Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kritik an Tuchel So ist das fast unmöglich
Der FC Bayern hat eine Rekordwintertransferphase hinter sich, aus gutem Grund. Hamanns scharfe und persönliche Kritik an Tuchel hat eine Grenze überschritten.
Der FC Bayern hat ein sehr ungewöhnliches Wintertransferfenster hinter sich. Mit Sacha Boey, der für 30 Millionen Euro (plus Boni) von Galatasaray kommt, Bryan Zaragoza, der für 17 Millionen (plus Boni) vom FC Granada wechselt, und dem von Tottenham Hotspur ausgeliehenen Eric Dier haben die Münchner jetzt gleich drei Neuzugänge. Und so viel Geld ausgegeben wie noch nie im Winter.
Alle drei sind keine Perspektivspieler, sondern können sofort weiterhelfen. Das haben die Bayern gut gemacht, auch unter dem Druck, dass sie aufgrund zahlreicher Verletzungen unbedingt etwas machen mussten. Sie hätten nicht mit einem derart dünn besetzten Kader in die entscheidende Saisonphase gehen können. Das wäre unverantwortlich gewesen, denn damit wären die Saisonziele akut in Gefahr geraten.
Die Jungs müssen jetzt aber auch direkt performen. Grundsätzlich passen alle drei gut zum FC Bayern. Nachdem neben Serge Gnabry jetzt auch noch Kingsley Coman wochenlang ausfällt, hat es absolut Sinn gemacht, den eigentlich für Sommer vereinbarten Transfer von Zaragoza vorzuziehen. Bayern kann drei Kreuze machen, dass Granada da mitgespielt hat.
Zaragoza ist genau der Spieler, den Bayern braucht
Zaragoza ist auf dem linken und rechten Flügel flexibel einsetzbar, ein spielintelligenter Junge. Er wird sich vielleicht etwas an die Bundesliga gewöhnen müssen. Mit ein bisschen Anlauf wird ihm das aber sicher gelingen. Vor allem gegen Gegner, die sich auf die Defensive konzentrieren, ist er genau der Spieler, den Bayern vorne braucht: einer, der immer wieder Eins-gegen-eins-Situationen sucht, ins Dribbling geht – und so den Unterschied ausmachen kann.
Boey ist ebenfalls ein sehr guter Transfer. Ein Spieler mit großem Potenzial, der beim Rekordmeister den nächsten Schritt gehen wird und eine Bereicherung ist. Er ist mir auch in den Duellen der Bayern mit Galatasaray in der Champions League sehr positiv aufgefallen. Er hat große Qualität im Spiel nach vorne, ist noch jung und kann sich in der Rückwärtsbewegung noch verbessern.
Auch Dier hat bereits auf dem höchsten Niveau gespielt und kann der Mannschaft mit seiner Erfahrung helfen.
Bei Bayern herrscht ein anderer Druck
Alle drei müssen jetzt aber schnell verstehen, was es bedeutet, für Bayern München zu spielen. Da reden wir nämlich nicht mehr über Granada, Gala oder Tottenham. Hier herrschen andere Ansprüche und ein anderer Druck, den sie sofort spüren werden.
Andererseits erhöht Bayern mit den Neuzugängen auch den Druck auf alle anderen. Dem Konkurrenzkampf wird das guttun. Niemand sollte sich auf seiner Position sicher sein – bis auf Manuel Neuer, Harry Kane und Leroy Sané vielleicht. Genau das brauchst du, um die Schärfe zu behalten. Vor allem vor der entscheidenden Saisonphase, die mit dem Topspiel in Leverkusen und dem Achtelfinale der Champions League beginnt.
In der Bundesliga hat Bayern mit 47 Punkten sieben Punkte mehr als in der vergangenen Saison nach 19 Spieltagen geholt und ist bis auf zwei Zähler an Tabellenführer Leverkusen rangerückt.
Mit Gladbach kommt am Samstag nun ein gefährlicher Gegner nach München. In Leverkusen haben sie zuletzt sehr gut verteidigt und ein 0:0 erkämpft. Bayern sollte gewarnt sein. Bei dem Duell meiner beiden Ex-Klubs schlagen schon zwei Herzen in meiner Brust. Der Bessere soll gewinnen, aber die bessere Mannschaft war eigentlich auch Leverkusen gegen Gladbach.
Bayern spielt seine Gegner momentan nicht gerade an die Wand und führt die Tabelle nicht schon im Februar mit großem Vorsprung an. Das ist gut für die Bundesliga. Trotzdem ist bei Bayern so weit alles in Ordnung. Auch wenn die Niederlagen im Supercup gegen Leipzig und im Pokal gegen Drittligist Saarbrücken ihnen natürlich nach wie vor sehr weh tun – und in der Endabrechnung vielleicht noch mal mehr.
