuten auf dem Feld, beim jüngsten Auswärtsspiel in Stuttgart spielte er als Rechtsverteidiger zwar durch, zeigte dabei aber eine unterdurchschnittliche Leistung.
Das ein oder andere Fragezeichen bleibt also weiterhin, die Suche nach der perfekten Variante geht weiter. Und auch die generelle Frage, ob die deutsche Mannschaft auf Weltklasseniveau mithalten kann, kann zum jetzigen Standpunkt nicht beantwortet werden. Zumindest offensiv scheint die deutsche Mannschaft erstklassig besetzt – auch wenn das aufblühende Duo Wirtz/Musiala aufgrund des verletzungsbedingten Ausfalls des Münchners (Oberschenkelverletzung) gesprengt wurde.
"Die sehr gute Offensive ist unser Prunkstück, aber wir brauchen eben auch eine gewisse defensive Stabilität, um die diese Offensive auf den Platz zu bringen", betonte der Bundestrainer die wichtige Verzahnung aller Mannschaftsteile. Einer, auf den er sich dabei zuletzt verlassen konnte, ist Leroy Sané.
Nagelsmanns Kader muss kleiner werden
Der 27-Jährige befindet sich seit mehreren Wochen in blendender Verfassung, sowohl beim FC Bayern als auch im DFB-Dress. Die neu gefundene Konstanz imponiert auch Nagelsmann, der Sané mit einer "netten Nachricht", wie Sané es formulierte, überzeugte, an der Abschlusspressekonferenz vor dem Türkei-Spiel teilzunehmen.
Der Bayern-Profi ist kein Mann der großen Worte, will lieber mit guter Leistung überzeugen – und sieht einen Grund für seine aktuell starke Form auch im vorangegangenen Sommer. "Ich hatte eine gute Vorbereitung in die Saison und habe mich in einen Flow gespielt. Ich versuche alles, dass es weiter so läuft. Den einen Grund gibt es nicht. Ich habe große Ziele und versuche mich immer neu zu motivieren", so der Flügelspieler, der wie Nagelsmann auf der Pre-Match-Pressekonferenz Rede und Antwort stand.
Von den 26 Spielern, die Nagelsmann ursprünglich nominiert hatte, wird er bei der EM übrigens maximal 23 berufen können. Im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Turnieren wird die Kadergröße von 26 auf 23 Spieler zurückgestuft. "Wir haben uns wieder für die gleiche Kaderstärke entschieden, aus dem Grund, dass wir noch ein wenig Zeit haben bis zur EM. Das wird im März weniger werden", hatte Nagelsmann bereits vergangene Woche angekündigt. Dann geht es in die heiße Phase.
- Aussagen von Julian Nagelsmann bei der Kadernominierung
- Duelle mit der Türkei seit 2000
- Spielerprofile auf transfermarkt.de
- Eigene Recherche