Auftakt verschoben La Liga startet in die Saison der Armen und Alten
Madrid (dpa) - Toni Kroos wird im Januar 31 und denkt schon langsam an die Zeit nach dem Fußball. Der Deutsche ist dennoch einer der jüngsten Weltstars der spanischen Primera División, die am Samstag in die neue Saison startet.
Geld, um jüngere Spitzenkräfte zu holen, gibt es nicht. Die Kassen sind leer. Die Corona-Pandemie hat Spanien in jeder Hinsicht so hart getroffen wie kein anderes Land Westeuropas. Ballast abwerfen, lautet derzeit die Devise - auch und erst recht bei den Branchengiganten FC Barcelona und Real Madrid. "Die Liga ist im Ausverkauf-Modus", titelte "El Español".
In der Tat: Bis Donnerstag hatten die 20 Clubs der 1. Liga zusammen rund 288 Millionen Euro für Verstärkungen ausgegeben. Verkauft wurde dagegen für 368 Millionen. Eine solche positive Differenz von rund 80 Millionen Euro hatte es bisher noch nie gegeben. Der bisherige "Rekord" wurde 2017 mit 62 Millionen registriert - damals wechselte Neymar für 222 Millionen von Barça zu Paris Saint-Germain. Ansonsten wurde im Sommer fast immer (viel) mehr ausgegeben als eingenommen. Erst im vergangenen Sommer hatten die 20 La Liga-Clubs mit Ausgaben von rund 1,3 Milliarden einen Rekord aufgestellt.
Beispiel Madrid: der Club hat bisher keinen Euro für neue Spieler ausgegeben. Die einzige Verstärkung bisher, Rückkehrer Martin Odegaard, kam aus San Sebastián zum Nulltarif. Dafür nahm man bisher knapp 90 Millionen Euro durch Verkäufe ein. Den Club verließen nicht nur abgeschriebene Stars wie James Rodriguez, der zum FC Everton ging, sondern auch Talente wie der Ex-Dortmunder Achraf Hakimi (Inter Mailand) oder Neu-Nationalspieler Óscar Rodríguez (FC Sevilla).
Die Verschlankung ist aber noch längst nicht abgeschlossen: Auf der Streichliste stehen der bei Trainer Zinedine Zidane in Ungnade gefallene Gareth Bale, die Nationalspieler Sergio Reguilón und Dani Ceballos sowie auch die Stürmer Mariano und Borja Mayoral.
Die Königlichen werden wegen Corona schätzungsweise 200 Millionen Euro an Einkommenseinbußen erleiden. Bei Erzrivale FC Barcelona ist von einem ähnlichen Betrag die Rede. Anders als in anderen Ländern steht eine Rückkehr der Fans in die Stadien zu allem Übel derzeit überhaupt nicht zur Debatte, zumal die Infektionszahlen immer schneller steigen. Das Virus droht den vor zwei Jahren begonnenen Niedergang des spanischen Clubfußballs zu verstärken.
Nachdem zwischen 2009 und 2018 sieben von zehn Champions-League-Titel nach Spanien gingen, gab es zuletzt heftige Debakel. Madrid sagte beide Male schon im Achtelfinale Adiós. Barça erlitt 2019 in Liverpool eine 0:4-Klatsche - und die historische 2:8-Pleite im diesjährigen Viertelfinale gegen die Bayern ist frisch in Erinnerung.
Die Madrileños können sich damit trösten, dass sie zumindest den letzten Liga-Titel geholt haben. Viel dringender ist deshalb der Handlungsbedarf beim krisenerschütterten FC Barcelona. Clubboss Josep Bartomeu hat zumindest erreicht, dass der abwanderungswillige Weltfußballer Lionel Messi wider Willen bleibt und seinen bis 2021 laufenden Vertrag erfüllt. Der von Bartomeu und dem neuen Trainer Ronald Koeman angekündigte Neuaufbau lässt derweil auf sich warten.
Wegen der Champions-League-Teilnahme steigen die Katalanen zwei Wochen später in die Primera División ein. Nationaltorwart Marc-André ter Stegen fehlt noch mindestens bis Ende Oktober. Real Madrid hat eine Woche Schonfrist bekommen.
Aber nicht nur Madrid und Barcelona müssen Ballast abwerfen. Der FC Valencia verkaufte in den vergangenen Tagen das neue Sturmduo der Nationalelf nach England. Rodrigo Moreno (29) wechselte zu Leeds United, Ferrán Torres (20) zu Manchester City. Die LaLiga kann die jungen Stars nicht mehr halten. Sie gehen vor allem in die Premier League, wie Eric Garcia (19/Manchester City) oder Rodri (24/Manchester City), aber auch nach Italien oder Deutschland.
In Spanien kommen die Stars unterdessen in die Jahre. Real Madrid setzt weiter in erster Linie neben Kroos und Eden Hazard (29) auf Sergio Ramos (34), Luka Modric (35) und Karim Benzema, der im Dezember 33 wird. In Barcelona gibt es auch noch keinen Ersatz für die "Alten" um Messi (33), Gerard Piqué (33), Jordi Alba (31), Sergi Busquets (32) und Antoine Griezmann, der im März 30 wird.
Aber vielleicht hat diese Entwicklung auch etwas Gutes, meinen Experten: Erstmals nach langer Zeit könne man hoffen, dass wieder Außenseiter in die Phalanx der vier Großen (Madrid, Barça, Atlético und Valencia) einbrechen. Das gelang zuletzt Real Deportivo La Coruña mit dem Titelgewinn 2000 und davor Athletic Bilbao im Jahr 1984. Als mögliche "Gigantenkiller" werden in der "Saison der Armen und der Alten" der FC Sevilla und der FC Villarreal gehandelt.