Die Meisterschaft wird aber nicht nächste Woche beim Topspiel in Leverkusen, sondern erst im Mai entschieden. Mal abwarten, wie Leverkusen weiter mit der Situation umgeht. Der Druck steigt von Woche zu Woche. Aus dem letzten Meisterfinale wissen wir, dass das am Ende zur reinen Kopfsache wird.
Ein Fehler
Die scharfe Kritik von Dietmar Hamann, der Thomas Tuchel als größtes Missverständnis bei Bayern seit Jürgen Klinsmann bezeichnet hat, kann ich überhaupt nicht verstehen. Das Beste an der ganzen Geschichte war, dass er sich am Ende dafür entschuldigt hat. Und eingesehen hat, dass das nicht richtig und ein Fehler war.
Wenn Kritik Hand und Fuß hat, habe ich kein Problem damit. Sie sollte aber niemals ins Persönliche gehen. Wenn man die Situation von Tuchel komplett beurteilt, muss man zum Beispiel auch sehen, wann er zu Bayern kam. Und zwar in einer extrem angespannten, schwierigen Situation. Da funktioniert dann auch nicht alles sofort auf Knopfdruck.
15. Spieltag
Freitag, 20.12.
Samstag, 21.12.
Er ist mit einem relativ dünnen Kader in die neue Saison gestartet. Harry Kane kam erst eine Woche vor dem Ligastart. Dann hatte Bayern enorme Verletzungsprobleme. Was kann Tuchel bitte schön dafür? Wie soll da eine klare Handschrift zu erkennen sein? Das ist unter diesen Umständen fast unmöglich.
All diese Punkte sollte man schon berücksichtigen, wenn man ihn und seine Arbeit beurteilt. Dann macht er nämlich sehr wohl einen guten Job. Hamann weiß selbst, dass er da übers Ziel hinausgeschossen ist und es nicht der Wahrheit entspricht, was er da gesagt hat.
Leverkusen vor wichtiger Woche
Für Leverkusen steht mit dem Pokalviertelfinale gegen Stuttgart und dem direkten Duell mit Bayern eine sehr wichtige Woche dieser Saison an. Man darf aber auch Darmstadt am Samstag nicht vergessen. Genau diese Spiele sind ganz gefährlich. Klar, alle schauen auf die Partie gegen Bayern. Entschieden wird darin aber noch nichts.
Im Pokal wartet dagegen ein K.-o.-Spiel gegen den VfB, wo ich Leverkusen schon als Favorit sehe. Gut für Leverkusen ist, dass beides Heimspiele sind und sie in der Englischen Woche dann zumindest keinen Reisestress haben. Das ist ein kleiner psychologischer Vorteil.
Flick kann jeden Verein trainieren
Spannend sind auch die Berichte über das Interesse des FC Barcelona an Hansi Flick. Grundsätzlich traue ich ihm alles zu, auch Trainer in Spanien, Italien oder England zu sein. Mit der sprachlichen Barriere ist das aber nicht einfach. Wenn Flick wirklich eine konkrete Anfrage bekommen und das für ihn eine Option sein sollte, wird er sich sehr auf ein solches Engagement vorbereiten müssen.
Aber wer mit Bayern München Champions-League-Sieger wird und sechs Titel in einem Jahr holt, der kann jeden Verein trainieren. Vielleicht hat man bei der Arbeit als Nationaltrainer auch gesehen, dass es ihm mehr liegt, im Tagesgeschäft zu sein, als eine Mannschaft zu betreuen, die sich nur alle paar Wochen zu Länderspielen trifft.
Klopp wird sich mit Titeln verabschieden
Bei Jürgen Klopp, der am Saisonende beim FC Liverpool aufhören wird, bin ich mir sicher, dass ihm weiterhin alle Türen offenstehen. Erst mal ist es aber wichtig für ihn, sich und seinen Körper erholen zu lassen, seine Energie wieder aufzuladen.
Wenn er dann irgendwann tatsächlich mal Bundestrainer werden sollte, würden sich mit Sicherheit sehr viele darüber freuen. Die Entscheidung, wann und wo genau er wieder zurückkehrt, muss und soll Klopp aber ganz allein und in Ruhe treffen, wenn der Akku wieder bei 100 Prozent, die Gier wieder da und er wieder heiß auf Fußball ist. Jetzt geht es aber erst mal um den Menschen Jürgen Klopp, der sich von den Strapazen aus neun Jahren Liverpool erholen muss. Trotzdem sind wir sind alle gespannt, wo seine Reise am Ende hingehen wird.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass Klopp sich sogar noch mit dem ein oder anderen großen Erfolg von der Anfield Road verabschieden wird. Das war taktisch wirklich sehr clever und ein genialer Schachzug von Klopp. Durch diese Bekanntgabe hat er die Mannschaft noch mehr auf seine Seite gezogen. Das wird der Mannschaft noch mal einen Schub geben, um vielleicht den ein oder anderen Titel zu holen.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
- Eigene Beobachtungen