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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krise beim FC Liverpool Nähert sich Klopps Mission bei den "Reds" dem Ende?
Nur zwei Siege aus den letzten zehn Liga-Partien, abgerutscht auf Platz acht: Jürgen Klopps FC Liverpool steckt in einer schweren Krise. Experten spotten über das Team – und auch die Statistiken sprechen Bände.
Ob sich Jürgen Klopp am gestrigen Sonntag bei der Partie seines FC Liverpool gegen den FC Fulham wohl wie Bill Murray im Kinoklassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier" gefühlt hat? Zu verdenken wäre es ihm nicht: Wieder 0:1 verloren, wieder zuhause an der Anfield Road, wieder gegen einen Abstiegskandidaten, wieder die wesentlich größeren Spielanteile gehabt. Doch gute Ballbesitz- und Passgenauigkeitsquoten allein bringen eben keine drei Punkte ein.
Es scheint ganz so, als erwache der glorreiche FC Liverpool und sein charismatischer wie temperamentvoller Coach schwer verkatert aus den vergangenen traumhaften zwei Jahren mit Champions-League-Sieg und Meisterschaft.
Als Knackpunkt lässt sich die 0:1-Heimniederlage gegen den auf dem Papier völlig unterlegenen FC Burnley festmachen. Diese Pleite in Anfield am 22. Januar war nicht nur das Ende der historischen Serie von 68 unbesiegten Partien daheim, sondern auch der Beginn des steilen Absturzes des FC Liverpool: Nur zwei Siege konnten die "Reds" aus den vergangenen zehn Premier-League-Partien holen, in Folge rutschte der Klub auf Platz acht der Tabelle ab und muss für die kommende Saison statt mit der Königsklasse mit der neu eingeführten Uefa Conference League planen. Und selbst die erreicht Liverpool nur, sollten sie noch Platz sieben erreichen und sowohl der Sieger des FA- als auch des League-Cups mindestens unte die ersten Sechs kommt. Das Verpassen des internationalen Geschäfts ist also ein mehr als realistisches Szenario.
Liverpool-Legende Carragher: "Team 'Mentalitätszwerge'"
"In der vergangenen Saison hat Jürgen Klopp sein Team zurecht als 'Mentalitätsmonster' bezeichnet, nun sind sie jedoch eher 'Mentalitätszwerge'", monierte TV-Experte und Liverpool-Rekordspieler Jamie Carragher die "Reds" nach der peinlichen Niederlage gegen den Tabellen-18. Fulham.
Seine gefühlige Aussage, die aus großen Teilen des Liverpool-Anhangs kritisiert wird, wird jedoch auch von einigen statistischen Werten unterstützt. So gewinnt der Titelverteidiger in der laufenden Spielzeit weniger als die Hälfte seiner Zweikämpfe (48 Prozent) und liegt damit sowohl unter dem Liga-Schnitt (50 Prozent) als auch unter dem Wert der Meistersaison (51 Prozent). Noch eklatanter wird es, wenn man einen Blick auf die verlorenen Punkte nach einer Führung blickt. So gab Liverpool in dieser Saison in sechs Partien trotz eigenes Ausgangstreffers noch katastrophale 13 Punkte aus der Hand. Zum Vergleich: 2019/2020 gab Klopps Mannschaft bis zum 28. Spieltag nicht eine einzige Führung aus der Hand.
Dennoch lässt sich nicht grundsätzlich feststellen, dass es den "Reds" in dieser Saison an Konzentration, oder dem, was Carragher als Mentalität bezeichnet, fehlt. Sowohl die Passquote (86 Prozent (Ligadurchschnitt 79 Prozent) als auch die absolute Anzahl der angekommenen Pässe (570 (Ligadurchschnitt 387)) ist im Vergleich zum Meisterjahr gestiegen (84 Prozent respektive 530). Viel wichtiger: Aus vier Rückständen konnte Liverpool in dieser Saison noch zehn Zähler mitnehmen – der exakt gleiche Wert wie vergangene Spielzeit bis zum 28. Spieltag.
Verletzungspech und 15 verschiedene Innenverteidiger-Konstellationen
Dass Liverpool in der Premier League aktuell hinterherhechelt, liegt auch ganz entscheidend am massiven Verletzungspech, das sich durch die Saison zieht. Aktuell fehlen den "Reds" mit Joe Gomez, Virgil van Dijk und dem Ex-Schalker Joel Matip gleich drei Stamm-Innenverteidiger langfristig; zudem wird auch Kapitän Jordan Henderson, der ebenfalls bereits auf der für ihn ungewohnten Innenverteidigerposition aushelfen musste, noch den kompletten März ausfallen.
Andere Stützen wie Torwart Alisson schleppen sich mit mehr schlecht als recht auskurierten Blessuren durch den XXL-Corona-Spielplan und können bei weitem nicht an ihr bekanntes Leistungsvermögen anknüpfen. Auch deshalb sagte Klopp nach der Fulham-Niederlage am BBC-Mikrofon: "Wir hatten in dieser Saison nie ein Momentum." Wie auch, wenn man allein in der Innenverteidigung in dieser Saison bereits in 15 verschiedenen personellen Konstellationen auflaufen musste?
"Dieses Team ist ein extremes Team. Wir waren extrem erfolgreich und jetzt haben wir auch eine extreme Situation, aber wir werden uns durchkämpfen", versuchte sich Klopp weiter in Durchhalteparolen. Auch, weil er erstmals in seiner bald fünfeinhalbjährigen Amtszeit an der Anfield Road öffentlich in Frage gestellt wird und viele Fans und Experten sich bereits auf seinen möglichen Nachfolger eingeschossen haben: Steven Gerrard. Der langjährige Kapitän der "Reds" hat am Wochenende seinen ersten Titel als Cheftrainer geholt, mit den Glasgow Rangers feierte er über zwei Monate vor Saisonende und mit 20 Punkten Vorsprung auf Lokalrivalen Celtic die erste schottische Meisterschaft seit zehn Jahren.
So ist es unter anderem die BBC, die das Feld für eine Amtsübergabe bereitet sieht, und eine interessante Parallelität in Klopps Karriere erkennt: Auch Borussia Dortmund brach 2014/2015 nach extremen Erfolgen zusammen. Dem BVB fehlten als Tabellensiebter schlussendlich 25 Punkte zum Meister FC Bayern und Klopp nahm zum Ende der Saison Abschied. Liverpools aktueller Rückstand auf Premier-League-Spitzenreiter Manchester City? 22 Zähler. Womöglich nähert sich Klopps Mission an der Anfield Road tatsächlich ihrem Ende.
- Eigene Recherche
- "bbc.com": Liverpool-Boss Jürgen Klopp geht nach einer weiteren Niederlage durch eine seiner schwersten Phasen (Englisch)
- "Transfermarkt": Vereinsprofil FC Liverpool
- "Kicker": FC Liverpool, Statistik
- "premierleague.com": Liverpool, Statistik
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